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Sex

Pornos für den guten Zweck

Von wegen dumme Schmuddelfilmchen: Diese Pornosternchen fisten sich vor der Kamera, damit andere zur Uni gehen können.

Einfach nur ein paar nette Mädels, die sich auf ein bisschen wohltätige Arbeit vorbereiten. Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Mercedes Carrera. Eine der tollsten Eigenschaften des Internets besteht darin, auf unnachahmliche Weise unterschiedlichste Puzzlestücke zu einem herrlich-verrückten Gesamtbild zusammenzufügen. Wenn du zum Beispiel sehen willst, wie kleine Kinder ihren Lehrer dank LeBron James um den Verstand bringen, klickst du am besten hier. Wenn du eher darauf aus bist, ein paar netten Omas bei ihren ersten Kiffversuchen über die Schulter zu schauen, ist hier dein Video. Und sollte dich mal die Lust überkommen, einer Live-Show von Pornostars für einen guten Zweck (nämlich ein Stipendium) beizuwohnen, dann habe ich gute Nachrichten für dich: Denn sogar das bietet dir unser aller Held, das Internet.

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The Porn Charity war die Idee des kalifornischen Pornostars Mercedes Carrera—die früher übrigens mal als Raumfahrtingenieurin gearbeitet hat. Zusammen mit dem Unternehmen Fine Young Capitalists aus Toronto hat Carrera vor Kurzem eine Live-Camshow organisiert, um das erste pornofinanzierte Stipendium für ein Studium in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) ins Leben zu rufen.

In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach Abschlüssen in MINT-Fächern rapide angestiegen, da die Wirtschaft immer mehr technikversierte Arbeitskräfte braucht. Hightech-Unternehmen, Bildungsvertreter und Schulbehörden betonen schon seit einiger Zeit die Wichtigkeit von mehr MINT-Absolventen—vor allem unter Frauen und bestimmten Minderheitengruppen, die sich statistisch gesehen weniger häufig für ein Studium in einem dieser Fächer entscheiden. Neue Studien haben gezeigt, dass sich vor allem Kanada einer echten MINT-Misere gegenübersieht.

Inspiriert von ihrer eigenen Ingenieurskarriere—und dank eines ausgeprägten Spieltriebs—hat Carrera mit The Porn Charity ein leistungsbezogenes Stipendium auf die Beine gestellt, das allen zukünftigen Studenten und Studentinnen offen steht, die in Kanada oder den USA ein MINT-Fach studieren möchten. „Die Studienkosten belaufen sich an staatlichen Hochschulen mittlerweile auf rund 40.000 Dollar pro Jahr", so Mercedes. „Ich weiß nicht, wie die jungen Leute das überhaupt schaffen." Um das Bewerbungsverfahren kümmern sich die Fine Young Capitalists, eine Gruppe junger Unternehmer, die sich darauf spezialisiert hat, mehr Mitglieder aus unterrepräsentierten Gruppen im Technologiesektor unterzubringen. Studienbewerber können sich ab Februar für das Stipendium bewerben und müssen dafür neben ihren Zeugnissen auch ein Motivationsschreiben einreichen.

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Das Fundraising-Konzept war recht simpel: Die auf Live-Sexchats spezialisierte Seite Webcams.com hat Carreras fünfköpfigem (und barbusigem) Team aus Pornostars—daunter auch Paisley Parker und Holly Heart—freie Sendezeit zur Verfügung gestellt. Wie bei den meisten Camshows konnten Mitglieder auch dieses Mal spezielle Sexszenen zu einem festen Preis erstehen. Webcams.com hat außerdem zugesichert, für jeden eingenommenen Dollar einen zweiten zu spenden.

Ich wollte von Carrera wissen, was der ausgefallenste Wunsch während der dreistündigen Show war. Sie meinte, dass die meisten Wunschszenen eher zum Standardrepertoire gehört haben: Also Selbstbefriedigung mit und ohne Dildo sowie alleine oder mit den „Kolleginnen". Doch es gab auch eine Ausnahme.

„Nun ja, Paisley und ich haben Holly für eine Spende in Höhe von 1.000 Dollar gemeinsam gefistet", erklärt sie lachend. „Es war übrigens das erste Mal, dass Paisley überhaupt jemanden gefistet hat. Sie hat also ihre Fisting-Jungfräulichkeit verloren—und das live vor den Augen von Tausenden Menschen. Das war ziemlich unterhaltsam."

Ihre Performance wurde „The View of Sex" getauft und hat in nur wenigen Stunden mehr als 5.000 Dollar eingebracht. Dabei erhielt die Gruppe Spenden aus aller Welt, auch wenn die größten Summen aus den USA und Kanada kamen. Insgesamt sind nach nicht mal zwei Wochen mehr als 11.280 Dollar bei der Eröffnungsshow von The Porn Charity zusammengekommen.

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Auch wenn solche Projekte finanzielle Selbstläufer zu sein scheinen, waren ähnliche sex- und pornofinanzierte Initiativen in der Vergangenheit von Kontroversen und Kritik—vor allem aus frauenpolitischen Erwägungen—begleitet.

Bevor sie beschloss, ein eigenes Stipendiumprogramm ins Leben zu rufen, wollte sich Carrera anfangs mit Ablegamer—eine Stiftung, die Computerspiele auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich machen möchte—zusammentun. Als die Gruppe dann von Carreras Camshow-Plänen Wind bekam, hat sie sich umgehend zurückgezogen. Für Aufsehen sorgte auch die Entscheidung der Brustkrebshilfe-Organisation Susan G. KOMEN, die 2012 eine Pornhub-Spende in Höhe von 30.000 Dollar dankend abgelehnt hat.

Und während es in einigen Fällen durchaus nachvollziehbar sein kann, auf gewisse Spenden zu verzichten (Beispiel gefällig? Motorboating bros mit seinen offen frauenfeindlichen Zielen), haben Gelder, die mithilfe von Sexarbeit gesammelt werden, auch im Allgemeinen einen eher zweifelhaften Ruf. Was vor allem deswegen interessant ist, weil etwa Goldman Sachs—ein Unternehmen mit einem nicht gerade einwandfreien Leumund—regelmäßig größere Summen an Unis in Nordamerika überweist.

Als ich Carrera gefragt habe, ob sie bei einigen Geldgebern moralische Bedenken haben könnte, hat sie mir geantwortet: „Ich würde auch von Hitler Spenden annehmen, wenn sie für eine gute Sache wären."

Porn Charitys Erfolg gleich beim ersten Spendenaufruf zeigt mal wieder, dass Pornokonsumenten einen reellen wirtschaftlichen Faktor ausmachen, mit dessen Hilfe sich auch problemlos wohltätige Projekte finanzieren lassen. Gleichzeitig wird deutlich, dass Pornografie bei vielen Menschen kulturelles Unbehagen auslöst und dass unsere Ansichten zu Sex in vielerlei Hinsicht immer noch als antiquiert angesehen werden können.

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„Die Mehrheit der Bevölkerung hält Pornos immer noch für das, was es in den 70ern mal war: Sie denken, dass wir uns gegenseitig Koks aus den Arschlöchern ziehen", so Carrera.

Ich kam für diesen Beitrag leider nicht rechtzeitig an eine Kopie des Webcam-Videos ran. Aber die Fotos, die ich gesehen habe, waren fast schon banal und harmlos. Klar, alle waren nackt, aber die Bilder von Mädchen, die verspielt vor einem Computerbildschirm rumhampeln, hatten fast schon etwas angenehm Vertrautes. Um die Wahrheit zu sagen, habe ich auch schon unzählige Nächte unter ähnlichen Umständen verbracht. Vielleicht mit weniger Dirty Talk und definitiv ohne Double Penetration, aber hey, wir haben es doch alle schon mal wild getrieben (wenn vielleicht auch nicht unbedingt vor Fremden).

Auch Carreras nächstes Projekt steht schon fest: Sie will für Leute aus der Erwachsenenunterhaltung, die sich weiterbilden wollen, ein Stipendium einrichten.

„Ich würde mich sehr freuen, wenn sich bis dahin auch der eine oder andere Pornodarsteller für unser MINT-Stipendium bewirbt", meint Carrera. „Es gibt in unserer Branche echt brillante Köpfe. Viele sind auch Studenten."

Wenn uns der erste Erfolg von The Porn Charity eine Sache verdeutlicht, dann unter anderem die, dass die Zukunft des Fundraisings sehr kreativ aussieht. Und deutlich weniger puritanisch.