Polaroids von Papua-Neugineas jungen Hanfbauern

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Drogen

Polaroids von Papua-Neugineas jungen Hanfbauern

Im Hochland von Papua-Neuguinea sind schon Achtjährige den kompletten Tag bekifft und ganze Dörfer leben von der Cannabis-Zucht.

Als der australische Fotograf ​Joel Bouchier dieses Jahr nach Papua-Neuguinea reiste, landete er in einem Dorf im Hochland, dessen Wirtschaft fast ausschließlich von Cannabis-Anbau lebt. Vor etwa zehn Jahren gab es eine schwere Auseinandersetzung in der Gemeinschaft, was dazu führte, dass viele Kinder zu Waisen wurden. Ältere Kinder übernahmen dann die Erziehung und brachten den Kleinen außerdem bei, Gras zu rauchen, anzubauen und zu verkaufen. Diese Tätigkeit beschert dem Dorf ein Einkommen, ohne das es wahrscheinlich wesentlich schlechter dastehen würde. Gleichzeitig verstärkt es aber auch das Problem, dass im ganzen Land sehr viele Kinder Drogen nehmen. In der Zeit, in der er mit dieser Gemeinschaft lebte, hat Joel eine Serie von Polaroids geschossen, die er nun als Teil des Independent Photography Festivals 2014 in Melbourne ausstellt.

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VICE: Hallo Joel, warum Papua-Neuguinea?
Joel Bouchier: Das Land stand schon immer auf meiner Liste. Es ist nicht weit von Australien entfernt, aber bislang habe ich noch nicht viele Veröffentlichungen darüber gesehen. Ich wollte einfach unbedingt in das Hochland, hatte aber keine Ahnung, was ich dort vorfinden würde. Ich habe mir also meine Kamera geschnappt und bin, ohne zu wissen, was mich erwartet, losgezogen.

Wie bist du auf die jungen Männer und Kinder gestoßen, die dort Cannabis anbauen?
Die erste Woche, die ich dort umherreiste, hatte ich weder vernünftige Bilder, noch sonst irgendwas machen können. Ich war irgendwo im Nirgendwo und hatte noch nicht mal mehr genug Geld übrig, um mir eine Übernachtung leisten zu können—und ich musste noch zwei Wochen dort überstehen. Ich wartete auf die Dämmerung und ein Typ stolperte quasi auf mich zu und fing an, mit mir zu reden. Ich fragte ihn, wo er wohnt. Er sagte es mir und lud mich ein, mitzukommen, damit ich es mir mit eigenen Augen sehen kann. Ich nahm meine Taschen und wanderte mit ihm durch ein paar Flüsse, rauf auf Berge, durch den Dschungel und kam dann schließlich bei seinem Dorf an.

Da der Typ gerade einen Weißen, also mich, in das Dorf gebracht hatte, waren alle total aufgeregt. Ich wollte eigentlich nur für eine Stunde bleiben, aber sie überredeten mich, eine Nacht zu bleiben. Ich entschied mich dann dafür, einen Monat dort zu wohnen. Ich fing nicht direkt an zu fotografieren, sondern nahm mir Zeit und verhielt mich respektvoll. Als ich dann mein erstes Foto machte, sahen es sich alle an und wollten unbedingt selber eins. In gewisser Weise war es also sehr einfach.

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​Zack​ Arais hat mal über die sozialen Qualitäten von Polaroids gesprochen, da man sie der anderen Person direkt zeigen und geben kann.
Ich wollte immer schon ausschließlich mit Polaroid arbeiten. Ich zeigte ihnen die Bilder und sie hatten sich selber noch nie auf solchen Fotos gesehen. Das hat mir vieles ermöglicht.

War es schwierig, die Story so aufzuziehen? Eine Geschichte über Drogen und Kinder, die aber nicht übertrieben negativ ist.
Man muss diese Gegend dort in einem größeren Kontext betrachten. Auch wenn die Regierung das Gebiet offiziell kontrolliert, ist es doch seit Hunderttausenden Jahren mehr oder weniger unberührt geblieben. Erst in den letzten 50 Jahren ist der Einfluss der Regierung dort spürbar geworden, aber eigentlich herrschen noch die alten Traditionen und Sitten.

Die Geschichte, auf die ich dann dort gestoßen bin, war die, dass viele der Kinder dort keine Eltern mehr haben. Acht oder neun Jahre zuvor hatte es in dem Dorf einen großen Streit über eine Kaffeeplantage gegeben. Die ganzen Jugendlichen sind damals sechs oder sieben Jahre alt gewesen, als sie ihre Eltern verloren haben.

Es gab dort ein paar ältere Jungs, das waren so 20 oder 30, die diese Kinder dann großgezogen habe—und sie alle rauchten Marihuana. Sie sind alle das Produkt ihrer Umwelt. Das ist einfach die Art, wie sie dort großwerden. Sie lernen den Anbau und mit ein oder zwei Pflanzen können sie mehr verdienen als mit einem ganzen Kartoffelfeld. Sie können so ein recht entspanntes Leben führen. So lauteten in etwa die Narrative, die ich versucht habe, hervorzuheben.

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Wird Marihuana dort anders verwendet als in der westlichen Welt?
Ich hatte den Eindruck, dass es für sie noch mehr mit Eskapismus zu tun hat. Sie rauchen es, um ihr Leben angenehmer zu machen. Sie machen es nicht zum Spaß, wie wir bei Partys oder bei der Arbeit. Sie rauchen es einfach—es tendiert schon mehr in Richtung Abhängigkeit. Sie machen das schon so lange, dass es für sie ungefähr so wie für uns das Tabakrauchen ist. Es ist etwas, das dort seit Jahrhunderten praktiziert wird. Ich glaube allerdings, dass einige hier eine falsche Vorstellung davon haben. Es ist tatsächlich eine Droge, die schädlich sein kann—vor allem in den Mengen, in denen sie dort geraucht wird. Es gab dort acht—oder neunjährige Kinder, die von morgens nach dem Aufstehen bis abends zum Schlafengehen geraucht haben. Sie rauchen wirklich den ganzen Tag lang Marihuana und in der Hinsicht ist das schon ziemlich beängstigend.

Ich bin in einer ländlichen Gegend Neuseelands großgeworden und habe dort ähnliche Zustände erlebt. Es gab dort Kiffer, die gerade mal sechs Jahre alt waren.
Ich würde sagen, dass es auf jeden Fall damit zu tun hat, dass man den Tag schneller rumbekommt. In Teilen dieser Gegenden ist Alkohol sehr teuer und schwer zu bekommen—vor allem in Gemeinschaften, in denen es kein monetäres System gibt. Cannabis ist die erste Wahl, weil es dort so leicht zugänglich ist. Wahrscheinlich hat aber auch die Tradition damit zu tun.

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Hast du dich dort jemals unsicher gefühlt?
Ich würde sagen, Port Moresby ist schon … da passiert schon einiges. Ich habe gesehen, wie dort ein Auto geklaut wurde. Leute sind einfach aus einem Busch gesprungen und haben einen Lastwagen angehalten. Ich habe gesehen, wie Menschen eine Frau und ihre Familie aus der Stadt gejagt haben, weil sie dachten, dass sie Hexen oder Zauberer sind. Zum Teil geht es dort noch zu wie im Mittelalter. In der Stadt kann es schon gefährlich werden, aber ich bin es auch dementsprechend angegangen. Ich war sehr vorsichtig, aber dann triffst du natürlich diese komische weiße Person vor Ort, die dich dann ermahnt, dass du unbedingt aufpassen musst, und dir diese ganzen furchtbaren Geschichten erzählt. Ich habe versucht, nicht zu genau hinzuhören—ich war ja schließlich eh schon da.