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Warum mich als Polizist die Pizzeria Anarchia-Räumung wütend macht

Nicht alle Polizisten sind mit dem Ablauf und den Nachwehen der Pizzeria Anarchia-Räumung einverstanden.
Foto von Kurt Prinz

Nach der umstrittenen Räumung der Pizzeria Anarchia, bei der rund 1.400 Polizisten im Einsatz waren, ist mittlerweile klar, dass der Staat die Kosten von 870.000 Euro tragen wird. Dass auch eine Spekulationsabsicht des Hausbesitzers mit im Spiel war, ist für das Innenministerium nicht relevant—das geht aus einem 20-seitigen Bericht hervor. Hier schildert ein Polizist seine Meinung zur Räumung und deren Folgen.

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Ich bin wie jeder Polizist der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. Nicht nur weil das meine Dienstpflicht verlangt, sondern auch aus Überzeugung. In den letzten Jahren—und speziell den letzten Monaten—beschleicht mich und viele Kollegen leider immer mehr das Gefühl, dass das mit der Rechtsstaatlichkeit nicht für alle gilt und wir bei der Märchenpolizei dienen.

Fassungslos musste ich in den Medien mitverfolgen, wie im Zuge der Pizzeria Anarchia Hausbesetzung 1.400 Kollegen gegen ein paar Anarchos aufziehen mussten. Man muss sich das vorstellen: Bei einem Hochrisikospiel in der deutschen Bundesliga kommen bis zu 1.000 Beamte zum Einsatz und hier, wo kaum Gefahr ausgeht und es in Wirklichkeit nur darum geht, dass ein paar Spekulanten noch reicher werden, müssen 1.400 Polizisten ran. Ein Wahnsinn, den eigentlich auch jemand verantworten sollte—aber da ist sie wieder, die Märchenpolizei.

Aus ein paar Punks ist schnell eine kriminelle Vereinigung gemacht, angeblich schwer bewaffnet und gewaltbereit. Zwei Beamte wurden verletzt—dass die nicht von Hausbesetzern verletzt wurden, braucht man ja nicht erwähnen.

Für mich spiegelt der Fall Pizzeria Anarchia das Sittenbild in der Polizei (und auch in der Politik) wider: Da der kleine Beamte, der für jede Entscheidung haftet, dort der hohe Ministeriumsbeamte oder Offizier, der machen kann was er will.

Für mich spiegelt der Fall Pizzeria Anarchia das Sittenbild in der Polizei (und auch in der Politik) wider: Da der kleine Beamte, der für jede Entscheidung haftet, dort der hohe Ministeriumsbeamte oder Offizier, der machen kann was er will. Wenn ein Polizist bei einer Einsatzfahrt den Einsatzwagen schuldlos beschädigt, wird mit Sicherheit zumindest ein Teil des Schadens vorgeschrieben. Man hätte ja nicht so viel Risiko nehmen müssen, lautet das Fazit. Und wenn ein kleiner Streifenpolizist eine Kleinigkeit falsch macht, dann steht auch schnell das BAK vor der Tür und bescheinigt einem Amtsmissbrauch.

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Unser Video zur Räumung der Pizzeria Anarchia:

Da fühlt man sich als Polizist dann so richtig verarscht, wenn die hohen Tiere die Lage völlig falsch einschätzen, völlig falsch und überzogen reagieren und damit einen Schaden verursachen der seinesgleichen sucht und dann getan wird, als wäre alles kein Problem. Und das in Zeiten, in denen plötzlich ein Techniker ins Büro spaziert und dir den Drucker vor der Nase abbaut—aus Spargründen versteht sich. Schuld ist natürlich niemand, war alles OK und ist bestens gelaufen. Wir evaluieren ja fleißig.

Es ist traurig aber wahr: Bei der Polizei und auch der Justiz hat nach jahrzehntelanger VP-Dominaz die politische Willkür Einzug gehalten. Und zwar in einem Ausmaß, das ein paar Mächtigen erlaubt, sich außerhalb des Rechtssystems zu bewegen. Ungestraft, versteht sich.