FYI.

This story is over 5 years old.

Drogen

Wen sollten Kiffer am Sonntag ins Parlament wählen?

Kommenden Sonntag werden auch 800.000 Kiffer die Zukunft Österreichs mitentscheiden, sofern sie nicht zu stoned sind um das Haus zu verlassen. Wem sollen sie ihre Stimme geben?

Fotomontage: VICE Media Alps

Laut einer Repräsentativerhebung des Bundesministeriums für Gesundheit aus dem Jahr 2008 hat Cannabis in Österreich eine Lebenszeitprävalenz von 11,8 %, was bedeutet, dass 11,8 % der Bewohner des Alpenlandes im Laufe ihres Lebens wunderbar süßlichen Rauch tief in ihre Lungen gesogen oder—wie Bill Clinton—nur so getan haben. Eine mindestens ebenso repräsentative Erhebung in unserem Büro hat allerdings ergeben, das 9 von 10 Befragten schon einmal gekifft haben. Wahrscheinlich liegen die echten Zahlen derer, die bereits mit Cannabis in Berührung gekommen sind, irgendwo dazwischen, aber sicher ist, dass es sich hier um eine ziemlich große und möglicherweise wahlentscheidende Gruppe handelt.

Anzeige

Der Hanf Verband Österreich spricht von 400.000 regelmäßigen und noch einmal so vielen Gelegenheitskonsumenten, die durch die österreichische Strafgesetzordnung kriminalisiert werden, weil sie einem äußerst friedlichen Hobby nachgehen. Umgelegt auf die Nationalratswahl sind das ganz schön viele Hanfblätter, die an Stelle eines Kreuzes auf die Wahlzettel gemalt werden (was laut unserer Auffassung noch eine gültige Wählerstimme ist) und somit wirklich Einfluss auf das Wahlergebnis haben können.

Und wie wir spätestens seit Straches serbisch-orthodoxen Armbandes von 2008 oder den Wahlplakaten auf Türkisch der SPÖ wissen, können Politiker nicht mehr nur ihre Kernschichten bedienen und müssen sich auch kleineren Wählergruppen öffnen. Dabei sind die zurecht umworbenen Serben und Türken im Vergleich zu 800.000 Stonern sogar ziemlich klein. Laut einer 2012 von der Statistik Austria erstellten Studie gibt es 435.000 Österreicher aus dem ehemaligen Jugoslawien und knapp über 185.000 Menschen, die aus der Türkei stammen. Dementsprechend verwunderlich ist es, dass Werner Faymann nicht schon längst mit einem Bob Marley T-Shirt auftritt oder Michael Spindelegger die Jamaika-Fahne schwingt, während HC Strache mit einem kleiner Hanfblatt um den Hals für die Legalisierung wirbt.

Wir haben uns mit Toni Straka vom Österreichischen Hanf Verband getroffen, um die Gründe dafür herauszufinden und nebenbei auch versucht, ihm eine Wahlempfehlung für Kiffer zu entlocken.

Anzeige

VICE: Hallo Toni. Angenommen mir sind Steuern, die Bildung, Korruption und Themen des heurigen Wahlkampfes komplett egal, weil mein einziges politisches Anliegen die Legalisierung von Cannabis ist. Wo würdest du mir raten mein Kreuz zu machen?
Toni Straka: Wir geben prinzipiell keine Wahlempfehlung ab. Aber wir weisen darauf hin, dass die Piraten eindeutig eine Legalisierung planen, während die Grünen immer nur davon reden. Das war letzte Woche ganz interessant, als Eva Glawischnigg in der Diskussion mit Spindelegger der Frage geschickt ausgewichen ist und schlussendlich zu dem Thema keine Antwort gegeben hat. Aber am nächsten Tag musste sie im Standard-Chat sehr wohl Stellung beziehen. Was sie meint, ist aber eher eine Entkriminalisierung als eine dezidierte Legalisierung.

Fotomontage: VICE Media Alps

Wie ist hierzulande die Stimmung in Bezug auf Kiffen? Hast du den Eindruck, dass immer mehr Menschen für eine Legalisierung sind?
Der Österreichische Hanf Verband ist aus Legalize Österreich hervorgegangen, die auch immer schon den Hanfwandertag organisiert haben. Als ich damals im Zuge dieser Demo Flyer verteilt habe, ist mir aufgefallen, dass Menschen aller Altersgruppen und unterschiedlichster gesellschaftlicher Herkunft den Flyer genommen haben, ohne blöde Kommentare abzugeben. Da kommt dann eher die 70-jährige Oma, die erzählt, dass ihr Enkel ihr einmal solche Plätzchen gemacht hat und sie dann viel besser geschlafen hat. Das ist auch logisch, denn wir haben auf unserer Seite eine Liste der 250 Krankheitsbildern, die mit Cannabis behandelt werden. Dazu kommt, dass es alle schon probiert haben. Nur ein paar Verbotspolitiker, die damit noch Stimmung machen wollen, sagen, dass sie noch nie einen Joint in der Hand hatten. Die versuchen dann immer Cannabis und Heroin in einen Satz zu bringen. Du redest von dem Argument, Cannabis sei eine Einstiegsdroge.
Genau. Wobei es kein Argument ist, weil das faktisch falsch ist. Cannabis ist eher eine Ausstiegsdroge. Im hanfjournal.de gibt es einen deutschen Krankenpfleger, der zu diesen synthetischen Opiaten gekommen ist und auch geschrieben hat, dass Cannabis für ihn das Ausstiegsmedikament war.
Diesen Ansatz verfolgt man auch in Sri Lanka, wo sie ein großes Problem mit Heroinsüchtigen haben und Cannabis beim Entzug zum Einsatz kommt. Auch in Israel tut sich viel in Sachen Cannabis als Medizin. In Amerika ist es eh klar. Die Fakten sprechen alle dafür. Der Bundesstaat Washington hat es im letzten Jahr legalisiert, sie haben jetzt 9% weniger Verkehrstote und 30% weniger Autounfälle. Why drink and drive, when you can smoke and fuck. In den Vereinigten Staaten kommt Cannabis viel bei der Behandlung der Schmerzen von Krebspatienten zum Einsatz, oder?
In Amerika wurde die letzte Studie über den Zusammenhang von Cannabis und Krebs 1974 gemacht. Wie dann aber plötzlich rausgekommen ist, dass Cannabis bei Krebs helfen kann, haben sie die Studien sofort eingestellt. Die Krebsindustrie ist bei uns 400 Milliarden Dollar in Europa und in den USA 300 Milliarden Dollar schwer. Das sind 700 Milliarden Dollar, die gegen uns arbeiten und dann gibt es in den USA noch Psychopharmaka, auch 300 Milliarden Dollar Markt. Diese Milliardenindustrie hat natürlich ein Problem mit der Legalisierung, weil du dir eine Pflanze nicht patentieren lassen kannst. Zurück zur Wahl am Sonntag. Wir haben kurz über die Grünen als ewige „eigentlich schon aber dann doch nicht“-Partei gesprochen. Aber wie stehen die anderen Fraktionen zu dem Thema?
Unsere Hoffnung besteht darin, alle Parteien überzeugen zu können, dass Cannabis eine  Medizin und keine Droge ist. Rein von der Umfrage, die Legalize Österreich mit dem Hanf Verband zusammen gemacht hat, waren es aber ausschließlich die Piraten, die sich für eine Legalisierung einsetzen und auch schon ein gut ausgearbeitetes Modell haben.

Anzeige

Foto via Flickr

Wie stellen sich das die Piraten vor?
Einfach eine kontrollierte Abgabe. Die Grünen sagen bei Diskussionen in liberalen Blättern, wie dem Standard immer, dass sie es entkriminalisieren wollen, aber sie tun nichts. Wir haben im August die Aussendung gemacht, warum sich keine Partei 800.000 kriminalisierten Cannabiskonsumenten annimmt. Wir sind mit drei Parteien im Gespräch, die die Gesetze, wie sie jetzt sind, hinterfragen. Sehr überrascht hat es uns beim Team Stronach, zu dem wir aber bisher keinen Kontakt hatten. Das wundert mich jetzt. Wie steht Frank Stronach zu dem Thema?
Stronach hat erst gesagt, dass er sich für Menschen mit Krankheiten oder Schlaflosigkeit eine Legalisierung unter staatlicher Aufsicht vorstellen könnte. Was das heißt, keine Ahnung. Wir sind kurz vor der Wahl, da fällt dem Stronach halt auch einiges ein, wie man im Laufe der letzten Wochen feststellen konnte. Die Piraten haben das Thema dann  aber auch nicht weiter verfolgt. Dabei betrifft Cannabis mittlerweile nicht mehr nur die Altersgruppe zwischen 15 und 30, sondern beinahe jeden von 15 bis 80. Und Österreich wäre nicht etwa Vorreiter auf dem Gebiet, sondern würde bloß nachziehen. In neun EU-Ländern ist Kiffen bereits komplett entkriminalisiert. Wen sollte man auf keinen Fall wählen, wenn man für eine Legalisierung eintritt?
Die FPÖ bezieht ganz eindeutig Stellung gegen Cannabis, weil sie immer noch behaupten, dass es sich um eine Einstiegsdroge handelt und bei der ÖVP ist es dasselbe. Bei den beiden Parteien wird Marihuana eher in die Kriminalisierung gedrängt. Bei der SPÖ hat der Bundesminister Stöger mit der Delphie-Studie den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. Die Ergebnisse, die hier präsentiert werden, sind für uns bahnbrechend, weil hier nicht mehr von Sucht gesprochen wird. Wie beim Alkohol und bei Zigaretten gibt es den normalen Konsum und den problematischen Konsum. Und wie sieht die Position der Neos aus, die ja auch eine liberale Politik machen wollen?
Die Neos haben wir angeschrieben, die haben aber noch keine Position zum Thema, freuen sich aber auf Informationen vom Hanf Verband.   Nach der Wahl beginnt ja die eigentliche Lobbying-Arbeit für euch erst. Wie werdet ihr dann versuchen, eure Anliegen in die Politik zu bringen?
Es ist ziemlich problematisch. Unter der Hand reden alle mit uns. Aber die Politiker haben alle Angst vor der Krone und davor, dass dann da steht, die XY-Partei ist die Rauschgift-Partei. Solange die Politiker keinen persönlichen Bezug zu der Legalisierung von Cannabis haben—sei es, weil ein Verwandter erwischt wird, oder weil sie schwerkrank werden und selbst Cannabis als Medizin einsetzen—, interessiert es sie ja nicht. Erst wenn dieser Fall eintritt, wird sich etwas ändern. Davor nicht.

Mehr zur Nationalratswahl auf VICE gibt's hier.

Triff den König des Cannabis.