Die farbenfrohe Seite des Kommunismus

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Die farbenfrohe Seite des Kommunismus

Das „Vasluiul Comunist"-Projekt sammelt alte Aufnahmen aus der Blütezeit der künstlich hochgezogenen rumänischen Kreisstadt Vaslui. Wir haben uns mit dem Leiter dieses Projekts unterhalten.

1968 entschied sich der rumänische Diktator Nicolae Ceaușescu dazu, die Kleinstadt Vaslui zur Hauptstadt des gleichnamigen Kreises zu machen, weil sein ehemaliger Konkurrent Gheorghiu Dej in Barlad—dem größten Ort der Region—geboren wurde. Ceaușescu hätte es nicht verantworten können, seinem Rivalen eine solche Genugtuung zu gönnen. Und so verwandelte sich die kleine Gemeinde von Vaslui innerhalb von fünf Jahren in eine florierende Kreishauptstadt. Eine riesige Menge neuer Bürger wurde quasi über Nacht rangeschafft und in großen Wohnblocks untergebracht. Die Hühner durften dabei auf den Balkonen leben. Eine Mischung aus Kommunismus und Ceaușescus Trotz bescherte Vaslui so protzige Architektur, Industrie, Schulen, ein funktionierendes Heizsystem sowie fließendes Wasser.

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Das „Vasluiul Comunist"-Projekt beschäftigt sich nun damit, alte Archivaufnahmen aus der Blütezeit der Stadt zu erhalten. Hinter diesem Unterfangen stehen Andrei Beşliu—ein in Vaslui geborener und aufgewachsener Art Director—, dessen Vater sowie der örtliche Museumskurator. Ich habe mich mit Andrei über die glorreiche Vergangenheit von Vaslui unterhalten.

VICE: Hey Andrei. Warum hast du dich dazu entschieden, das „Vasluiul Comunist"-Projekt zu starten?
Andrei Beșliu: Ich bin in den 70er und 80er Jahren in Vaslui großgeworden und habe so direkt mitbekommen, wie sich eine ländliche Handelsstadt mit 17.000 Einwohnern zu einer Kreishauptstadt mit 90.000 Einwohnern entwickelt hat. Meine Eltern arbeiteten im Design-Institut und ich weiß, wie viel Arbeit sie investiert haben, um diesen Ort zu einer schönen und gut organisierten Stadt zu machen. Ich weiß jedoch auch, wie genau diese Arbeit seit den 90ern von den Behörden wieder zerstört wird.

Nicolae Ceaușescu stattet Vaslui im Jahr 1975 einen Besuch ab

Wie muss man sich diese Zeit vorstellen?
Viele Menschen aus Bukarest und anderen rumänischen Großstädten wurden gezwungen, hierherzuziehen. Für diese Menschen war das zwar nicht wirklich schön, aber die Region ist so unglaublich schnell gewachsen. In den 70er Jahren war Vaslui dann total hip. Dazu kamen außerdem noch die italienischen und französischen Touristen, die hier unterwegs waren, um ihre Brieffreundinnen zu besuchen. In der Stadt wurden Möbel für IKEA und Kleidung für Italien hergestellt. Meine Eltern veranstalteten auch immer Partys, zu denen alle Architekten und Künstler der Gegend kamen. Alle trugen Levis-Jeans und hatten bei sich zu Hause eine DIY-Dunkelkammer. Dazu lagen bei uns daheim auch immer ausländische Magazine herum. Ich glaube, ich genoss damals schon einige Privilegien.

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Die hier abgebildete Band ‚Orpheu' spielte immer in der Lobby des größten Hotels von Vaslui

Wie hat sich Vaslui seitdem verändert?
In den 90ern wurde der Geldhahn für die Intellektuellen, die man hierher geschickt hatte, plötzlich zugedreht. Unsere Wirtschaft, unsere Kultur und die gesamte Entwicklung von Vaslui waren jedoch quasi künstlich aufgebaut worden und eigentlich braucht es mehrere Generationen—und nicht nur 20 Jahre erzwungenes urbanes Leben—, damit sich so etwas wirklich fest verwurzelt. Niemand investierte mehr in irgendetwas und so kam es dann auch, dass sich die Einwohnerzahl halbierte und dass die, die hier blieben, zur billigen Arbeiterschaft des Westens verkamen. Unser aktueller Bürgermeister versucht jedoch, den ehemaligen Glanz von Vaslui zumindest teilweise wiederherzustellen—und er macht seine Sache doch ganz gut. Ich hoffe, dass wir mit unserem Projekt zu dieser positiven Entwicklung beitragen können.