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Popkultur

,Broad City’ sagt: Du bist deiner Stadt egal

Wenn ihr es satt habt, dass New York immer so romantisiert wird und richtig kaputte Mädchen in der surrealen Großstadt lustiger findet, empfehlen wir euch Abbi und Ilana.

Ilana hat  Locken wie Curly Sue, eine fette Portion Scheißdrauf-Attitüde, die einem selbst manchmal fehlt, und irgendwie etwas Vertrautes. Wie jedes Mädchen, das Mitte Zwanzig bereits die Motivations-, Drogen- und Alkoholprobleme eines Sandlers Ende Vierzig aufweist, fasziniert sie mich. Sie verkörpert perfekt eine „Broad", wie man sie auch doppeldeutig aus dem Serientitel von Broad City herauslesen kann. Ich konnte die erste Staffel nicht aufhören zu bingen und habe einiges übers Leben in der Großstadt gelernt.

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Es ist echt sympathisch, wie unglaublich ungebremst die Protagonistinnen Ilana und Abbi in ihren Handlungen sind und uns New York von seiner versifften Vorschlaghammerseite präsentieren. Ilana wird eingeführt, während sie mit ihrer besten Freundin Abbi via Skype die Abend-Partyplanung diskutiert und dabei unbemerkt Sex hat-und zwar reitend auf dem genialen [Hannibal Buress](http:// https://www.youtube.com/watch?v=BklmMSEYRgk).

Abbi dagegen scheint auf den ersten Blick die Rationalere der beiden zu sein-obwohl sie neben dem soziopathischen Freund ihrer Mitbewohnerin, bei dem niemand so genau weiß warum ER eigentlich bei Abbi wohnt, einen ziemlichen Schaden, tausend Komplexe und schwere Nachbar-Obsessionen aufweist.

Rollenzuordnungen halten nicht lange in Broad City. Wenn man einfach auf gut Glück in die Serie einsteigt, weil man alle Folgen von GIRLS durch hat und was Neues mit urban-hohem Östrogenspiegel braucht, hat man spätestens nach 10 Minuten begriffen, dass der Sprung von Lena Dunham zu Abbi und Ilana ziemlich weit ist.

Die Welt braucht aber schließlich auch kein zweites  GIRLS. Trotz ähnlich direkt gefilmter Sexszenen oder den Coming Of Age-Herausforderungen-was in Broad City eher Essen aus Mülltüten oder das Gangsta-im-Musikvideo-Gefühl beim Einlösen von fetten Checks auf der Bank umfasst-sind Abbi und Ilana die kaputten Weirdos und Kiffer, die höchtens im Hintergrund von Hannas Welt verkatert vorbeischlurfen und niemals bei den coolen Bobo-Lagerhauspartys reingelassen werden würden.

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Ich finde  Broad City und deren überzeichnet ungustiöse Darstellung von New York richtig super.UnattraktiveAbsurdität regiert die Großstadt anstatt dem ganzen Gefühls-Wirr-Warr in einer Märchenwelt voller spannender Menschen. Die Hälfte von uns sind einfach Penner und wir haben meistens kein Geld. Das wunderbar sanfte Wesen des modernen, urbanen Mädchens, das wie ein Weichzeichner-Effekt alles umwabert, gibt es in Broad City schlichtweg nicht. Wenn geträumt wird, dann ist daran nichts niedlich. Wenn doch, gibt es mit Sicherheit ein böses Erwachen oder einen ekligen Mitbewohner, der dich beim Schlafen beobachtet hat. Das gefiel wohl auch Amy Poehler, die man aus Parks & Recreation eigentlich als große weibliche Comedy-Göttin kennen MUSS, sich in den Anfängen von Broad City finanziell für die vormalige Webserie stark gemacht hat und mittlerweile auch Produzentin der Show ist.

Zum Teil muss man zweimal hinsehen, um zu kapieren, mit welcher Sorte Humor man es hier zu tun hat. Ich meine, ich habe mir noch nie versehentlich ein Krustentier-Allergie-Antigen ins Bein geschossen, als ich versuchte, meine beste Freundin vom anaphylaktischen Schock zu retten nur um Bärenkräfte zu entwickeln und sie quer durchs Restaurant zum Krankenwagen zu tragen-wie ein rotgeschwollener Hulk.

Schwer verstörend wirken die Schauspielerinnen, die um uns das Leben zu vereinfachen, auch wirklich Ilana und Abbi heißen, wenn sie in Kiffserien auf Youtube von Mädchen reden, die sich mit Koks die Klitoris runtergebrannt haben, und dadurch die Grenzen zwischen Figur und Darstellerin im Rauch verpuffen.

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Bleiben wir bei diesen „Girls"-Serien. Ich finde es irritierend, dass Inszenierung und Kamera in Serien wie Two Broke Girls oder New Girl so dermaßen clean gestylte Ästhetik erzeugen, dass sie sofort Zuschauerdistanz evoziert. Vom Einschlafen am Klo bis zur Analyse „hauseigener" Hämorrhoiden beim Tierarzt, gerne mal nur mit Handkamera und natürlichem Licht gefilmt, sind da in Broad City mehr als erfrischend. Too much information? Dann schau halt weg, du feige Sau.

Manche Szenen könnten dann wiederum aus Akte X oder Synecdoche: New York entlehnt sein. Ein Paket-Service in einem Warenhaus am Arsch der Welt, in dem eine fast mumifizierte alte Dame, die wie David Lynchs Urgroßtante ausschaut, dein Paket nicht rausrücken will.Da sind wir schon fast bei einem Alltags-Surrealismus wie in Louie, der der Umständlichkeit der Steuererklärung oder des Kabelanschlusses, denman kündigen will, den notwendigen Humor verleiht.

In Broad City ist man mitten in einem New York, dem es eigentlich scheißegal ist, ob du der Künstler bist, dessen Burgerbilder an der Wand in der Kneipe hängen oder der dreckige Dealer, der im Central Park dem Sitznachbarn Salat aus dem Plastikteller klaut. Du bist nicht das süße, spannende Zentrum der Metropole, nein, du bist der Stadt einfach nur wurscht. Sie dir aber nicht. Und genau deshalb funktioniert Broad City. Jedenfalls für diejenigen von uns, die in Städten leben, denen wir scheißegal sind.

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