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Österreich ist ein scheinheiliges Würstchen

Der Song Contest ist der pailettenbesetzte Schwanzvergleich unter den EU-Ländern und bedient sich an allen kulturellen Klischees unseres schönen Kontinents. Wir sagen dir, wie du deine Zeit am kommenden Wochenende sinnvoller nutzen kannst, als dir...

Foto von VICE Media

Bald steht er wieder vor der imaginären TV-Tür. Der Abend, an dem viele nicht umhin kommen, sich zig schlechte, in der Songwriter-Legebatterie entstandene und kaum voneinander unterscheidbare Popsongs anzuhören und anzusehen.

Der Eurovision Song Contest wird von vielen belächelt, aber es lässt sich nicht abstreiten, dass er ein Symbol der europäischen Vergemeinschaftung und gleichzeitig auch des Wettbewerbs ist. Er ist der musikalische Schwanzvergleich der europäischen Länder (mit und ohne Norm-Krümmung). Die Teilnehmer, die jeweils für ihr Land antreten, kämpfen gegeneinander, die Länder geben sich jedoch gegenseitig Punkte, was auch die Freunderlwirtschaft auf kontinentaler Ebene ganz gut repräsentiert und wenig mit der gesanglichen Leistung einzelner zu tun hat. Für viele Länder und Menschen ist der Song Contest eine Plattform zur Darstellung und Festigung ihrer nationalen Identität, wo gerne jeder abgedroschenen, vor kulturellen Klischees und Pailletten strotzenden Fantasie ihr freier Lauf gelassen wird. Von Russland erwartet man sich als Zuseher ein paar volkstümlich angezogene Matruschkas, die auf der mit Bling überladenen Bühne hin und her schunkeln, von Spanien hingegen eine heißblütige, gutaussehende Latina, die idealerweise zu einem auf Pop getrimmten Flamenco-Beat ihre blumige Liebe ins Mikrofon haucht.

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Foto von _dChris

Aber was erwartet man von Österreich? Der Großteil der Teilnehmer erfüllt mit seinen Auftritten zweifelsohne alle Wünsche von Liebhabern des anspruchslosen Fernsehens, jedenfalls was die stereotype und vereinfachte Darstellung der Musik und Kultur eines Landes betrifft. Spannenderweise entzieht sich das sonst so veränderungsresistente, traditionsversessene Österreich ausgerechnet hier immer wieder dieser Logik, der zufolge wir heuer eigentlich eine Blasmusikgruppe nach Kopenhagen schicken müssten.

Ja, wir lieben zwar das Spielen mit Klischees, spielen aber am liebsten nur mit klischeehaften Vorstellungen der „anderen“. Man denke nur an den Blackface-Vorfall vom Opernball, bei dem sich Puls 4-Witzbold Chris Stephan als Kanye West verkleidete und sich dabei allen unterbelichteten Vorstellungen eines schwarzen Zuhälters aus den Siebzigern bediente.

Ein Grund für Österreichs Unangepasstheit beim Song Contest könnte sein, dass wir ausnahmsweise einmal unserer Zeit voraus sind und uns von seiner toleranten und weltoffenen Seite zeigen möchten, die leider viel zu selten zum Vorschein kommt. Oder aber Österreich weiß eh schon, dass es von allen belächelt wird und wählt die Teilnehmer für den Song Contest frei nach dem Motto „Weils eh schon wurscht is“ aus. Ersteres wäre zwar wünschenswert aber unwahrscheinlich, zweiteres ziemlich traurig, aber immer noch besser als die Scheinheiligkeit, die der wahre Grund für Österreichs Pseudo-Mut ist.

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Foto von Franz Johann Morgenbesser

Heuer gibt sich Conchita Wurst die Ehre, was selbstverständlich nicht nur im konservativen Weißrussland, sondern auch hierzulande zu Diskussionen führte. Homophobe Kommentare und Unverständnis für die bärtige Dame dominierten so weit das Auge reicht. Eigentlich sollte es natürlich längst nichts Verwerfliches mehr sein, wenn ein Land nicht seinen typischsten Alm-Öhi in den Wettbewerb schickt, sondern stattdessen ein Statement für Toleranz und gegen unsere ewig gestrige Engstirnigkeit setzt. Aber so einfach ist die Sache schon allein deshalb nicht, weil ein einzelnes Statement zwar zeigen kann, wie es sein sollte, aber leider nicht ändert, wie es ist. Genauso, wie Jorge Gonzales in Deutschland nicht High Heels für alle Männer tragbar macht, wird auch Conchita Wurst nicht dafür sorgen, dass beim Würstler in Zukunft bärtige Ladies zum Normalbild gehören.

Für Jorge und Conchita heißt das natürlich nicht, dass sie ihr Ding deshalb nicht trotzdem durchziehen sollen. Auch für Österreich und Deutschland heißt das nicht, dass wir es stattdessen lieber gleich ganz bleiben lassen sollten, weil eine Auflockerung der Spießbürgerlichkeit ohnehin aussichtlos ist. Wichtig ist nur, dass wir Frau Wurst in Zukunft nicht als Visitenkarte für unsere Offenheit herumreichen, während wir ansonsten ganz entspannt weiter vor uns hin diskriminieren, nach dem Motto „Österreich? Rückständig? Aber wir haben doch eine prominente Transsexuelle!“

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Denn, seien wir uns ehrlich, es ist am Ende doch nur der Song Contest und viel wichtiger als irgendwelche Zeichen, die traurigerweise immer noch als „mutig“ gesehen werden, ist doch, dass wir in allen anderen Lebensbereichen aufwachen. Sonst sind wir unter den EU-Ländern bald der FPÖ-Wähler, dessen bester Freund Muslime ist oder die eingefleischte Vegetarierin, die aber gerne mal panierten Fisch isst, weil nur Säugetiere eine Seele haben.

Eure eigene Weltoffenheit könnt ihr dieses Wochenende vor, während oder nach dem Song Contest bei folgenden Partys unter Beweis stellen:

DONNERSTAG

An eurer Stelle würden wir heute zuerst zur Ausstellungseröffnung von NUNS / N / GUNS und zum meshit Store Opening gehen, bevor wir dann alle brüderlich vereint unsere Issue Release Party unserer wunderschönen und appetitlichen Schnitzel und Strudel Ausgabe in der Manga Bar feiern.

FREITAG

Am Freitag feiern Bulbul und Mile Me Deaf das Erscheinen ihrer neuen Platten. Das wird ein Fest!

SAMSTAG

Bevor ihr heute beim Rhinoplasty im Club-U versumpft, solltet ihr dringendst in die Pratersauna gehen und euch Gerard beim Poolbar Festival anschauen.

SONNTAG

Wer am Tag des Herrn noch ein bisschen Geld und Energie übrig hat, sollte sich heute die Doomriders und Beastmilk in der Arena zu Gemüte führen. Von uns gibt es 2x2 Gästelistenplätze für euch. Alle, die gewinnen wollen—hier klicken.

Und falls ihr Mitte nächster Woche schon wieder genug von der harten Realität habt und in die unbeschwerte Welt des Feierns und Saufens entfliehen wollt, geht am MITTWOCH zu Big Daddy Kane ins WUK.