Paradiesischer Albtraum – Wie es ist, im Urlaub festgenommen zu werden

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Paradiesischer Albtraum – Wie es ist, im Urlaub festgenommen zu werden

Handschellen angelegt zu bekommen, ist nie schön. Wenn das Ganze jedoch im Urlaub passiert, dann setzt das dem sowieso schon schrecklichen Szenario die Krone auf. Vier Menschen berichten von ihren Erfahrungen.

Wenn man festgenommen wird, dann ist das eigentlich nie eine angenehme Erfahrung. Die Handschellen sind unbequem, die Polizisten haben sehr wahrscheinlich keine Lust auf irgendwelche Erklärungsversuche und der dazugehörige Streifenwagen ist im Grunde wie ein Staubsauger. Er saugt dich aus deinem Partyabend, lässt den ganzen Spaß zurück und bringt dich zu einem winzigen und kargen Raum, in dem eine metallene Toilette und eine flackernde Neonröhre deine einzige Gesellschaft sind.

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Dieses sowieso schon ziemlich unangenehme Szenario kann eigentlich nur noch getoppt werden, wenn das Ganze im Urlaub passiert. Aber wie genau fühlt es sich eigentlich an, weit weg von zu Hause eingesperrt zu werden und nicht genügend Geld in der Tasche zu haben, um noch einen einzigen internationalen Anruf tätigen zu können? Was, wenn man nicht die jeweilige Landessprache spricht und alle anwesenden Polizisten auch keinen Bock darauf haben, irgendwie anders mit dir zu kommunizieren, weil du dich wie ein riesiges Arschloch verhalten hast? Ja, was dann?

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben wir vier Menschen gesprochen, die schon mal im Urlaub festgenommen wurden.

Harry, 30

2009 ging ich auf ein Festival in der Nähe der kroatischen Stadt Zadar. Damals fing die ganze Festival-Szene an, dort richtig an Fahrt aufzunehmen, und ich war zusammen mit ein paar Kumpels an einem abgelegenen Strandstück, wo wir das "Partyzubehör" auspackten. Plötzlich sah ich aus den Augenwinkeln, wie eine Taschenlampe aufleuchtete. Zwei Männer packten mich und fingen an, mich in gebrochenem Englisch anzuschreien. Dabei handelte es sich um Undercover-Polizisten, die hinter uns gesessen hatten.

Es war stockfinstere Nacht und ich rannte instinktiv einfach los. Ich peitschte durch irgendwelches Gestrüpp und sprang dann aus Dummheit ins Meer, um wegzuschwimmen. Dabei kassierten sie mich endgültig ein. Ich wehrte mich zwar noch, verletzte dabei jedoch einen der Polizisten leicht. Zu diesem Zeitpunkt war es mir noch nicht klar, aber genau das sollte sich als eine der idiotischsten Handlungen meines Lebens herausstellen.

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Die beiden warfen mich auf den Rücksitz eines Polizei-Vans. Anschließend fuhren wir zuerst ins Krankenhaus, wo sich der verletzte Polizist behandeln ließ, während ich in Handschellen einfach nur dasaß. Schließlich endete die Fahrt für mich im Gefängnis. Eine Gruppe Beamter schloss mich in irgendein Hinterzimmer ein und fand es dabei unglaublich witzig, mich ständig als "Del Boy" aus der BBC-Sitcom Only Fools and Horses zu bezeichnen.

Ein Beamter meinte zu mir, dass ich—weil ich ja einen kroatischen Polizisten angegriffen hatte—direkt ins Gefängnis gehen würde.

Letztendlich steckte man mich in eine abgeranzte Zelle, in der Blut an den Wänden klebte und es weder sanitäre Anlagen noch was zu essen gab. Dort verbrachte ich gut neun Stunden, bis mir jemand mitteilte, dass ich am Nachmittag vor einen Richter treten müsste. Ich kam in ein Zimmer, in dem bereits andere Festivalbesucher waren. Sie hatten die Nacht ebenfalls in einer Zelle verbracht—meistens aufgrund von Drogenbesitz.

Alle machten trotz des unglücklichen Zusammentreffens mit der kroatischen Polizei einen relativ fröhlichen Eindruck. Später sollte ich übrigens noch herausfinden, dass die Undercover-Beamten in Scharen auf dem Festival unterwegs waren. Als wir uns dann vor dem Gerichtssaal versammelten, hielt man mich auf und ein Beamter meinte zu mir, dass ich—weil ich ja einen kroatischen Polizisten angegriffen hatte—direkt ins Gefängnis gehen würde.

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Ich verbrachte dann zwei Tage in einer Zelle—zusammen mit sechs Kroaten. Irgendwann durfte ich endlich die britische Botschaft kontaktieren und ich flehte die Mitarbeiter dort an, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um mich aus diesem Loch rauszuholen. Außerdem war mir meine Freundin, die mich bei meiner Kroatien-Reise begleitete, eine extrem große Hilfe. Sie rief nämlich meine Eltern an und zusammen schafften sie es, einen hoch angesehen Anwalt zu engagieren, der mich vor Gericht vertrat. Letztendlich musste ich eine Geldstrafe in Höhe von mehreren Tausend Euro bezahlen und Kroatien sofort verlassen. Zudem legte mir der Richter ein fünfjähriges Einreiseverbot auf. Zu diesem Zeitpunkt war mir das jedoch vollkommen egal. Ich wollte einfach nur noch nach Hause.

Samantha, 24

Durch ein Austauschprogramm verbrachte ich eine ganze Weile in Indonesien. Mein damaliger Freund kam zu Besuch und als ich ihn wieder zum Flughafen gebracht und mich verabschiedet hatte, fiel mir ein, dass ich ihm kein Geld für die Flughafensteuer gegeben hatte, die man dort zahlen muss, um durch den Zoll zu kommen. Da ich wusste, dass ich ohne Boarding-Ticket nicht zu ihm durchkommen würde, kratzte ich mein gesamtes gebrochenes Indonesisch zusammen und flehte die Security-Mitarbeiter an, mich durch den ersten Sicherheitscheck zu lassen.

Dabei versicherte ich ihnen natürlich, dass ich mit einem Schmiergeld zurückkommen würde. Genauso ging ich dann beim Ganzkörper-Scanner, bei der Flughafensteuer-Station und beim letzten Security-Check vor, bis ich schließlich am Gate stand. Ich konnte meinen Freund nirgendwo sehen und deshalb bat ich einen Mitarbeiter darum, für mich nachzusehen, ob er schon im Flugzeug saß. Das tat er auch.

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Also wollte ich wieder gehen, aber es stellten sich mir mehrere Security-Mitarbeiter in den Weg, die mich wütend fragten, wie ich es ohne Boarding-Pass in diesen Bereich des Flughafens geschafft hätte. Irgendwann umringten mich sieben Angestellte, die mir meine Tasche wegnehmen wollten und Schmiergelder verlangten. Sie brachten mich in ein Büro, wo sie meine persönlichen Daten aufschrieben und mich gefühlt stundenlang verhörten.

Es wurde immer heißer und die Typen immer wütender. Schließlich machten sie eine Pause—wahrscheinlich hatte sie das ganze Rumgeschreie müde gemacht—und ich sah meine Chance. Ich hatte zu meiner Person ja auch komplett falsche Angaben gemacht. Dementsprechend dachte ich auch nicht, dass sie mich irgendwann schnappen würden.

Ich sprang auf und nahm die Beine in die Hand. Ich sprintete die Rollentreppe hinunter, durch die Flughafensteuer-Station, durch den Ganzkörper-Scanner und schließlich hinaus ins Freie. Der Mitarbeiter, dem ich vorher als Erstes ein Schmiergeld versprochen hatte, hielt sogar noch fordernd die Hand auf. Da ich jedoch keine Kohle dabei hatte, rannte ich halb vor Panik und halb in Ekstase einfach an ihm vorbei und hüpfte in das erste Taxi, das ich erblickte. So wie ich das sehe, ist es im Ausland quasi unmöglich, irgendwie festgenommen zu werden, so lange man schnell genug rennen kann.

Theo, 26

Nach einem Festival in Bulgarien entschied ich mich mit meinem Kumpels dazu, noch einen kleinen Urlaub auf einer griechischen Insel dranzuhängen, um das Runterkommen erträglicher zu machen. Für den Fall der Fälle hatte ich aber trotzdem noch ein paar Teile und Überbleibsel vom Wochenende bei mir. Wir überquerten die Grenze in einem Taxi und die einzige Kontrolle bestand nur aus ein paar Beamten, die sich sowieso kaum für unsere Pässe interessierten. Deswegen dachte ich auch, dass wir es sicher rübergeschafft hätten.

Wir gingen an Bord des Schiffes, das uns auf die Insel Samothraki bringen sollte, und unterhielten uns fröhlich über das Festival. Als wir dann jedoch wieder festen Boden unter den Füßen hatten und uns auf dem Hafengelände umsahen, schien etwas nicht zu stimmen. Eigentlich hat Samothraki einen Ruf als Hippie-Community, aber stattdessen erblickten wir nur ganze Scharen von Polizeibeamten in olivgrünen Uniformen. Mich beschlich ein ungutes Gefühl, das nur noch schlimmer wurde, als man mich und einen meiner Freunde für eine gründlichere Durchsuchung beiseite nahm.

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Schließlich fanden die Beamten einen Beutel Ketamin in meiner Tasche, was mein Ende bedeutete.

Die Polizisten fragten uns, ob wir irgendwelche Drogen dabei hätten. Das verneinte ich und prompt durchsuchten sie mein Gepäck und nahmen den Inhalt komplett auseinander. Währenddessen brachte man mich in eine Hütte, wo ich mich nackt ausziehen und dann eine Leibesvisitation über mich ergehen lassen musste. Schließlich fanden die Beamten einen Beutel Ketamin in meiner Tasche, was mein Ende bedeutete.

Man steckte mich zusammen mit ein paar anderen Typen in eine Gefängniszelle. Die meisten meiner Zellenkumpanen waren dabei entweder aus Afghanistan oder Syrien und saßen mit mir hinter Gittern, weil sie illegal die Grenze hatten überqueren wollen oder irgendetwas mit Drogen am Hut hatten. Ich musste dann auch die Nacht dort verbringen. Das war richtig komisch, weil wir im Grunde die ganze Zeit nur Karten spielten. Am darauffolgenden Morgen brummte man mir eine geringe Geldstrafe auf und schickte mich mit dem nächsten Boot wieder zurück nach Samothraki. Natürlich war ich in erster Linie total fertig, gleichzeitig machte sich in mir aber auch ein Gefühl der Erleichterung breit—es hätte ja auch viel schlimmer kommen können.

Nilu, 26

Ich war in Guatemala unterwegs und nahm einen Bus, um in einen anderen Teil des Landes zu kommen. Nach ein paar Stunden machten wir eine Toiletten-Pause an einer Raststätte. Ich wollte aufs Klo gehen, musste dann aber feststellen, dass sich in keiner Kabine Klopapier befand. Also ging ich wieder raus, um mir welches zu besorgen, aber die Angestellte meinte nur, dass ich für die Benutzung der Toiletten bezahlen müsste. Ich fragte, wie viel das kosten würde, und legte den Betrag in ihren Teller.

Da meinte sie jedoch nur, dass es doppelt so viel wäre, weil ich ja schon auf dem Klo gewesen war. Ich sagte daraufhin, dass ich die Toilette in so kurzer Zeit offensichtlich nicht benutzen konnte. Sie glaubte mir natürlich kein Wort. Anstatt jetzt allerdings eine große Diskussion vom Zaun zu brechen, nahm ich mir meine Münzen wieder zurück und rauchte mit meinem Kumpels aus dem Bus draußen erstmal ein bisschen Gras.

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Ein paar Minuten später kamen dann einige Security-Mitarbeiter an. Ich dachte, ihnen passte nicht, dass ich rauchte, aber dann wurde mir klar, dass die Toiletten-Angestellte die Securitys geschickt hatte. Sie dachten nämlich, dass ich das Klo zweimal benutzt und dafür nicht bezahlt hätte. Nachdem ich ihnen die Situation in meinem beschissenen Spanisch erklärt hatte, zogen sie wieder von dannen und ich stieg in den Bus.

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Die Angestellte folgte mir jedoch und da ich leider wirklich nur wenig Geduld besitze und es nicht gern habe, wenn man mir Diebstahl vorwirft, platzte mir in diesem Moment der Kragen. Nicht gerade der schlaueste Move. Ich schleuderte der Frau ein paar Münzen entgegen und rief dabei: "Hier hast du deine verdammte Kohle! Nimm!" Totenstille machte sich im Bus breit. Sie blickte zuerst auf das Geld, dann auf ihre Füße und stieg schließlich aus dem Fahrzeug.

Wir machten uns zur Weiterfahrt bereit und der Bus wollte gerade losfahren, blieb dann aber erneut stehen. Die Toiletten-Angestellte kam wieder an Bord und hatte diesmal die Polizei im Schlepptau. Sie hatte den Beamten wohl erzählt, dass ich sie um ziemlich viel Geld erleichtert hätte. Die Polizisten zogen mich aus dem Bus und dabei erkannte ich auch, dass mein Spanisch niemals ausreichen würde, um diese ganze beschissene Situation zu klären. Zu allem Überdruss hatte ich auch nicht mal ansatzweise genügend Geld dabei, um den angeblich ausstehenden Betrag begleichen zu können.

Es gab keine Möglichkeit, irgendwie zu beweisen, dass ich nichts gestohlen hatte. Deswegen hielten mich die Beamten auch einen ganzen Tag lang fest, bis mir irgendjemand den geforderten Betrag überwies. Ich gab der Toiletten-Angestellten das Geld in bar, aber entschuldigt habe ich mich nie. Ich glaube, das war meine Art, ihr irgendwie noch ein "Fick dich!" mit auf den Weg zu geben.