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Wahlen 2015

So sehen Menschen aus, die bei der Wien-Wahl nicht wählen dürfen

Wir haben Geschichten von Menschen gesammelt, die zwar seit Jahren in Wien wohnen, aber nicht zur Wien-Wahl gehen dürfen.

Foto von VICE Media

Es gibt ein paar mögliche Gründe, aus denen Menschen nicht wählen dürfen. Spannend, aber vergleichsweise nicht allzu häufig ist, wenn das Strafgericht jemandem einfach das Wahlrecht entzieht. Das macht das Strafgericht unter anderem, wenn jemand rechtskräftig zu mehr als fünf Jahren Haft oder wegen NS-Wiederbetätigung beziehungsweise Terrorismus verurteilt wurde.

Was viel mehr Menschen betrifft—in Wien sind es mehr als 400.000—, ist der Ausschluss von Wahlen aufgrund der Tatsache, dass den Menschen die österreichische Staatsbürgerschaft fehlt.

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Hier ist die Sache in Wien ein wenig anders als in anderen Bundesländern und Gemeinden: Normalerweise dürfen Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft unter bestimmten Bedingungen nämlich sehr wohl bei der Gemeinderatswahl wählen, aber weil in Wien der Gemeinderat gleichzeitig der Landtag ist, werden hier striktere Regeln angewendet. So werden dieses Jahr 18,7 Prozent der Wiener Bevölkerung im wahlfähigen Alter am 11. Oktober vom Urnengang ausgeschlossen.

Bei der letzten Wien-Wahl waren außerdem über 30 Prozent der Wahlberechtigten aus verschiedensten Gründen nicht wählen. Das bedeutet, dass weniger als die Hälfte der Wiener Bevölkerung im wahlfähigen Alter über das Schicksal des Rests bestimmt hat.

Wenn wir ehrlich sind, repräsentiert der Gemeinderat also kaum die gesamte Bevölkerung. Da wir uns aber für genau diese interessieren und nicht nur jenen Teil, der wahlberechtigt ist, sind wir auf die Suche nach den Menschen gegangen, die ihren Lebensmittelpunkt in Wien haben und ihre Stimme im Oktober trotzdem nicht abgeben dürfen.

DANIEL, 35, ARCHITEKT

Auch, wenn Daniel schon seit 13 Jahren in Wien lebt, sieht er sich immer noch als Deutscher. Als es für das Studium nach Österreich gekommen ist, hat es ihn nicht gestört, nicht wählen zu dürfen. „Nur wegen der Wien-Wahl die Staatsbürgerschaft zu wechseln, kommt für mich nicht in Frage." Trotzdem würde Daniel gerne auf der Stadtebene mitbestimmen. „Die großen Dinge passieren eben nicht auf Bezirksebene."

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Daniel wäre eigentlich Grünwähler. In Deutschland hat er in seinem ganzen Leben vielleicht eine einzige Wahl verpasst. Auch wenn er in Österreich bei den großen Wahlen kein Stimmrecht hat, nimmt er seine Verantwortung anders war, indem er versucht, Menschen in Österreich zu motivieren, ihr Recht wahrzunehmen. „Wie wichtig das ist, fällt einem erst auf, wenn man nicht wählen darf."

CONNY, 24, EDV-KAUFFRAU

Conny (die hier lieber anonym bleiben möchte) ist in ihrer frühen Jugend von Bayern nach Österreich gezogen. Damals wie heute hat ihre Familie nie die Notwendigkeit gesehen, die österreichische Staatsbürgerschaft für, ihrer Aussage nach, „unnötiges Geld" zu ergattern—immerhin sind beide Länder in der EU. Bis auf die Witze über Deutsche stört sie das auch nicht sonderlich, solange es nicht um das Wahlrecht geht.

Denn die Tatsache, dass sie bis an ihr Lebensende hier leben möchte, aber nicht mitbestimmen darf, wie und in welche Richtung sich das Land entwickelt, ist für Conny ziemlich frustrierend. In Deutschland wählt sie nicht. Seit mehr als 10 Jahren lebt sie dort nicht mehr, hat daher auch keinen rationalen Bezug zu diesem Land und würde nur das wählen, was ihr Eltern gewählt haben—was sie grundsätzlich falsch findet.

Jakob, 33, irgendwas mit Medien

Jakob ist der Überzeugung, dass die Gesellschaft sozialdemokratische Ideale braucht. „An den freien Markt zu glauben, ist genauso absurd, wie an Kommunismus zu glauben", sagt er. Alleine deshalb würde er gerne mit seiner Stimme ein Statement setzen. Darf er aber nicht. Jakob kommt nämlich aus Schweden und hat die österreichische Staatsbürgerschaft nicht. Die hätte er zwar gerne, will die schwedische aber nicht aufgeben.

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„Ich bin eben nicht hundertprozentig Österreicher", aber: „Man sollte neben Pflichten auch Rechte haben", meint Jakob zu seinem Status. Er kennt sich in der Politik aus und will mitbestimmen, was in Wien passiert. 9 Jahre lang hat Jakob in Schweden gelebt, um dann nach Berlin zu ziehen. Mit 21 Jahren ist er nach Wien gekommen—wegen seiner damaligen Freundin. Geblieben ist er, weil er sich hier wohler fühlt, als irgendwo anders. Und natürlich, weil er für uns auch weiterhin so schöne Events wie die Cultiva, das Rope Festival und Tanz durch den Tag besuchen muss.

ZLATI, 22, STUDENTIN

Zlati ist mit 11 Jahren nach Österreich gekommen, darf aber nicht wählen, weil sie bulgarische Staatsbürgerin bin. Obwohl sie schon ewig da ist, hat sie trotzdem gerade keine Chance auf eine österreichischen Staatsbürgerschaft, weil sie hier nur im Internat gelebt hat und dieses nur ein Nebenwohnsitz für sie war.

Die Politik in Österreich betrifft sie natürlich viel direkter als die bulgarische, wo sich Zlati nur dreimal im Jahr für eine oder zwei Wochen aufhält. Sie versucht zwar, sich grob auf dem Laufenden zu halten, was bulgarische Nachrichten angeht, hat aber trotzdem wenig Ahnung davon, was abgeht.

Da Zlati also viele der antretenden Parteien oder Menschen gar nicht kennt, hat sie schon öfters einfach das gewählt, was ihre Mutter ihr empfohlen hat. Dass das nicht die ideale Lösung ist, weiß Zlati; schließlich stimmt sie nicht in allen Bereichen und Themen mit ihrer Mutter überein. Was Zlati sehr wohl kann, ist, bei der ÖH-Wahl wählen—bis hin zur eigenen Kandidatur, wie sie sagt. Bei der ÖH-Wahl sind nämlich sowohl Österreicher, als auch andere EU-Bürger und sogar Studenten aus Nicht-EU-Staaten wahlberechtigt.

Fredi, 23, Noisey-Redakteurin

Unsere Fredi ist slowakische Staatsbürgerin und mit sechs Jahren nach Wiener Neudorf gezogen. Ihre Eltern wollten ihre Wurzeln beibehalten und haben es deshalb abgelehnt, die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Fredi ärgert das heute noch. „Das einzige, was zwischen mir und dem Wahlrecht steht, ist Geld", sagt sie. Die Staatsbürgerschaft kann nämlich über 1.000 Euro kosten. Obwohl Fredis wahre Heimat Österreich ist, darf sie heute nur in der Slowakei wählen—und macht das auch. „Ich lass mir das von Papa erklären und wähle dann das, was Papa wählt." Zufrieden ist sie mit der Lösung nicht.

„Es regt mich auf, wenn Leute, die eigentlich wählen dürfen, darauf scheißen." Österreichische Politik spielt für Fredi ein wichtige Rolle. Bei der Wien-Wahl wäre sie aus pragmatischen Gründen für die SPÖ: „Sie hat in dieser Periode nichts Großartiges gemacht, aber sie sind irgendwie nicht so unleiwand wie die anderen." Fredi hat eine Bitte an alle Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die sich mit keiner Partei identifizieren können: „Geht wenigstens hin und kreuzt halt ungültig an."