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Nationalratswahl 2013

So klein und schon Partei: NEOS

In unserer Reihe "So klein und schon Partei" stellen wir euch junge Vertreter von Österreichs Kleinparteien vor. Heute machen die Neos mit Niki Scherak den Anfang.

Foto: Parks and Recreation (Official Site)

Es ist vielleicht nicht so schwer zu sagen, wen man am 29. September bestimmt nicht wählen wird. Viele Parteien kann jeder für sich nämlich schon jetzt ausschließen. Sei es aufgrund von peinlichen Spitzenkandidaten, einem noch peinlicheren Wahlkampf, der Einstellung zu Euro, Ausländern oder dem Lehrerdienstrecht, oder einfach einer gewissen Abneigung mancher Farben. Blau steht nunmal nicht jedem.

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Oder vielleicht fangen wir noch einen Schritt davor an: Dieses Jahr sind Nationalratswahlen. Was ihr darüber wissen müsst, haben wir schon sehr kompakt in diesem A bis Z zusammengefasst. Und auch, wenn gegen Ende dieses Jahres vermutlich wieder eine rot-schwarze Koalition angelobt werden wird (oder vielleicht genau aus diesem Grund), macht es Sinn, sich die Alternativen zu den etablierten Kräften in diesem Land anzuschauen.

Deshalb haben wir Interviews mit den Parteien geführt, die zur Zeit in der Politik (noch) nicht viel zu sagen haben, aber mit uns zumindest den Wunsch nach Veränderung teilen. Zusätzlich haben wir es uns zum Ziel gemacht, mit den jungen Vertretern aus den Parteien zu sprechen und ihnen Fragen aus unserem Leben zu stellen. Ihr habt also die nächsten Wochen die Gelegenheit zu erfahren, ob diese Jungpolitiker schon einmal gekifft haben, ob Glaube Platz in der modernen Politik hat und wie sie zu aktuellen, uns unter den Fingernägel brennenden Themen wie dem Syrien-Konflikt oder Edward Snowden stehen.

Foto: Niki Scherak, mit freundlicher Genehmigung

Im Oktober letzten Jahres gegründet, sind die Neos ein bisschen sowas wie das uneheliche Kind von ÖVP und den Grünen. Zu beurteilen, ob es eine gute Kombination ist, sich in Sachen Wirtschaft von der ÖVP inspirieren lassen und die liberalen gesellschaftspolitischen Ideen der Grünen zu übernehmen, überlassen wir euch. Trotzdem wollen wir noch drei wichtige Punkte festhalten.

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Erstens: Parteigründer Matthias Strolz gibt so Sachen wie „Was ich will: PolitikerInnen als Hebammen des Neuen“ und „PolitikerInnen sind Gärtner des Lebens, sie kultivieren soziale Felder“ von sich, was ein bisschen so klingt, als würde er sich nur mit Granderwasser waschen und als hätte er einen Energie-Stein am Fernseher liegen.

Zweitens: Niko Alm ist VICE-Co-Herausgeber und tritt für die Neos in Wien auf Listenplatz 2 an, was bedeutet, dass er nach der Wahl seine politischen Passionen vermutlich wieder hauptsächlich aufs Kirchenanzünden (rein metaphorisch gesprochen für die Trennung von Kirche und Staat) konzentrieren wird.

Und drittens: Selbst, falls nicht, hat Niko Alm jedenfalls keinen Einfluss auf dieses Interview oder unsere Berichterstattung genommen, es sei denn, ihr wertet seinen Wunsch nach "mehr über Laibach oder Anti-Flag" als politische Agitation, was wahrscheinlich irgendwie sogar durchginge.

Einen vierten Punkt könnte man vielleicht der Erkenntnis widmen, dass Niki Scherak, Vorstandsmitglied der Neos und Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen (JuLis), unserer Meinung nach aussieht wie Prinz William und wir seither nicht mehr anders können, als ihn auf jedem Foto der Royals neben Prinzessin Kate und Baby-Prinz George zu sehen. Aber da uns das in Sachen politische Berichterstattung wahrscheinlich ziemlich diskreditieren würde, sagen wir stattdessen lieber nichts mehr (und sparen uns damit auch jede Anspielung darauf, dass das ziemlich gut zu Nikis privilegierter Herkunft passen würde).

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VICE: Hi, Niki. Wirst du dieses Interview autorisieren lassen?
Niki Scherak: Hallo! In der Regel ja. Normalerweise bessere ich aber nicht viel aus.

Erkläre uns in einem Tweet, wofür eure Partei steht.
Sprachrohr der nächsten Generation. Gegen den Stillstand. Für mehr Freiheit.

Für mich persönlich wird sich doch nicht viel ändern, egal wer im Parlament sitzt. Warum sollte ich mich dann überhaupt für Politik interessieren?
Weil es genau um deine Zukunft geht. Das Hauptproblem, das wir momentan in der Politik sehen, ist einfach, dass die Interessen der Jugend konsequent ignoriert werden – und das seit Jahrzehnten. Man muss nur schauen, wie wenig junge Abgeordnete es gibt. Den handelnden Parteien waren bisher hauptsächlich Themen wie Pensionistenverbände und diversen anderen Lobbyingverbände wichtig, die der Jugend sind gekonnt ignoriert worden. Das ist auch einer der Hauptgründe, wieso wir das machen. Weil wir sagen, dass wir da endlich ansetzen müssen. Es ist ganz wichtig, dass junge Menschen sich für Politik interessieren und sehen, dass da jemand ist, der sich für sie einsetzt.

Wenn du sagst, dass junge Menschen in der Politik fehlen, kann man dann auch sagen, dass Frauen in der Politik fehlen? Auch in eurer Partei.
Es ist die Frage, wer dann letztendlich im Parlament sitzt. Auf unserer Bundesliste sind prozentuell sehr wenig Frauen, es ist aber klar so, dass es bei uns im Vorstand fast 50:50 aufgeteilt ist. Ich glaube ganz massiv, dass Frauen in der Politik fehlen und frage mich auch oft, wieso das so ist. Ich finde das sehr schade, weil Frauen in die Politik auch ganz andere Qualitäten mitbringen können, als wir Männer.

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Hat Glaube Platz in moderner Politik?
Auf jeden Fall. Ich glaube aber, dass er kein Wahlkampfthema sein sollte. Glaube ist etwas Persönliches. Wenn ich der Meinung bin, dass ich mit meinen religiösen Ansichten in irgendeiner Art und Weise etwas Sinnvolles in die Politik einbringen kann, glaube ich jedenfalls, dass er Platz in moderner Politik haben kann. Glaube und Religion sollte aber keine Rolle in der Politik spielen, die nach außen vertreten wird.

Wie stehst du zu den Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen?
Schwierig. Ich glaube es ist wichtig, was in Syrien passiert. Es ist auch wichtig, dass man die Leute unterstützt, die versuchen durch eine Revolution etwas in einem autokratisch regierten Staat zu ändern. Ich habe mich persönlich mit dem Thema nicht ausreichend beschäftigt, um ein abschließendes Urteil zu fällen.

Mit welcher Partei würdest du eine Koalition eingehen und mit welcher nie?
Ich bin generell ein Gegner davon, jemanden, der demokratisch gewählt wurde, auszuschließen. Wenn man sich aber Wahlprogramme durchliest, wird man schnell sehen, dass ich mit der FPÖ absolut keine Schnittmengen habe. Ich persönlich habe auch ein Problem mit dem Team Stronach, weil das eine extrem ungute Art ist, Politik zu betreiben: Politik kaufen zu wollen. Ich glaube dem Ganzen einfach nicht. Stronach nicht und auch nicht den Leuten, die da mitmachen. Eine Lieblingskoalition aus meiner Perspektive wäre Schwarz, Grün, Pink.

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Würde das funktionieren?
Ich glaube schon. Auch wenn ich mit den Grünen inhaltlich nicht immer übereinstimme, schätze ich sie doch sehr für die Art und Weise, wie sie Politik machen.

Foto: Niki Scherak, mit freundlicher Genehmigung

Redest du gerne über deine Arbeit? Erzählt man in Österreich gerne, dass man Politik macht?
Ich sehe das sehr indifferent. Man kann es schon zugeben, wenn es sein muss. Ich gebe das gerne zu. Es gibt Situationen, da erwähne ich es nicht, weil ich bewusst nicht über Politik reden möchte. Aber grundsätzlich sind die Grundsätze, die mir wichtig sind, ja auch wichtig, ausgesprochen zu werden.

Hättest du Edward Snowden aufgenommen, wenn er vor deiner Tür gestanden wäre?
Also ich glaube, es ist unglaublich beeindruckend, was er gemacht hat. Wäre die Frage, ob ich ihn überhaupt erkannt hätte. Wenn er bei uns Asyl beantragt hätte, nach Österreich gekommen wäre, dann hätte ich ihn vermutlich aufgenommen, vor allem auch, weil er in Amerika politisch verfolgt wird. Aber ein Asylantrag ging ja aufgrund der Gesetze nicht. Ich glaube schon, dass ich ihm geholfen hätte, aber das Heldenimage steht mir jetzt denke ich mal nicht so.

Und die Flüchtlinge aus dem Servitenkloster?
Es wären für meine Wohnung wohl ein bisschen zu viele gewesen. Aber auch da hätte ich etwas getan. Das sind alles menschliche Tragödien. Soweit ich das beurteilen kann, war das Problem bei den Flüchtlingen, dass kein Asylgrund vorliegt. Aber Asylverfahren dauern in Österreich einfach viel zu lange.

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Foto: Niki Scherak, via seine Facebook-Fanpage

Hast du ein privates Facebook-Profil? Gibt es von dir peinliche Fotos? Wer könnte die sehen?
Ich hatte ein Facebook Profil, habe es aber auf eine Fan-Page umgestellt. Ich habe zwar jetzt auch wieder eine private Seite, aber die nutze ich kaum. Vielleicht bin ich auf einigen Fotos meiner Freunde, aber selbst poste ich nur Politisches.

Was war das längste, das du jemals fortgegangen bist?
Puh. Also das war bestimmt schon auch einige Male 8 Uhr morgens, als ich aus dem Goodmans rausgegangen bin. Aber in letzter Zeit extrem wenig. Vielleicht bin ich in der Hinsicht faul geworden.

Welche Eigenschaft macht dich bei anderen wahnsinnig?
Ungenauigkeit und Nachlässigkeit. Ich bin selbst sehr perfektionistisch. Unorganisiertheit macht mich rasend. Und unorganisiert ist es für mich in der Regel schon dann, wenn es nicht so ist, wie ich es organisiert hätte.

Welche historische Persönlichkeit bewunderst du am meisten?
Puh. Das ist mal eine Frage… John Stuart Mill und Henry Dunant, Bobby Kennedy, Carla del Ponte und Stefan Zweig. Sind das zu viele?

Nein. Das ist schon gut so. Was ist dein Lieblingsschimpfwort?
Wir hatten im ÖH-Wahlkampf bei den JuLis ja das Plakat „Deine Mutter zahlt mein Studium“. Das ist jetzt ein geflügeltes Wort. Dauernd, ohne Zusammenhang, im Büro heute bestimmt 17 Mal. Hättest du gerne eine Pizza? Deine Mutter hätte gerne eine Pizza.

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Welchen Beruf würdest du nie machen wollen?
Alles, wo ich für Geld meinen Grundsätzen widersprechen würde. Ich wäre ein grauenhafter Wirtschaftsanwalt, oder generell Anwalt. Ich werde auch ganz sicher nie Unternehmensberater.

Du sagst, du bist gläubiger Christ, sagst gleichzeitig aber auch, dass es den Staat weder zu interessieren hat, in welcher Art von Beziehung Menschen miteinander leben noch ob sie an Wochenenden ihr Geschäft aufsperren.Gerade zwei Themen, die auch der Kirche sehr am Herzen liegen, wo sie dir aber widersprechen würde oder?
Ich bin Mitglied der Katholischen Kirche, bin auch katholisch getauft, würde mich aber wahrscheinlich in einer anderen Kirche wohler fühlen. Es geht hauptsächlich darum, dass ich an Gott glaube, aber das heißt nicht, dass ich nicht Ansichten der Katholischen Kirche kritisieren kann. Sie ist nicht an dem Punkt, an dem sie homosexuelle Beziehungen gleichstellen würde, was ich absolut nicht nachvollziehen kann. Das eine ist mein privater Glaube, aber ich finde, dass Religion und Glaube nach außen hin vertreten im politischen Diskurs nichts zu suchen haben.

Aber die Meinung zu vertreten, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen, denen heterosexueller rechtlich gleichgestellt gehören, widerspricht nicht deinem Glauben?
Ich bin der Meinung, dass Homosexuelle genau die gleichen Rechte haben sollten, wie Heterosexuelle. In jeder Beziehung. Mein privater Glaube ist, dass ich an Gott glaube. Ich bin halt katholisch getauft. Dass die Katholische Kirche viele Ansichten hat, die ich nicht teile, ist klar—ich glaube aber, dass man das ohne weiteres kritisieren kann. Aber es kann gut sein, dass ich in einer anderen Kirche besser aufgehoben wäre.

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Weil andere Kirchen liberaler wären?
Ja, weil sie um einiges liberaler wären.

Hieße das also, wenn ihr nicht ins Parlament kommen würdet, wäre es Gott, der das nicht zugelassen hat?
Das ist sehr persönlich, Wahnsinn … Glaube ist logisch nicht zu erklären. Meiner Meinung nach hat Gott eine Idee, einen Plan. Aber ich glaube, dass man diese Idee beeinflussen kann. Es ist also nicht Gottes Schuld, wenn wir nicht ins Parlament kommen. Ich glaube, dass Gott in irgendeiner Art und Weise existiert und eine Idee für die Menschen hat. Welche das ist, weiß ich nicht, das habe ich ihn noch nicht gefragt, aber er hätte mir wahrscheinlich auch nicht geantwortet.

Wie verstehst du dich mit Niko Alm, der ja bekannt dafür ist, sehr viel an der Kirche zu kritisieren?
Wir sind sehr gut befreundet. Ich war gerade vor dem Interview auch bei ihm einen Kaffee trinken. Ich habe ihn auch bei der „Initiative gegen Kirchenprivilegien“ unterstützt. Wir kennen uns schon sehr lange.

Bedeutet Freiheit statt Bevormundung auch die Legalisierung aller Substanzen und Suchtmittel?
Ich glaube, wichtig im Zusammenhang mit Drogen ist, den Konsum zu entkriminalisieren. Es ist kein sinnvoller Weg, Menschen, die süchtig sind, auch noch zu kriminalisieren. Insbesondere bei Cannabis macht es Sinn, zu entkriminalisieren. Bei allen weiteren ist es natürlich schwierig, weil die extrem gefährlich sind. Aber es gibt Beispiele in Europa, die zeigen, dass die Entkriminalisierung sehr gut funktioniert. Gerade in Portugal und Tschechien. Wichtig ist auf jeden Fall Aufklärung und dann aber den Konsum nicht zu bestrafen.

Hast du schon einmal gekifft?
Ja, natürlich. Schon länger her, mache ich heute nicht mehr.

Was ist die Aufgabe des Staates, wenn er den Bürgern keine Vorschriften machen soll?
Seine Aufgabe ist, ein Zusammenleben der Bürger zu ermöglichen, ihnen aber nicht vorzuschreiben, wie sie zusammenzuleben haben. Der Staat muss nach innen und nach außen für Sicherheit sorgen, sodass die Menschen in Freiheit miteinander leben können.

Wirst du Passagen aus diesem Interview streichen, auch wenn du sie tatsächlich gesagt hast?
Ich glaube nicht. Vielleicht werde ich etwas neu formulieren oder einen Beistrich ändern, obwohl ich in Beistrichsetzung gar nicht so gut bin. Inhaltlich habe ich aber noch kein Interview verändert.

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