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Pegida hat im deutschen Magdeburg Spenden für eine Moschee gesammelt – unfreiwillig

Für jeden Meter, den die Islamgegner liefen, haben Aktivisten an der Strecke Geld für die islamische Gemeinde der Stadt gesammelt.
Foto: Wenzel Oschington

Nach vielen Versuchen, in Linz, Wien oder Graz Fuß zu fassen, fand auch die letzte Wiener Kundgebung im April nicht sehr viel Anklang. Es gibt in Österreich zwar noch keine Ableger der Anti-Islamischen Gruppierung, aber in Deutschland scheint stetig daran gearbeitet zu werden, dass jede Stadt ihre eigene Pegida-Formation bekommt.

So auch in Magdeburg, wo neuerdings die „Magida" gegründet wurde. Diese Gruppe demonstriert vor allem gegen die schleichende Islamisierung von Sachsen-Anhalt. (In Sachsen-Anhalt ist die Islamisierung übrigens so schleichend, dass Muslime auf der Wikipedia-Seite des Bundeslandes nicht mal eine eigene Kategorie bekommen, sondern bei den 2 Prozent „andere Religionen" mitgezählt werden.)

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Foto: Wenzel Oschington

Am Montag wurde der Zweck des Magida-Marsches allerdings ins Gegenteil verkehrt: Aktivisten von „Bündnis gegen Rechts Magdeburg" erklärten den Lauf kurzerhand zu einem Charity-Event für die Islamische Gemeinde Magdeburgs, die gerade Spenden für ein neues Gemeindezentrum sammelt. Für jeden Meter, den die Islamgegner liefen, wurden entlang der Strecke Spenden gesammelt.

„Die unbegründete anhaltende Kritik und Angst vor einer Islamisierung nahmen wir zum Anlass, um der betroffenen islamischen Gemeinde Magdeburgs zu helfen", schreibt das Bündnis auf der Webseite der Aktion „Euer Lauf baut auf". Das Ergebnis: „Über 1000 Euro und viele überraschte islamfeindliche Magdeburger".

Das ist nicht das erste Mal, dass eine rechte Demo auf diese Weise in ihr Gegenteil verkehrt wird. Im November 2014 organisierten Aktivisten im bayerischen Wunsiedel unter dem Namen „Rechts gegen Rechts" etwas ganz Ähnliches, als ein „Trauermarsch" von Neonazis in eine Spendenaktion umgewandelt wurde. Das hier ist aber das erste Mal, dass die Botschaft einer Pegida-Demo so unterwandert wird.

Was die Magida-Teilnehmer davon hielten, ist bis jetzt nicht bekannt. Auf der Facebook-Seite wird stattdessen der „sehr gelungene neu Auftakt [sic]" gelobt. „Es waren schätzungsweise ca. 180 Patrioten anwesend .Der Spaziergang verlief friedlich ohne zwischen Fälle. [sic]" Die Aktion von „Euer Lauf baut auf" wird mit keinem Wort erwähnt.

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Gewundert haben sie sich aber schon. Foto: Wenzel Oschington

In Magdeburg und Umgebung gibt es schätzungsweise 3500 Muslime. Circa 600 von ihnen gehören der Islamischen Gemeinde Magdeburgs an—Sunniten genauso wie Schiiten. Um herauszufinden, was sie über diese Solidaritätsbekundung denken, haben wir mit dem ersten Vorsitzenden der Gemeinde, Dr. Moawia al-Hamid, über die Aktion gesprochen.

VICE: Dr. al-Hamid, wussten Sie von der Aktion?
Dr. Muawia al-Hamid: Ja, die Organisatoren haben mich vor anderthalb Wochen gefragt. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, das war Arbeit von einem Monat, die die Leute auf sich genommen haben.

Wie finden Sie das?
Das war eine Top-Aktion, finde ich. Das ist erstmalig in Deutschland. Vorher gab es „Rechts gegen Rechts", aber diesmal geht es in die Gegenrichtung. Es heißt ja „Euer Lauf baut auf", und da geht es nicht nur ums Gemeindezentrum, sondern das baut allgemein Vertrauen auf. Das ist am wichtigsten.

Magida hat nur Hassprediger, so wie der gestern, die immer gegen etwas sind, gegen Gruppen, gegen Muslime—aber was hat man davon? Am Ende sät man so Hass in die Herzen der Magida-Leute, und Angst in die Herzen der Muslime. So etwas macht die Gesellschaft krank.

Hat sich die Stimmung in Magdeburg seit den Magida-Demonstrationen verändert?
Ja, aber in eine schlechte Richtung. Zum Beispiel sind einige Frauen geschlagen worden—direkt vor Schulen, vor Kindergärten, sogar mitten auf dem Altmarkt. Sogar Frauen mit Babys auf dem Arm. Die Anzahl solcher Fälle ist in den letzten Monaten richtig drastisch gestiegen. Einige Frauen gehen nur noch in Begleitung von Männern auf die Straße.

Dabei sind wir eine neutrale Gemeinde, wir sind offen für alle, wir haben Gespräche mit allen Religionen. Wir sind keine Gewalttäter. Und Magida soll wissen: Egal, was sie machen, die Muslime werden hierbleiben. Egal, wie wenig wir sind, egal, wie viele die noch werden—keiner will hier weg. Ich bin hier Dozent an der Universität Magdeburg, die anderen werden auch an ihrer Stelle bleiben.

Die sollen das mal verstehen: Wenn sie sagen „Wir sind das Volk"—wir sind auch das Volk! Die sollten damit aufhören, wenn sie die Stadt nicht kaputtmachen, sondern aufbauen möchten.

Haben Sie Hoffnung, dass so Aktionen wie gestern dabei helfen können?
Auf alle Fälle! Es zeigt den Menschen: Die islamische Gemeinde steht da nicht allein. Denn das Wichtigste ist, dass die uns kennenlernen. Weil die nur falsche Informationen über uns haben und uns null Prozent kennen, daher kommt so was.

Wissen Sie, wie viel Geld jetzt am Ende für die Gemeinde dabei herauskommt?
Nein, nicht genau. Aber auch wenn das nur 1 Cent wäre: Ich und alle Muslime haben sich nicht über das Geld gefreut, sondern über die Aktion. Nicht nur gegen Magida zu sein, sondern auch das Gefühl, eine bunte Stadt aufzubauen—das ist etwas, wofür man kämpft.