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Nerd Meets VICE: Cody Wilsons 3D-gedruckte Pistole ist ein „One Hit Wonder“

3D-Drucker sind völlig ungeeignet, um Pistolen zu drucken. Sie drucken weder in der benötigten Auflösung noch in der nötigen Stabilität. Die Pistole aus dem Drucker bleibt also eher eine Fantasie.

Vor ein paar Wochen haben wir euch ja den selbstgerechten Waffennarr und Texaner Cody Wilson vorgestellt, der seine Pläne für eine 3D-druckbare Pistole im Netz allen zugänglich gemacht hat. Genützt hat das niemandem. Keiner von euch kann sich deshalb morgen plötzlich einen Revolver mit dem Maker Bot ausdrucken, um die Bullys in der Schule damit abzuknallen. Die LIBERATOR-Pistole ist vor allem eines: Panikmacherei.

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Laut Joachim Weinhold vom 3D-Labor der TU Berlin sind 3D-gedruckte Pistolen selbst mit den aktuellen Highendgeräten nicht praktikabel: „Die Stabilität des Materials könnte dem Druck nicht genügen–und somit kann die 3D-gedruckte Waffe den Schützen stärker in Mitleidenschaft ziehen als sein Opfer, wenn sie ihm bei der Anwendung in der Hand explodiert. Unser bisheriger Eindruck ist, dass dies der Fall ist und sich bei den billigen 3D-Druckern vorerst nicht ändern wird. Die zur Herstellung notwendige Genauigkeit ist bisher nicht erreichbar.“ Das testete auch die australische Polizei. Auch bei den Geräten in der 200.000 Euro Preisklasse sieht das noch ähnlich aus. Die produzieren zwar extrem stabile Bauteile, sind aber nicht temperaturbeständig genug.

Die Pistole von Cody Wilson ist nicht umsonst nach der Einwegpistole aus dem Zweiten Weltkrieg benannt. Denn von Schuss zu Schuss steigt die Gefahr, dass das Teil explodiert und dir die Hand zerfetzt. Und die Zielgenauigkeit ist schon beim ersten Schuss vollkommen unzuverlässig. Der Lauf muss nach dem Abfeuern jeder einzelnen Patrone gewechselt werden. „Das ist nicht ohne Grund ein auf einen tausendstel Millimeter genaues Präzisionsbauteil. Das in einer SLS- oder SLM-Maschine herzustellen, gleicht Russischem Roulette mit einer Halbautomatik“, meint Ben Jastram, ein Kollege von Weinhold bei der TU Berlin. Um richtige Waffenteile zu drucken, die einer Dauerbelastung standhalten, bräuchte man eine Maschine, die 400.000 Euro aufwärts kostet. Der eigentliche Vorteil einer selbstgedruckten Waffe, nämlich das Umgehen von Detektoren, ist dann aber ohnehin dahin. Diese Maschinen arbeiten mit Metall.

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Die am 7. Mai von Cody Wilsons Firma Defense Distributed veröffentlichte Datei mit dem Namen LIBERATOR wurde nach Medienberichten über 100.000 Mal runtergeladen, bevor die US-Regierung einen Riegel vorgeschoben hat und sie aus dem Netz nehmen ließ.

Das Unterfangen, irgendetwas restlos aus dem Internet zu tilgen, ist natürlich ebenfalls so erfolgsversprechend, wie Eiswürfel ins Meer zu kippen, um die globale Erwärmung zu stoppen. Die Blaupausen für LIBERATOR kannst du dir weiterhin problemlos über Bit.Torrent runterladen und sie haben laut The Pirate Bay aktuell mehr als 1.300 Seeder (= Anbieter).

Sich die Datei zu besorgen, ist der leichteste Teil der Übung. Das mit dem Drucken und dem Abfeuern gestaltet sich weitaus schwieriger. Ich habe es versucht, aber es ist praktisch unmöglich.

Einen 3D-Drucker für Privatanwendungen in Größe eines Tintenstrahldruckers gibt es bereits ab 1500 Euro oder auch schon für 375 Euro, wenn du auf die Budget-Version von makibox zurückgreifst. Solch ein Gerät ist spielend leicht zu beschaffen. Einige meiner Freunde haben so einen 3D-Drucker neben ihrem Computer stehen und bekommen jedes Mal einen Nerdgasm, wenn sie damit selbstdesignte Haken für ihre Gardinenstangen ausdrucken.

Solch ein Drucker ist natürlich vollkommen ungeeignet, um damit eine Pistole zu drucken—auch wenn die Presse das immer wieder suggeriert. Er druckt weder in der benötigten Auflösung, noch in der nötigen Stabilität, und das Plastik schmilzt sofort, wenn es warm wird. Mit dem Drucker, den Cody Wilson verwendet hat, verhält sich das nicht ganz so schlimm, aber ähnlich.

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Der Drucker ist zwar eine professionellere Version, die Bauteile mit höherer Stabilität druckt, aber im Prinzip funktionieren diese Geräte alle nach dem gleichen Muster: Ein Kunststofffilament wird aufgeschmolzen und in Form eines bis zu 0,1 mm dünnen Kunststofffadens dann Schicht für Schicht gedruckt. Deshalb kann man Gegenständen aus einem qualitativ schlechten Drucker auch an ihrer rauen, gerillten Oberfläche erkennen. Somit kannst du die Dateien der LIBERATOR-Pistole zwar in der Theorie mit jedem handelsüblichen 3D-Drucker ausdrucken. Ihre Vernichtungswirkung entspricht dann aber ungefähr der dieser Lego Pumpgun.

Eine andere Möglichkeit wäre es, sich die Teile für die Waffe über einen Dienstleister zu bestellen. Die sind aber natürlich auf solche Bestellungen vorbereitet. Nach Aussage von i.Materialise, einem führenden Anbieter für 3D-gedruckte Bauteile, werden alle Bestellungen manuell überprüft, um zu verhindern, dass Kunden Waffen oder andere Bauteile für kriminelle Aktivitäten bestellen, wie etwa Kreditkarten-Skimming-Geräte.

In Österreich ist nicht nur das Herstellen einer funktionsfähigen Waffe, sondern bereits das Fertigen von Bauteilen für Waffen nicht erlaubt. Vor allem für das Fertigen von Griffschale, Lauf und Verschluss der Waffe benötigst du eine Lizenz. Fertige Waffen müssen, selbst wenn du eine Lizenz besitzt, vom Beschussamt auf ihre Funktionstätigkeit überprüft werden, bevor du sie offiziell einsetzten darfst. Ein Test, den die LIBERATOR-Pistole von Cody Wilson sicherlich nicht überstehen würde.

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Drucker vom Kaliber des Stratasys Dimension SST findet man in Österreich bei einigen wenigen Firmen oder an Universitäten, aber eben noch nicht in Privatbesitz. So ein Gerät kostet dann um die 15.000 Euro. Cody Wilson musste sich sein Gerät bei eBay kaufen, weil Herstellerfirmen von 3D-Druckern sofort nervös werden, wenn irgendwer das Wort „Pistole“ in den Mund nimmt.

Die Cody-Wilsons-Waffe ist nicht praktikabel und wird es auch in absehbarer Zukunft nicht sein. Man braucht, nach Ansicht von Joachim Weinhold, Drucker, die auch andere Materialen drucken können. Doch 3D-Drucker, die Metall, Kunststoff, Glas und oder ähnliches gleichzeitig verarbeiten können, seien bisher noch nicht absehbar.

Waffen sind nicht die KillerApp, auf die 3D-Drucker gewartet haben. Momentan weiß niemand, ob 3D-Drucker überhaupt wirklich „das nächste große Ding“ werden. Die Drucker werden sicher in unsere Haushalte kommen, aber vollfunktionsfähige Waffen werden wir aller Wahrscheinlichkeit nie damit drucken können.

Zwar sagt die US-amerikanische Beratungsfirma Wohlers Associates, die sich auf den 3D-Druckmarkt spezialisiert hat, eine Vervierfachung des weltweiten Marktvolumens bis 2016 voraus und andere Stimmen sprechen bereits von der dritten industriellen Revolution, aber die Frage, die man sich nach Ansicht von Joachim Weinhold stellen muss, ist: „Sind  technisch Produktionszeiten und Kosten-Nutzen-Relationen überhaupt erreichbar, die eine Nutzung von 3D-Druckern für den Hausgebrauch jenseits der Spielerei sinnvoll werden lassen?“ 3D-Drucker werden eine wichtige Rolle für die Industrie der Zukunft spielen, aber die druckbare Pistole für zu Hause wird ein Ego-Trip von Cody Wilson bleiben. Cody Wilson will schockieren, berühmt werden, sein Ego streicheln. Er ist ein Störenfried und kein Prophet oder Visionär. Das Beste, das wir machen können, ist, ihn einfach zu ignorieren. Auch das Fazit der Experten von der TU-Berlin ist vernichtend: „Es kann kaum idiotischer sein, eine Waffe mit den teuersten und kompliziertesten Herstellungsmethoden anzufertigen, die gerade auf dem Markt sind. Im Übrigen bekommt man auf  Waffenmessen in den USA eine „zivile“ Version des M16-Sturmgewehrs für unter 1.200 Dollar.“