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Auf der Suche nach dem schlimmsten Essen der Linzer Altstadt

Nichts sagt so schön Survival-Training wie eine kulinarische Tour durch den Teil von Linz, in den sich sonst nur für Tequila-Shots und Schlägereien vorwagt.

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Hui ist das aufregend. Nach meinem Porträt über den Linzer Meth-Doktor und den Berichten zur Pegida-Demo in Linz beziehungsweise der „Blauen Nacht mit HC Strache" habe mich schon in einer thematischen Sackgasse gesehen: Nazis und Drogen.

Dabei ist doch das Leben in Linz so viel aufregender—und da es seit Neuestem nichts mehr über Frauen zu schreiben gibt, weil die in Oberösterreich anscheinend keine Rolle mehr spielen, habe ich mich aufgemacht, andere tolle Dinge zu entdecken. Und wo lenkt man sich am besten von Politik ab? Richtig: Beim Trinken, und zwar vorzugsweise in der exzessförderlichen Linzer Altstadt. Und was ist das einzige Feld, in dem man nach der letzten Wahl noch Emotionen und (Bakterien-)Kulturen entdecken kann, ohne von Politik belästigt zu werden? Richtig: Die Kulinarik. Und was verbindet beides? Richtig: Essen nach dem Saufen in der Altstadt.

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Die Altstadt ist nämlich nicht nur das Epizentrum des Linzer Nachtlebens, hier passiert nicht nur alles Schlechte dieser Welt (hier wohne also nicht nur ich), hier gibt es auch ganz tolle Lokale mit einem fantastischen Angebot an interessanten Takeaway-Kostbarkeiten. Und das in einer Gegend, über die jeder mindestens eine Geschichte von Mord, Totschlag und Drogenhandel aus beinahe erster Hand erzählen kann.

Die Menüs sind perfekt auf die Gelüste sturzbetrunkener Jugendlicher abgestimmt, die ja bekanntlich nicht so heikel bei der Auswahl ihres Mitternachtsimbisses sind und ihre Gastrokritik gern unverblümt auf das Kopfsteinpflaster kotzen. Hier bin ich letzte Woche auf die Jagd nach meinem Abendessen gegangen. Hier beginnt meine Reise. Für euch.

Grillhendl & Kebab

Erster Versuch: Das Lokal ohne Namen. Oder kann es wirklich sein, dass es Grillhendl & Kebab heißt? Das Lokal macht mir große Freude: Der Betreiber wollte wirklich einen auf schick machen und hat deshalb möglichst große Flächen mit schwarzem Mamor verkleidet. Das sieht man so sonst nur auf Friedhöfen und in Oligarchen-Wohnungen.

Eines ist mal ganz klar: Ich bin nicht dafür zuständig, irgendwem das Leben leicht zu machen und ihm die dritte Fantasiehaube für sein Signature-Gericht zu verleihen. Das wäre zu einfach. Wenn also jemand Kebab (das kann echt fast jeder) und Grillhendl anbietet, dann sage ich: her mit dem Huhn! Und da waren sie. Eine kleine tote Hühnerschaar, direkt aus dem Keller einer Massentierhaltung, rerupft, entdarmt und auf einen Spieß gestochen. Friedlich drehen sie ihre Runden direkt vor meinen Augen. Ich bin fast etwas skeptisch, alles ist viel zu sauber. Ich fürchte schon um meine Story. Kann es sein, dass es doch nicht so schlimm wird? Aber die Angst war völlig unbegründet. Das Huhn wird in zwei Hälften geteilt, eine verbleibt im Grill, die andere wandert … in die Mikrowelle.

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WARUM IN DIE MIKROWELLE? DAS TEIL WAR DOCH AM GRILL…..

Eingepackt und gemeinsam mit einem Hygientuch (Zitrone) eingesackt, trage ich meine Beute nach Hause (50 Meter, das ist alles ganz fair abgelaufen). Fein auf einem Teller angerichtet und selbstredend mit Messer und Gabel, habe ich mich auf den Vogel gestürzt, ganz gespannt auf die Geschmacksexplosion in meinem Mund. Wow.

Schal, wässrig, Haut aus Gummi. Eine Note von Stress. Ich ahne, wie die arme Kreatur ihr kurzes Leben verbracht hat, bevor sie auf dem Spieß gelandet ist. Worcester-Soße zum Nachwürzen muss her. Später in der Nacht erwacht das Huhn zu neuem Leben. Es flattert in meinem Magen und sucht nach einem schnellen Ausweg, schließlich verabschiedet es sich in sehr flüssiger Form in die Kanalisation der Altstadt. Ich bin begeistert. Das verspricht eine wunderbare Woche zu werden.

Sami's Kebab

Am nächsten Tag ist es bei mir—wie so oft—recht spät geworden. Auf dem Heimweg gehe ich bei einem alten Bekannten vorbei, der mir schon oft nach einer durchzechten Nacht den Hunger gestillt hat. Sami's Kebab ist eine Institution am Alten Markt und eigentlich nicht so schlecht. Ein Dürüm mit Schafskäse ist hier kein Risiko. Aber was ist das? Da lugen ja ein paar wirklich armselige Würstel unter einer Alufolie hervor. Kalt schein ihnen zu sein, ganz verschrumpelt ist ihre Haut schon.

Sami hat sie vorgegrillt, weil oft muss es ja schnell gehen, da ist keine Zeit für Spielereien und Kunststücke. Ich bin begeistert und frage, was er mir denn aus den Würsteln feines zaubern kann. Bosna, eh klar, die nehme ich. die kalten schrumpeligen Würstel unbestimmten Alters wandern also gemeinsam mit einem Weckerl in den Salamander, werden kurz aufgewärmt, eingesemmelt, mit No-name-Ketchup übergossen, Kebab-Zwiebeln dazu und Currypulver oben drauf. Fertig. Geil.

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Daheim angekommen, packe ich die Pracht auf einen Teller und koste vorsichtig. Wahnsinn. So schmeckt also der Tod. Da hilft nicht einmal die Worcester-Soße. Wenn man diese Bosna im Gefängnis ausgibt, verstößt man gegen viele internationale Gesetze. Trocken, wurstig, traurig. Zwei Bissen, mehr geht echt nicht. Sami, ich liebe Dich, aber ich bleibe beim Dürüm.

Die alte Stadt

Tag drei und mein vorerst letzter Testtag. Für den Abschluss habe ich mir was ganz Besonderes einfallen lassen. Etwas, das vieles verbindet. Die alte Stadt. In der Mitte der Altstadt gelegen, ein Eckbeisl, dass von einem wirklich zauberhaften Publikum frequentiert wird. Ich hab da keine Stimmzettelauswertung, aber ich vermute, dass der eine oder andere Gast die Regierungsbeteiligung von Heimbuchners FPÖ als Beginn einer großen Zeit empfindet.

Das Lokal ist eine feine Mischung aus Ibiza-Kneipe und Randbezirk Ecklokal, ein Hauch von WC-Stein Geruch verfeinert die Atmosphäre. Besondere Deko-Elemente über der Bar (eine Peitsche und zwei Schlagstöcke) lassen Rückschlüsse auf den subtilen Humor des Betreibers zu. Warum ich gerade hier meinen Gastro-Check beschließe? Spaghetti to go für 1,50 € (in Worten: eins Komma fünfzig Euro).

Das verspricht das Highlight des Tests zu werden. Denn kalkuliert man das mal kurz in Form einer validen Milchmädchenrechnung durch, kommt man darauf, dass nach Abzug von Stromkosten, Abschreibung der Küchengeräte, Arbeitsleistung Plastikgabel und Pappbecher nicht wirklich viel Kapital in die Zutaten geflossen sein kann.

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Während also die eine Kellnerin mit einem Gast schmust und die andere mein Abendessen zubereitet, warte ich sehr gespannt auf das Ergebnis. Zuhause mache ich mich gleich an die Verkostung. Die Nudeln waren vorgekocht und wurden später fertiggekocht. Nicht exakt so, wie es Christian Rach empfiehlt. Die Bolognese war etwas dünn, das Faschierte grau und bröselig.

Kein kulinarischer Hochgenuss, keine Geschmacksexplosion, aber ich muss sagen, wenn man die Rechnung aus dem Hinterkopf vertreibt und nicht weiter über die Zutatenqualität nachdenkt, vielleicht vorher und nacher ein paar Korn kippt, sich mit ein, zwei Horrorfilmen ablenkt und sich eine Sicherheitsnadel durch die Zunge sticht, geht das sogar. Erstaunlich. Trotzdem geht nach ein paar Testbissen der Rest den Weg aller Verdauung-Rückstände und erleichtert drücke ich die Spülung.

Fazit

Eines ist mir nach diesem Foodogeddon klargeworden: Nur, weil man von der Politik sowieso schon Bauchweh hat, heißt das noch lange nicht, dass man vor den Magenkrämpfen und Ekelimpulsen gefeit ist, die einen nach den drei apokalyptischen Gerichten aus dem Linzer Fortgehzentrum überfallen.

Ganz klar: Für den Scheiß bin ich zu alt. Schließlich erneuert sich jede Zelle des Körpers innerhalb von sieben Jahren—und zwar aus dem, was man isst. Und ich will wahrlich nicht zur Reinkarnation von 1,50-Euro-Spaghetti, trauriger Bosna und gestresstem Gummihenderl werden. Wer wirklich gut essen will, sollte vielleicht doch eher ins Muto oder zu by Preslmayr gehen.

Was nicht heißen soll, dass essenstechnische Guilty Pleasures nicht auch ihre Berechtigung haben—immerhin braucht es auch billige Nahrungs-Äquivalente zu billigen Shots und es kann nicht jeder in Geld schwimmen (nicht mal in einer Hacklerstadt wie Linz). Manchmal will man es ja auch dreckig und böse. Mir persönlich ist aber inzwischen trotzdem lieber, wenn damit nicht die Küchen oder die Absichten der Köche gemeint sind.