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Stalken auf Facebook macht aus dir ein depressives Wrack

Du fragst dich, warum du beschissene Laune hast, nachdem du auf Facebook warst? Das könnte daran liegen, dass du insgeheim all deine Freunde hasst und ihnen nichts, aber auch rein gar nichts gönnst.
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Du fragst dich, warum du beschissene Laune hast, nachdem du auf Facebook warst? Das könnte daran liegen, dass dein bester Freund gerade seine Urlaubsfotos gepostet hat auf denen er mit seiner Freundin—die oben ohne ist—am Strand von Kuba rummacht. Während du zuhause sitzt und nichts passiert. Oder hat deine kleine Schwester gerade mehr Glückwünsche an ihrer Pinnwand zum Geburtstag gekriegt als du den ganzen Monat? Auch andere Facebook-Nutzer haben kein eigenes Leben und stalken lieber ihrer Freunde. Facebook ist verdammt praktisch, aber kann in manchen Lebenslagen verdammt scheiße sein. Das ist jetzt sogar wissenschaftlich bewiesen. Wirtschaftsinformatiker der Humboldt-Universität zu Berlin und der TU Darmstadt wollten es jetzt ganz genau wissen. Sie haben das Verhalten von Usern mal genauer untersucht und die Ergebnisse ihrer Studie mit knapp 600 Nutzerinnen und Nutzern jetzt präsentiert. Das Ergebnis: Wut, Frustration und Neid kursieren in den Köpfen vieler Leute. Warum das so ist, und ob es eine Medizin gegen den Neid auf Facebook gibt, interessiert auch uns. Daher haben wir mit der Studienleiterin Dr. Hanna Krasnova gesprochen. Sie beschäftigt sich in ihrer Forschung hauptsächlich mit Facebook und wollte selbst mehr über die Konsequenzen der Social-Media-Nutzung herausfinden.

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VICE: Frau Krasnova, wie kam es zu Ihrer Studie?
Krasnova: In Interviews und bei Gesprächen mit Freunden habe ich beobachtet, dass wenn das Leben nicht so gut läuft, sei es mit der Dissertation oder auch im Privaten, dann beginnt man sich auf Facebook zurückzuziehen. Läuft es wieder gut, kommen die Leute wieder. Ich habe immer überlegt, warum das so ist. Ich wollte wissen, ob Neid eine Rolle spielt und es ein globales Phänomen von Facebook sein könnte. So kam es schließlich zu der Studie. Aber es gibt doch bereits ähnliche Studien. An der Harvard Universität wurde letztes Jahr bereits gezeigt, dass Facebook positive Gefühle auslöst. Wollten Sie die andere Seite aufzeigen?
In der Forschung wird zwischen zwei Typen von Nutzern sozialer Netzwerke unterschieden. Es gibt aktive und passive Teilnahme. Die Aktiven sind die, die viel posten, liken und kommentieren. Menschen, die eben viel kommunizieren. Die Passiven dagegen lesen einfach, sprich, sie nehmen Informationen auf. Natürlich gibt es Leute, die beides tun. Viele aber nutzen Facebook tatsächlich nur passiv.
Fast alle Untersuchungen zur aktiven Nutzung zeigen positive Konsequenzen. Emotionale Unterstützung von Freunden, wie positive Kommentare auf Postings führen dazu, dass man sich sozial akzeptiert fühlt.
Wer aber nur passiv ist und die Nachrichten von Freunden liest, freut sich zwar zunächst für den anderen oder bekommt neue Informationen, wenn man deren Links verfolgt. Aber Neidgefühle sind auch da. Warum ist Neid unvermeidlich?
Das Problem auf Facebook ist, dass man über Freunden liest, die einem sehr ähnlich sind. Keiner beneidet irgendeine Prinzessin aus England. Warum auch. Dagegen ist der Neid zwischen engen Freunden oft groß.

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Suche ich mir bewusst oder unterbewusst Freunde, die mir ähnlich sind?
Das passiert eher automatisch. Die meisten Facebookfreunde haben dasselbe Herkunftsland, ein ähnliches Alter, oder berufliche Berührungspunkte. Genau dann sind soziale Vergleiche unvermeidlich.
Und auf Facebook bekommt man leicht Zugang zu all diesen Informationen. Früher war jemand vielleicht auf den roten BMW seines Nachbarn neidisch. Jetzt sieht man alle Freunde und das, was sie erreicht haben. Und die Menschen geben mehr von sich preis.
Genau. Und sie teilen hauptsächlich positive Dinge mit. Was hat den höchsten Neidfaktor?
In einer weiteren Studie, die wir gerade machen, sehen wir, dass die befragten Studenten hauptsächlich Urlaubs- und Freizeitfotos neiden.
An zweiter Stelle kommt die soziale Interaktion. Stellen Sie sich vor, Sie haben Geburtstag und haben fünf Glückwünsche bekommen. Aber eine Freundin von ihnen hat vor zwei Wochen 200 Posts zu ihrem Geburtstag bekommen. Sie fragen sich, was mit ihnen nicht stimmt. Man fühlt sich allein und nicht akzeptiert. Und sofort kommen diese Neidgefühle.   Sie sprechen in der Studie von der Neidspirale". Was meinen Sie damit?
Wer Neid empfindet, hat verschiedene Möglichkeiten zu reagieren. Die einen ziehen sich zurück. Andere dagegen werden aktiver und versuchen sich besser zu präsentieren, um das zu kompensieren. Nutzer stellen dann noch positivere Informationen ins Netz, damit Freunde sie beneiden. Die Welt von Facebook ist positiv.

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Lügen User auch, um das zu erreichen?
Das glaube ich nicht, aber sie teilen vielleicht eher Informationen, die nur positiv sind.

Das heißt, sie lassen Negatives einfach weg?
Ja. So bekommt man eben nicht das ganze Bild der Person und denkt, die haben es immer besser als man selbst. Ist Neid nicht etwas Normales?
Klar ist Neid normal, aber die Frage ist: Wie oft werden diese Gefühle ausgelöst? Wir haben die Studenten gefragt, wo ihr letztes Neidereignis stattgefunden hat und über 20 Prozent haben das auf Facebook erlebt. Das zeigt, welche unglaubliche Rolle Facebook gerade in unserem emotionalen Leben spielt. Was haben Sie mit Ihrer Studie belegt?
Je mehr man Facebook passiv nutzt, desto mehr empfindet man diese Neidgefühle und desto tiefer sinkt die Lebenszufriedenheit. Sollen die Leute Facebook jetzt aktiver nutzen?
Sagen wir es mal so. Wenn man Facebook nur passiv nutz, bekommt man nicht alle Vorteile, die man haben könnte. Nutzt man es aktiver, kann man auch Positives, wie emotionale Unterstützung oder soziales Kapital daraus ziehen. Wir haben mit unserer Studie auch herausgefunden, dass vielen Nutzern das Verständnis fehlt, wie andere ihre Mitteilungen wahrnehmen. Viele denken wirklich, ihre Freunde würden sich über ihre Nachrichten freuen. Auf die Frage, warum sie ihre Informationen teilen, antworteten die Teilnehmer: „Ich teile die Informationen, weil ich mit anderen in Kontakt bleiben möchte.“ Oder weil diese Informationen wirklich relevant seien.

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Fragten wir sie, was sie denn glaubten weshalb die anderen ihre Informationen teilen würden, waren sie davon überzeugt, ihre Freunde wollten nur angeben. Man beurteilt den Mitteilungsdrang der anderen anders, als seinen eigenen. Würden die Leute am anderen Ende begreifen, dass ihre Facebookfreunde die Informationen nicht so sehen, wie sie glauben, dann würde das die Neidspirale vielleicht etwas aufbrechen. Wie repräsentativ ist ihre Studie? Es waren ja überwiegend Studenten, die befragt worden sind.
Da viele Studenten Facebook benutzen, sind diese Ergebnisse sehr interessant. Gibt es vergleichbare Studien aus anderen Ländern?
Nein, aber wir planen die Studie auch in anderen Ländern, wie in Russland und den USA. Vielleicht auch in Asien. Das kommt darauf an, welche Kooperationspartner wir finden.


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