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Mord und Kacke – aus dem Leben eines Schweizer Nachtportiers

Blutbespritzte Decken, Schranktüren als Kokshilfe und Mörder, die immer wieder nach ihrem Gepäck fragen.
Titelbild von Jorge Royan

Ich kenne beide Seiten: Die Arbeit als Nachtportier im grossen Edelhotel und die Arbeit als ebensolcher im Backpacker-Hostel. Natürlich wird im Hostel eher Billig-Wein getrunken und im 4-Stern-Hotel eher gekokst. Aber hemmungslos und selbstzerstörerisch sind die wirklich schlimmen Gäste an beiden Ort.

Mit 20 Flaschen Wein im Klo eingesperrt

Ein Typ, er war Belgier oder Däne, hielt das Hostel für wirklich, wirklich schlecht. Unser Hostel war von Streetartists dekoriert worden und Graffitis waren für diesen Typen ein Zeichen von Verwahrlosung. „Grosse Scheisse! Grosse Scheisse!" hörten wir ihn die ganze Zeit zetern. Aber ja, am Ende hatte er sogar einen richtig guten Grund für seine Empörung: Eines Abends kam er runter zu mir an die Rezeption und beschwerte sich, da das Klo—das Klo war auf dem Gang—immer besetzt sei. Ich erklärte ihm freundlich, dass er halt einen Moment warten müsse. Als er nach ein paar Minuten nochmals kam, sagte ich ihm nochmal das gleiche. Dann kam er wieder zurück und bat mich, ihn zu begleiten. Also kam ich mit. Er erzählte mir unterwegs, dass er die Türe mittlerweile aufgebrochen habe. Im Badezimmer lag einer und um ihn herum lagen 10 bis 20 Flaschen Wein, viele leer, einige halbleer. Der Security schmiss den klobesetzenden Alkoholiker raus und der Belgier hatte endlich einen echten Grund, das Hostel als „grosse Scheisse" zu bezeichnen.

Irgendein Hostel, nicht dieses Hostel. Foto: Barnacles Budget Accomodation | Flickr | CC BY 2.0

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Klo II: Die Rache der Schüssel

Im August waren wir normalerweise ausgebucht. Ein Australier kam ohne Reservierung und wollte dennoch bei uns übernachten. Wir begegnetem seinem Versäumnis, indem wir ihn die erste Nacht auf dem Sofa schlafen liessen. Danach bekam er ein Zimmer für zwei Nächte und die letzte Nacht verbrachte er wieder im Gemeinschaftsraum. Er war Partygänger und wahrscheinlich Drogenkonsument. In der letzten Nacht schlief er immer nur für 10 Minuten und hat unser Team dann wieder 20 Minuten an der Rezeption vollgeschwafelt. Was uns während den Laberattacken aufgefallen war: Er fasste sich die ganze Zeit an den Bauch. Keine Ahnung, was er sich eingeschmissen hatte, aber anscheinend verursachte es Magenprobleme. Am nächsten Morgen entdeckten wir, dass er in eine freistehende Kloschüssel gekackt hatte. Es war so offensichtlich, dass die nicht angeschlossen war: Sie war voll mit Müll und Geröll und über keinerlei Leitungen mit der Wand verbunden.

Drogen im 4-Sterne-Hotel

Im 4-Sterne-Hotel ist es weniger so, dass die Drögeler zum Schlafen ins Hotel kommen, sondern bewusst ein Hotelzimmer mieten, um darin zu feiern. Einmal kam ein Italo-Schweizer, mit einer Platinum-Mastercard und allem drum und dran. Er buchte ein Zimmer, das Zimmer 115. Die ganze Nacht lang kamen Männer, die das Zimmer 115 besuchen wollten. Jedes Mal fragte ich: „Wieso wollt ihr denn das Zimmer 115 besuchen?" Und alle antworteten: „Ich kann das auch nicht sagen. Ich weiss es nicht. Ich muss einfach." Einige liess ich passieren, andere wies ich ab. Am nächsten Tag verliess der Italo-Schweizer das Hotel fluchtartig und kam nie wieder zurück. Als wir das Zimmer besichtigten, war es total verwüstet: Eine Schranktüre war aus der Verankerung gerissen und so präpariert, dass man Kokain-Lines damit trennen kann. Ein einziges, riesiges Chaos. Zum Glück konnten wir alles von der Platinum-Kreditkarte des Italo-Schweizers abbuchen.

Ein anderes Mal kam einer in der Nacht, zahlte das Zimmer und war um 6 Uhr morgens wieder weg. Die Putzfrau kam hinterher zu mir an die Rezeption: „Das musst du dir anschauen!" Also ging ich mit … Und: Die ganze Decke war mit Blut bespritzt. Ein echter Pollock-Moment. Natürlich gibt es Blutflecken, wenn sich jemand eine Spritze setzt, aber wie der das geschafft hatte, weiss ich bis heute nicht.

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Irgendeine Hotellobby, nicht diese Hotellobby. Foto: Mattes | Wikimedia Commons | Public Domain

Aber auch Besoffene haben es in sich: Beim UEFA-Cup-Spiel Swansea vs. St. Gallen war unser Hotel voll mit Engländern. 20 Zimmer gingen an Swansea-Fans. Am späten Nachmittag sassen zwei Damen vor dem Computer und plötzlich betraten zwei Midtwenty-Prolls die Lobby und begannen die zwei Frauen einfach zu beleidigen. „You dirty bitch" und solche Sachen. Die zwei holten ihre Männer und das waren echte Betonklötze—zwei Meter gross und einen Meter breit. Beide kamen in Unterhosen und T-Shirts runter und lungerten dann etwa eine halbe Stunde vor dem Hotel herum, um die Midtwenty-Prolls zu finden. Die waren abgehauen und kamen auch nicht mehr zurück. Als wir nachfragten, was sie vorhaben, antworteten sie: „We're waiting for them and as soon as we get them, we'll kill them." Natürlich mussten wir die Polizei rufen und auch als die Polizisten kamen, beharrten die beiden Kraftprotze auf ihrer Drohung und wurden von der Polizei mitgenommen.

In welchen Kleidern würde Milo Moiré in diesem Hotel wohl einchecken: Milo Moiré

Und dann kamen die beiden schlecht erzogenen Midtwenties zurück. Wegen ihrem Verhalten hatten wir vom Hotel entschieden, dass sie auch nicht mehr bei uns übernachten dürfen. Sie stritten aber alles ab und quengelten: „No! No! No, I won't go." Der eine war so wütend, dass er in ein verglastes Bild schlug. Das zerschnitt ihm die ganze Hand und er verteilte das Blut überall im Hotel. Die Polizei musste nochmals kommen, um die Zwei rauszubringen. Auch sie mussten für die Reinigung aufkommen.

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Der Mord

Eines der übelsten Erlebnisse meines Daseins als Nachtportier, lief eines Abends in Form einer Dreiergruppe bei mir an den Tresen. Zwei konnten weder Deutsch noch Englisch, der Dritte konnte immerhin ein wenig Englisch. Sie wollten ein Zimmer für drei Tage und haben gleich bar bezahlt. Am nächsten Tag rief die Polizei an: „Hat gestern jemand bei Ihnen eingecheckt?"—„Ja, drei Spanier sind gekommen."—„Wir suchen die. Wissen Sie, wo sie sein könnten?"—„Keine Ahnung." Es stellte sich heraus, dass zwei der drei Typen zwischen dem Einchecken und dem Anruf eine Frau getötet hatten. Ausserdem hatten sie ihre Koffer im Hotel „vergessen". Die Polizei verpflichtete uns, sie zu informieren, falls jemand nach den Koffern fragen sollte. Falls jemand aufgetaucht wäre, hätten sie ihn sofort verhaftet. Gekommen war niemand, aber während drei oder vier Wochen rief jeden Tag jemand an und hat nach den Koffern gefragt. Die Polizei hat die Koffer dann irgendwann mitgenommen.

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Titelbild: Jorge Royan | Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0