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Sex

Schluckst du zu viel Viagra, schneiden sie dir den Schwanz ab

Und jetzt stell dir mal vor, die ganze Welt würde darüber lachen. Ja, das ist nicht witzig.

Was ist das Schlimmste daran, wenn dir dein Penis amputiert wird, weil du zu viel Viagra genommen hast? Das Schlimmste ist, dass niemand Mitleid für dich empfindet. Niemand wird dir Karten schicken und dir sein „tiefstes Beileid für deine Entmännlichung“ ausdrücken. Niemand wird dir einen Kranz zum Gedenken an deinen Penis kaufen, denn niemand wird dich als Opfer wahrnehmen. In den Augen der Welt bist du selbst daran schuld, wenn du deinen Pillermann auf die Art verlierst, wie es dem 66-jährigen kolumbianischen Bauern Romeo P. vor drei Wochen passiert ist. Es ist eine der Tragödien, für die du einzig und allein selbst verantwortlich bist. Die frühzeitige Einäscherung deines Penis in einem Ofen für medizinische Abfälle ist der schmerzliche Teil eines Lehrstücks, das so alt ist wie der Garten Eden: Ein Mann ist gierig nach Lust und hat zu viel Spaß. Aus Märchen wissen wir, wie es Leuten ergeht, die zu viel Spaß haben, nämlich nicht gut. Mit dem Verlust des Gesichts, des Lebens—und zuweilen eben auch mit dem Verlust des Geschlechtsorgans.

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Wenn du das nächste Mal auf eine Story über einen von jenen Typen stößt, die zu Opfern ihres Viagra-Vorrats wurden, dann denk noch einmal kurz darüber nach, bevor du sie mit dem Betreff „Looooooooool“ an deine Freunde weiterleitest. Versuche, dich in die Situation hineinzuversetzen. Versuche, dir vorzustellen, wie es ist, deinen neuen Stummel über die Kloschale zu manövrieren, unzählige Anrufe von medizinischen Dokumentarfilmern abzuwimmeln und über nichts anderes als diesen Albtraum nachdenken zu können, der zu allem Überfluss auf der ganzen Welt verbreitet wird.

Der Wandel vom notgeilen Stelzbock zum öffentlichen Vollidioten scheint kein Einzelfall zu sein, wobei man zugeben muss, dass die Einzelheiten dieses letzten Viagra-Falls weltweite Beschämung hervorriefen. „Ich habe die Pille Samstag um sieben Uhr abends genommen. Um neun Uhr hatte ich solche Schmerzen, dass mein Nachbar mich ins Krankenhaus fahren musste“, erklärte Romeo letzte Woche einem Journalisten von La Nación. Seine Horrorgeschichte wurde sofort von Reuters aufgegriffen und über alle Nachrichtenkanäle der Welt verbreitet. Der Tenor der in den verschiedensten Sprachen verfassten Meldungen war: „Hahahahaha, seht mal, was dieser Vollidiot angestellt hat.“

Die Mäuse der Leute da draußen schwirren noch unschlüssig durch das Internet auf der Suche nach noch härterem Trash. Am schlimmsten Tag deines Lebens—am Tag deiner Penisamputation—wird deine eigene zumindest zur Ruhe kommen. An dem Tag, an dem du mit dem Bus durch die Stadt fährst, an dem du in deinem Mantel schwitzt, den du angezogen hast, um deinen beträchtlichen Ständer zu verbergen, der noch immer wie ein Feuer in deinem Unterleib brennt. Du leidest unter deinem Schlafmangel und fühlst dich neben all den Proleten, die im Bus ihre Alltagsgespräche führen, schwach. Dein ständig kratzig-trockener Hals ist eine Nebenwirkung der Überdosis.

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Die Maus klickt. Die Geschichte wird geladen und die Welt beginnt zu lesen: „Mr. P. sagt, er habe 2.500 Pesos [umgerechnet weniger als einen Euro] für die Pillen bezahlt …“ Die einzig sichtbare Reaktion an dieser Stelle ist ein leichtes Öffnen des Mundes, das erste verschlagene Anzeichen eines amüsierten Grinsens. „Als er im Krankenhaus angekommen war, teilten die Ärzte dem Rentner mit, dass eine Amputation die einzige Möglichkeit sei, um die sich entwickelte Entzündung und den Wundbrand daran zu hindern, sich auf andere Körperteile auszubreiten.“

Es wird erwähnt, dass Romeo seine neue Freundin beeindrucken wollte. Der dünne Bart des Arztes und seine ungewöhnlich kleinen Hände werden jedoch übergangen. Ebenso sein schroffes Verhalten und der Geruch von Desinfektionsmittel, der von ihm ausgeht. „Es tut mir leid“, sagt er, während du im Untersuchungsraum vor ihm sitzt, vollständig erigiert, halbnackt und restlos erniedrigt. „Er muss entfernt werden.“ Niemand wird jemals erfahren, dass du in den Stunden, bis die Trage gefunden, der Narkosearzt herbeordert und das Skalpell sterilisiert wurde, alle sieben Phasen der Trauer durchlaufen hast.

Gibt es wirklich nichts, was Sie machen können? Sind Sie sicher? Sind Sie sich wirklich absolut sicher? Geht es um Geld? Ich habe Geld. Um Himmels willen, ich habe ein Haus. Ich könnte es verkaufen, wenn das was bringen würde. Geld spielt keine Rolle … Bitte! „Es tut mir leid“, sagt er. „Es ist keine Frage des Geldes.“ Dein Blut gefriert dir in den Adern. Du gerätst in Panik. Passiert das gerade wirklich? Und dann—

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Die Maus klickt weiter. Katy Perry hat anscheinend ein neues Video rausgebracht, das „Wrecking Ball“ alt aussehen lässt. Die letzten drei Paragraphen bleiben ungelesen.

Während du weiter gegen Depressionen, Selbstmordgedanken und ein gegen null sinkendes Selbstwertgefühl ankämpfst, tröstest du dich mit dem Wissen, dass die Mikrosekunden Freude, die deine Story bei Millionen von Lesern weltweit bewirkt hat, in ihrer Summe dem Glück eines stolzen neuen Vaters entspricht. Oder dem Glück eines Menschen, der gerade 150.000 beim Lotto gewonnen hat. Das war dein Geschenk an die Welt—und trotzdem gibt es keine Karten für dieses Organ in der Größe einer Spitzmaus, das in den letzten Tagen so viele Menschen berührt hat. Und keine Kränze. Aber immerhin warst du verantwortlich für eine kleine Summe von Glück, das im Universum freigesetzt wurde. Das ist ein beruhigender Gedanke. Auch wenn es der einzige dieser Art ist.

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