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Japanische Walfang-Wichser jagen Paul Watson

Captain Paul Watson, Gründer der Sea Shepherd Society und Feind Nr. 1 der Walfangindustrie Japans, ist seit einem Monat auf der Flucht. Deshalb haben wir einen Freund von ihm gefragt, wo er steckt.
Phoebe Hurst
London, GB

Captain Paul Watson, Gründer der Sea Shepherd Society und Feind Nr. 1 der Walfangindustrie Japans, ist seit einem Monat auf der Flucht. Nun hat Interpol auch eine Red Notice ausgesprochen, er wird also offiziell von allen Interpol-Mitgliedsstaaten gesucht und ist

zur Verhaftung ausgeschrieben

, nachdem die Kaution in Deutschland hat verfallen lassen. Niemand weiß, wo er ist, aber wahrscheinlich befindet er sich irgendwo draußen auf dem Meer in internationalen Gewässern, wo der Arm des Gesetzes ihn nicht greifen kann.

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Japan tötet immer noch jedes Jahr illegal Hunderte Wale und andere Meerestiere unter dem Deckmantel der „wissenschaftlichen Forschung“. Seit den 70ern versucht der 61-Jährige, dies zu verhindern. Seine Sea Shepherd Society fungiert dabei als Bürgerwehr. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Walfangschiffen mit allen Mitteln das Geschäft zu vermiesen—das Werfen von Stinkbomben ist einer meiner persönlichen Favoriten—, wobei sie (meist) auf der legalen Seite des Gesetzes bleibt (sie wurden auch in einer Episode von

South Park

an den Pranger gestellt).

Watsons Konflikt mit den Behörden begann im Mai, als er am Frankfurter Flughafen wegen Vorwürfen festgenommen wurde, die im Zusammenhang mit einem Vorfall im Jahr 2002 stehen. Es ist wahrscheinlich, dass Costa Rica mit Japan zusammenarbeitet, um Watson zu schnappen, wenn man bedenkt, dass im vergangenen Jahr Japan Costa Rica Geld für den Umweltschutz gespendet hat, d.h. Taschengeld, um so viele Wale wie nur möglich zu harpunieren. Abgesehen von einer Aussage in The Guardian und einer Meldung auf der Website von Sea Shepherd hat Watson keinen Kontakt zu seinen Anhängern aufgenommen oder einen Hinweis zu seinem Verbleib gegeben. Öffentliche Auftritte wurden abgesagt und sein Anwalt nimmt keine Anrufe entgegen.

Ich konnte Watson nicht ausfindig machen (für wen haltet ihr mich? Columbo? Dieser Kerl ist tot), aber ich habe Peter Hammarstedt gefunden, einen Anti-Walfang-Veteranen, Kapitän des Sea-Shepherd-Schiffes MY Bob Barker und Freund von Watson.

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VICE: Hallo Peter, hat Captain Watson dir gesagt, wo er ist?

Peter Hammarstedt:

Ich habe keinen persönlichen Kontakt zu Kapitän Watson. Alles, was ich weiß, ist, dass er nicht in Deutschland ist, er ist an einem sicheren Ort. Im Moment arbeitet ein internationales Team von Juristen rund um die Uhr daran, so schnell wie möglich zu einer Lösung dieses Problems zu kommen und Captain Watson zurück zu seinen Schiffen zu bringen, wo er hingehört.

Ist es wahrscheinlich, dass er am Ende nach Japan ausgeliefert und ins Gefängnis geschickt wird?

Ich segle mit ihm seit fast zehn Jahren—er macht das seit mehr als 40 Jahren—und was sicher ist, ist, dass er aus den heikelsten Situationen herauskommt. Auch wenn unsere Chancen schlecht stehen, scheint es, dass Captain Watson seine Vorhaben am Ende immer gelingen.

Glaubst du, dass die Vorwürfe gegen ihn politisch motiviert sind?

Ich glaube nicht, dass sie überhaupt irgendwelche Grundlagen haben. Dieser Fall in Costa Rica wurde bereits zweimal vor Gericht abgewiesen, weil wir eine Videodokumentation von dem haben, was geschehen ist. Neun Jahre sind vergangen und erst im Oktober letzten Jahres, als die japanische Walfangindustrie gegen uns klagte, kam es auf die  Agenda. Wir sind zu 100 Prozent davon überzeugt, dass Japan die treibende Kraft hinter dem costa-ricanischen Auslieferungsversuch ist. Ich bin zuversichtlich, dass die Klage fallengelassen wird; wir müssen nur mit der gleichen Menge Engagement und Begeisterung an die Sache herangehen, die wir bei unseren Kampagnen auf See einsetzen.

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War es ein guter Schachzug von Kapitän Watson, die Kaution verfallen zu lassen?

Ich denke, es war die richtige Entscheidung, das ist sicher. Ich zweifle sehr daran, dass ihm ein fairer Prozess in Japan gemacht wird, einem Land, wo die Verurteilungsrate 99,7 Prozent beträgt und wo du als schuldig giltst, bis deine Unschuld bewiesen ist.

Also wird die Tatsache, dass Kapitän Watson jetzt ein gesuchter Flüchtling ist, eure Kampagnen nicht behindern?

Ich glaube nicht, dass Captain Watson auf irgendeine Art ein Hindernis darstellt. Sea Shepherd besteht nicht nur aus ihm, es sind all die engagierten Freiwilligen, die durch das, was Paul geschaffen hat und wofür er steht, inspiriert werden. Die Walfangindustrie kann uns nicht aufhalten, indem sie auf ihn Jagd macht. In der Tat hat es den gegenteiligen Effekt—durch alle rechtlichen Probleme, die Kapitän Watson jetzt hat, wird Sea Shepherd im Walschutzgebiet des südlichen Ozeans der japanischen Walfangflotte die schlechteste Saison bescheren, die sie jemals hatte.

Bist du schon einmal wegen deiner Arbeit mit Sea Shepherd verhaftet worden?

Probleme sind Teil des Jobs. Während meiner ersten Mission wurde ich von aufständischen Fischern der Galapagosinseln als Geisel genommen und von kanadischen Robbenfängern beim Versuch, die Robbenjagd zu stoppen, angegriffen—ich wurde eigentlich schon zweimal in Kanada verhaftet. Ich bin eine Persona non grata. Ich darf dort nicht hin. Aber die Situation mit Kapitän Watson ist ganz anders. Wenn er nach Costa Rica ausgeliefert wird, haben wir sehr begründete Sorge um seine Sicherheit. Die  taiwanesische Haiflossenmafia hat ein Kopfgeld von ca. 18.000 Euro auf ihn ausgesetzt und das ist ein Kopfgeld, das sehr leicht im Gefängnis eingesackt werden kann.

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Angesichts dessen, was du durchgemacht hast, und der realen Gefahr, in der Captain Watson sich befindet: Warum hast du dich Sea Shepherd angeschlossen?

Als ich herausfand, dass der Walfang noch im Gange ist, war das für mich ein Schock. Dass die japanische Walfangflotte gegen das Gesetz immer noch brutal gefährdete Arten schlachtete, erschien mir verrückt. Ich fühlte mich verpflichtet, mich persönlich dagegen einzusetzen. Wenn du das Recht, die Medien und die öffentliche Meinung auf deiner Seite hast und diese Jungs da unten immer noch diese Wale töten, dann denke ich nicht, dass es eine andere Möglichkeit gibt, als da runterzugehen und die Arbeit der Regierung zu tun.

Und du bist jetzt Kapitän der MY Bob Barker.

Das ist richtig. Der Unterschied zwischen einem Kapitän auf einem Sea-Shepherd-Schiff und anderen Kapitänen ist, dass du nicht nur die Verantwortung für die Sicherheit der Besatzung trägst, sondern auch die für Wilderer-Crews, die du konfrontierst. Das ist eine Verantwortung, die wir sehr ernst nehmen. In 35 Jahren intensiver Auseinandersetzung hat Sea Shepherd nie eine Verletzung und schon gar keinen Tod verursacht.

Würdest du nicht einen gemütlichen Kampagnen-Job auf dem Trockenen bevorzugen?

Ich habe mit Greenpeace zusammengearbeitet, aber irgendwann muss man zu dem Schluss kommen, dass Protest nicht genug ist. Sea Shepherd passt besser zu mir, denke ich. Was ich an Sea Shepherd mag, ist, dass die Ergebnisse so direkt sichtbar sind. Wir können zählen, wie viele Wale wir gerettet haben.

Ein Wasserwerferkampf zwischen Sea Shepherd und einem Walfangboot. Was ist das Schlimmste, was du jemals auf dem Meer gesehen hast?
Vor vier Jahren gab es einen Wal, der zu weit weg von unserem Schiff harpuniert wurde, als dass wir hätten intervenieren können, aber unser Hubschrauber filmte es. Vom Zeitpunkt, als sie harpuniert wurde bis zum Moment, als sie starb, vergingen 22 Minuten und 40 Sekunden. Sie wurde zweimal harpuniert und sieben weitere Male angeschossen, bevor sie langsam in ihrem eigenen Blut ertrank. Ich weiß, dass es nichts gibt, was ich erlebt habe, was dem nahekommen könnte. Deshalb bin ich bereit, große Risiken für mich persönlich einzugehen, um diese Individuen zu schützen. Sobald wir die japanische Walfangflotte orten, weiß ich, dass wir 20 oder 30 Wale vor der Schlachtung schützen. Das motiviert mich. Wir hüten unsere Herde sicher und gut; es rechtfertigt absolut jede Minute, die ich dafür aufwende. Was ist die nächste Mission?
Wir investieren gerade unsere ganze Zeit und Energie in die Vorbereitung von vier Schiffen für die Antarktis. Letztes Jahr hatten wir drei, in diesem Jahr werden wir vier Schiffe haben. Wir nennen die Kampagne „Operation Zero Tolerance“. Wir hoffen, die japanische Walfangflotte früher als jemals zuvor zu finden und mit einer Nuller-Quote nach Hause zu schicken. Ist das eine realistische Zahl?
Ich denke, es ist das einzige Ziel. Wenn ein einzelner Wal in einem Walschutzgebiet stirbt, ist es absolut inakzeptabel, also ist das das Ziel, das wir uns selbst setzen. Letztes Jahr haben wir 363 Wale vor der Schlachtung gerettet. Wir hinderten die japanische Walfangflotte daran, 76 Prozent ihrer Quote zu erreichen und im Jahr zuvor verhinderten wir die Tötung von 829 Walen. Also konnten sie in den letzten zwei Jahren keinen Gewinn machen. Wir haben der Walfangflotte zwei Jahre in Folge den Bankrott beschert.