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In Bayern leben fast 1.700 Reichsbürger und Hunderte davon sind bewaffnet

Für Innenminister Joachim Herrmann sind Beziehungen von Reichsbürgern zu Rechtsextremen "untypisch". Und damit ignorieren die Behörden, was jeder auf Facebook sehen kann.

Foto: imago | Florian Schuh

Wolfgang P. ist ein sogenannter Reichsbürger und hat im Oktober im bayerischen Georgensgmünd einen Polizisten mit einer legalen Waffe getötet. Auf seinem Facebook-Profil postete er Links zu Verschwörungsseiten, rechtsextreme Memes, die den Holocaust oder das NS-Regime relativieren und zu einwanderungskritischen Seiten.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schätzte in der Passauer Neuen Presse die Zahl der in Bayern lebenden Reichsbürger auf 1.700. Darunter seien etwa 340 Waffenbesitzer. Gleichzeitig sagte er, dass es zwar vereinzelt Beziehungen zu rechtsextremen Kreisen gäbe, "das scheint aber nach momentaner Analyse nicht das Typische oder Vorherrschende zu sein".

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Ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums erklärte gegenüber VICE: "Die Reichsbürgerbewegung ist äußerst heterogen und es gibt keine große verbindende Ideologie, die dahinter steht. Dafür aber eine Vielzahl von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen und es kommt immer wieder zu Neugründungen und Abspaltungen. Gemeinsam ist allen nur, dass sie die Legitimation der Bundesrepublik ablehnen."

Die Einschätzung des Innenministeriums wirkt dabei hilflos. Gerade wenn man sich Facebook-Profile aus der Szene, wie jenes von Wolfgang P., anschaut, kommt man eher zu dem Schluss, dass rechtsextremes Gedankengut weit verbreitet ist. Jan Rathje von der Amadeu-Antonio-Stiftung sieht die Einschätzung der bayerischen Regierung kritisch:

"Der Innenminister hat Recht, wenn er sagt, dass es geringe personelle Überschneidungen zur vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremen Szene aus NPD, freien Kameradschaften oder autonomen Nationalisten gibt. Das heißt aber nicht, dass es in dem Milieu kein rechtsextremes Gedankengut gibt. Die Verschwörungsideologie der 'Reichsbürger' und 'Selbstverwalter' ist antisemitisch und rechtsextrem, auch wenn viele aus dem Milieu keine rechtsextreme Vergangenheit haben."

Immerhin weitet der Verfassungsschutz seine Bemühungen, die Szene zu beobachten, weiter aus, so das bayerische Innenministerium. 1.700 polizeilich bekannte Mitglieder der Reichsbürgerbewegung gebe es derzeit in Bayern, so der Ministeriumssprecher. "Wir haben dafür zum Beispiel in allen 2.056 Gemeinden Bayerns nachgefragt, um herauszufinden, wie viele Menschen ihren Personalausweis abgegeben haben, um so einen Rückschluss auf genauere Zahlen ziehen zu können. Darüber hinaus sind auch die anderen Ressorts angehalten, in ihren Bereichen nachzufragen, ob dort Reichsbürger in der Verwaltung arbeiten, wie etwa in Hochschulen, Schulen oder bei der Justiz."

Besonderes Gewicht lege man dabei auf den Waffenbesitz. "Wir unterstellen allen sogenannten Reichsbürgern, dass sie waffenrechtlich unzuverlässig sind und deshalb generell Anträge auf Waffenerlaubnisse abgelehnt und bereits erteilte Waffenerlaubnisse widerrufen werden können."

Immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Schade nur, dass erst ein Polizist sterben musste, bevor die Gefahr in Bayern erkannt wurde.