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Wenn Terror kommerzialisiert wird

Zu den Anschlägen von Paris gibt es nicht nur ein offizielles Logo, sondern auch sehr viel verstörendes Merchandising.

Foto: tshiart / Redbubble

Die Menschheit hat es bisher noch nie versäumt, aus jeder Tragödie—sei sie noch so grausam—irgendwie Profit zu schlagen. 2013 wurde „Boston Strong"-Merchandising in den USA zum absoluten Verkaufsschlager, der bekannte „Je suis Charlie"-Schriftzug wurde erst in diesem Jahr erfolgreich auf T-Shirts und andere Andenken gedruckt.

Dass es zu den Anschlägen von Paris so was wie ein offizielles Logo gibt, ist genau so genial wie verstörend. Ein einheitliches Symbol, stellvertretend für Solidarität gegenüber Frankreich und den Einwohnern von Paris. Dass er mit einer einfachen Verschmelzung von Peace-Zeichen und Eiffelturm eine Art international gültiges Branding für die Terroranschläge von Paris geschaffen hatte, ahnte der Künstler Jean Jullien im Augenblick des ursprünglichen Postings auf Twitter wohl noch nicht.

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Ein passender Untertitel war schnell gefunden, genau so wie die obligatorische Gegenbewegung dazu. #PrayForParis wurde nicht zum weltweiten Trending Topic, weil die Mehrheit der Menschen durch die Anschläge zu Gott gefunden hat, sondern aus einem anderen, viel einfacheren Grund: Es klingt einfach gut. Die Empörungswelle, die sich gegen religiöse Botschaften als Reaktion auf eine religiös motivierte Tat ausspricht, greift also nicht. Phonetisch war es durch die Alliteration nur logisch—immerhin hieß es auch „Hope for Haiti".

Screenshot via Etsy

Die Geschwindigkeit, mit der Online-Shops ihr Sortiment um „Pray for Paris"-Werbeartikel aufstocken konnte, ist nur schwer fassbar. Die E-Commerce-Plattform Etsy beispielsweise hatte bereits kurz nach den Anschlägen jeden noch so absurd erscheinenden Artikel mit „Pray for Paris"-Branding im Angebot. Digitale Marktplätze wie Redbubble und Ebay ließen nicht lange auf sich warten. Von Thermobechern über Ohrringe bis hin zu Handyhüllen—der Kommerz kennt Grenzen genau so wenig wie er Geschmack kennt.

So gibt es mittlerweile sogar Shirts im Drake-Design: „If you're reading this pray for Paris". Wenn es schon so was wie Tragödien-Merchandising geben muss, ist die einzig akzeptable Rechtfertigung im Grunde genommen nur die Wohltätigkeit—was man bei Portalen wie Etsy so gut wie ausschließen kann. Von mehreren hundert Artikeln spenden laut expliziten Kennzeichnungen weniger als zehn ihren Erlös, oder zumindest einen Teil davon, an das Rote Kreuz.

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Wie weit darf die profitorientierte Ausschlachtung von Terroranschlägen gehen, wenn sie sich wie beim Drake-Beispiel sogar fast schon an scherzhaftes Terrain annähert? Ein gerade die Runde machendes Paris Hilton-Meme, beweist zumindest, dass das Internet auch hier vor Humor nicht zurückschreckt. Aber ist das noch vertretbar, seine Anteilnahme am Tod von über hundert Menschen in Form eines billigen T-Shirts auszudrücken? Den brutalen, sinnlosen Mord an Unschuldigen irgendwie modisch zu machen? Gedenkkultur und Selbstdarstellung waren sich selten ähnlicher.

Jeder geht unterschiedlich mit öffentlichen Tragödien wie den Anschlägen von Paris um. Der eine übt sich in digitalem Stillschweigen, während der andere sein Profilfoto auf Facebook ändert und #PrayForParis hashtaggt, nur um wiederum von den einen für die Verwendung des Hashtags kritisiert zu werden. Wer sind wir schon, über die Herangehensweisen anderer zu urteilen?

Screenshot via Etsy

Solange nicht versucht wird, Profit aus dem Leid anderer zu schlagen, hat jede Art der Auseinandersetzung irgendwo ihre Rechtfertigung—auch wenn „Peace for Paris" zugegebenermaßen ein neutralerer Lösungsansatz wäre, der zwar auf den religiösen Bezug, nicht aber auf die Alliteration verzichtet. Inzwischen hat #PrayForSyria übrigens den Pariser-Hashtag als Trending Topic abgelöst—T-Shirts dazu gibt es bis jetzt noch nicht.

Als Anfang des Jahres auch das „Je suis Charlie"-Logo (!) für kommerzielle Zwecke instrumentalisiert wurde, hieß es seitens der Verkäufer gegenüber CNN, es wäre eine wichtige Botschaft, welche eine Plattform brauche. Und wenn sie es nicht verkaufen würden, dann würde es schließlich jemand anders machen. Am Ende des Tages sind Menschen gestorben. Daran Geld verdienen zu wollen, ist ziemlich ekelhaft—und leider auch ziemlich menschlich.

Franz auf Twitter: @FranzLicht