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Sind wir nicht alle fröhliche Arschlöcher?

Heute ist internationaler Tag der Fröhlichkeit. Und den feiert man in Wien natürlich stilecht mit einer handfesten U-Bahn-Schlägerei.
HC Strache Fan

Die Freundlichkeit ist gemeinhin der natürliche Feind des gemeinen Wieners—und auch der Rest von Österreich hat bestenfalls im Vergleich mit der Hauptstadt positive Karmapunkte, was Aufgeschlossenheit und Nettigkeit angeht. Im internationalen Vergleich rangieren wir als Schneisenvölkchen der Neurotiker und Lamentierer—zumindest in der Selbstwahrnehmung—wohl weniger bei den Spaniern, als vielmehr bei den Finnen, die in etwa gleich viel gefühlte Schwierigkeiten mit direktem Körper- und Augenkontakt sowie der Aussprache eigener Befindlichkeiten haben.

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Eine Freundin von mir, die von einem idyllischen Bergbauernhof in der Steiermark kommt, meinte nach einem Auslandsjahr in Finnland in Bezug auf die Freundlichkeit der Leute: „Die Finnen sind eigentlich wie wir Österreicher—zumindest bis sie 10 Bier getrunken haben. Danach sind sie aber richtig nette Menschen."

Auch, wenn ich jetzt keine Repräsentativbefragung mit n = 1.300 für die Gesamtbevölkerung durchgeführt habe, ist es glaube ich halbwegs gesichert, zu sagen, dass wir uns selbst (oder zumindest die etwas ältere Allgemeinheit im Land) projektiv eher als Arschlöcher einschätzen.

Heute, am internationalen "Day of Happiness", könnte man diese Selbsteinschätzung vielleicht um einen kleinen Zusatz ergänzen: Anscheinend sind wir wenigstens relativ glückliche Arschlöcher. Zumindest, wenn man der jüngsten Schwelle an Pharrell Williams-Fanvideos und dem Global Age Watch Index glaubt. Erstere attestieren uns die Bereitschaft zu Hüftübungen auch noch im hohen Alter, zweiterer attestiert uns das Sozialsystem, in dem man sich solche Späße getrost noch erlauben kann.

Aber auch, wenn die derzeitige „Happy"-Schwemme und unser gutes internationales Ranking (immerhin Platz 5 in Sachen Einkommenssicherheit und Platz 11 im Hinblick auf unbeschwertes Altern von insgesamt 91 Plätzen) über die sonstige Frohsinns-Ebbe hinwegtäuscht, sollte man dabei eins nicht vergessen: Nämlich, dass auch altbewährter Grant eine kulturelle Ventilfunktion hat und genauso wenig „natürlich" (oder angeboren) ist, wie US-amerikanische Service-Mentalität, spanische Gastfreundschaft oder italienische Familienbande.

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Außerdem ist es auch eine Kerneigenschaft des mentalitätsprototypischen Österreichers, sich darüber zu beschweren, dass Österreicher sich ständig über alles beschweren—was irgendwie die Neuauflage des alten Paradoxons „Ein Kreter sagt, alle Kreter lügen" ist und es praktisch unmöglich macht, nicht zu den typischen Alpen-Grantlern zu gehören.

Aber es könnte auch viel schlimmer sein. Jeder, der schon mal für länger als die Dauer eines Urlaubs in perfektem Sonnenschein unterwegs war, weiß, dass makelloses Sonnenwetter das Traurigste auf der Welt sein kann, wenn man in ihm schlechte Launen ausbaden will.

Drum feiern wir den internationalen Tag der Fröhlichkeit stilecht und nach Wiener Art mit zwei schönen Videos von zwei Dingen, die kaum jemand anders so glücklich kombinieren kann, wie wir: Öffentliche Verkehrsmittel und handfeste Schlägereien.

Den Anfang macht dieser Saufstreit aus dem letzten Jahr, der in zwei Minuten öfter abklingt und wieder entflammt wie Herpesbläschen im Mundwinkel eines Callboys:

Bemerkenswert finde ich vor allem, wie hier von "Los mi auglahnt" über "Frohe Ostern" bis zum ersten Rückhand-Tätschler die ganze österreichische Katharsis-Palette durch exerziert wird.

Aber der schönste Streit (und gleichzeitig das schlimmste, wenn auch leider einzige Video des Vorfalls) ist wohl dieses Moralstück vom verlorenen Handy im Kaisermühlen-Bus, das zeigt, dass der Frühlingsbeginn kein Garant für frohere Gemüter sein muss:

Die Frage, wer von beiden die profundere Neurose oder das höhere Arschloch-Level hat, ist in etwa wie die, ob der Millennium Falcon oder die Enterprise schneller fliegt: Man kann sie zwar schon beantworten (siehe dazu die wundervolle Herleitung in der Geek-Komödie Zero Charisma), aber gleichzeitig ist die Antwort auf einer viel höheren Ebene wurscht.

Insofern kann man hierzulande seine eigenen Problemchen also getrost am antrainierten Grant seiner Mitmenschen abarbeiten, sich gewissermaßen die Kanten am Widerwillen der anderen glattschmirgeln, und völlig entspannt sein ganz privates Glück finden, ohne dass man seine Umwelt irgendwie daran teilhaben lassen müsste.

Die einen mögen auf "Happy" machen, die anderen behelfen sich währenddessen mit Galgenhumor und fragen, nicht mal rhetorisch: "Sind wir nicht alle ein Haufen von fröhlichen Arschlöchern?" Manchmal macht nämlich allein schon der Fatalismus vergnügt.