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Popkultur

Ein Abgesang auf Bernhard Willhelm: Show Angewandte 14

Eine Show voller Überraschungen und Busen als Schwanengesang der bunten Willhelm-Ära.

Kresse auf dem Kopf zu tragen ist nicht nur praktisch, sondern schaut irgendwie auch gut aus. Wir mochten die Kollektion!

Zusammenfassend kann man sagen, dass es sicher nicht die beste Show der Modeklasse der Angewandten war. Das war zumindest der Konsens unter den Insidern sowie den Zaungästen und ging als leises Raunen von der VIP-Lounge bis zu den Sitzreihen der einfachen Leute. Waren die Erwartungen zu hoch gesteckt? War es der Schwanengesang der bunten Willhelm-Ära? War nach fünf Jahren schlicht und ergreifend die Luft raus?

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Dabei hat alles so gut angefangen da draußen in der Rinderhalle in Erdberg. Die ehemaligen Schlachthöfe Wiens eignen sich offensichtlich ganz hervorragend für schicke Events aller Art und es gab zum Glück nur vereinzelt einige Rückständige, die blöd genug waren, aus Gewohnheit (oder militantem Vegetarismus) in die Ankebrot-Fabrik zu fahren. Ja, wir sprechen hier von uns!

Zu jeder gelungenen Show gehören Boobs. 2014 war also ziemlich erfolgreich.

Zu Beginn hielt wie immer Rektor Gerald Bast seine einführende Rede und verlieh dann im Anschluss die diesjärigen Preise. Es war bezeichnend, dass niemand aus der Diplomklasse gewonnen hat, aber dazu gleich noch ausführlicher. Simon Grundtner aus dem 2. Jahrgang gewann den Indie-Preis—diesmal kein riesiges Stofftier sondern die harte Währung Alkohol—für seine Kollektion „OUT OF SERVICE“, eine geschickte Mischung aus Wiener Zuhälter und 90er Jahre Boyband-Charme.

Das Adlmüller-Stipendium, bei dem Bast wie immer resignierend anmerkte, dass es letztes Mal höher dotiert war und so immer den Hauch einer politische Note in die Eröffnung bringend, ging an Lila Johns Plüsch-Puderquasten „The future always comes too fast and in the wrong order“, aber auch zu dieser verwirrenden Beschreibung gleich mehr.

Lila John hat nicht nur das Adlmüllerstipendium sondern auch unsere Herzen gewonnen.

Wolfram war zuständig für die musikalische Untermalung und hat nach Bernhard Willhelms Wunsch einen seelenschmeichelnden Soundtrack zusammengestellt. Walgesänge und Hörkassetten für transzendentale Meditation hieß das Motto. Es sollte das Publikum wohl milde stimmen.

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Gegen schlechte Laune wurde zusätzlich in regelmäßigen Abständen ein „Anti Bad Vibes Shield“ über den Laufsteg geschickt. Dabei wäre das beim 2. Jahrgang noch gar nicht notwendig gewesen. Yuhei Mukai hat schon ganz genau gewusst, welche Stellen er richtig eng schnüren musste und welche Stoffstücke er am besten ganz weglassen sollte, um uns glücklich zu machen.

Anfangs fanden wir die Kollektion von Attila Lajos ziemlich abscheulich—2 Minuten später wollten wir Romeo + Juliet sehen.

Die mit Abstand meisten Präsentationen kamen aus dem dritten Jahrgang. Hier gab es einige richtig solide Darbietungen und klassische Füller. Manche Kollektionen konnten uns ein anerkennendes Nicken entlocken, andere haben uns begeistert. Immer wieder hörten wir, dass etwas zu kommerziell, zu wenig mutig oder innovativ gewesen wäre, aber man kann es ja offensichtlich niemandem recht machen.

Gerade die letzten Jahre schien das Gegenteil ein beliebter Vorwurf gewesen zu sein, nämlich, dass es zu wenig straßentauglich sei. Nehmen wir zum Beispiel Axel Berner-Eydes Kollektion oder auch Mila Petrova und Claus Bukowsky: keine super-absurde Mode, schöne Details und trotzdem ausgefallen. Ist es nicht eigentlich das, was einem Modestudenten nach dem Abschluss Arbeit bringt? Wie viele von den Studenten schaffen es, ihr eigenes Label zu gründen und davon leben zu können? Wie viele wollen das überhaupt? Außerdem gab es ja trotzdem von allem etwas: Bunter Wahnsinn von der oben erwähnten Lila Johns, eine superschwülstige Hymne an Leonardo di Caprio bei Attila Lajos—zum Abschluss sogar mit kleinem Hitler-Bärtchen. Zu bedenken ist auch, dass diese Studenten noch 1 bis 2 Jahre vor sich haben, jetzt sogar unter neuer Führung. Eine Umstellung, die einigen schwer fallen könnte.

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Auch Popos kamen wie jedes Jahr nicht zu kurz.

Bei den Diplomjahrgängen blieben dieses Jahr die großen Highlights aus. Ken Kumagais Kollektion „Three Out Change“ war wie immer konsequent, ausgesprochen detailverliebt, und mit allerlei entzückendem Firlefanz. Es ist nicht die originellste Idee, sich des Themas Baseball anzunehmen, aber wie wir jedes Jahr sehen, kann unbedingte Innovation oft ganz schön fies nach hinten losgehen. Trotzdem wird genau das immer wieder versucht—und obwohl es einigen wenigen auch gelingt, scheitert die Mehrzahl grandios.

Markus Karkhof hatte diese hohen Ansprüche: Eine geschlechtsneutrale, perfekte Uniform für den heutigen Menschen, bestehend aus—wie kann es anders sein—Jeans, T-Shirt und Kapuzenpulli. Praktisch, billig, bequem und etwas überflüssig, weil ohnehin total allgegenwärtig. Eine konzeptuelle Kollektion, deren Stolperstein die Einfachheit des Konzepts und die fehlende Extravaganz der Ausführung war. „Unisex und Uniform“ scheint uns nicht herausragend innovativ zu sein. Auch Mario Gamser versuchte sich am neuen geschlechtslosen Menschen und stattete seine Modelle ein wenig uninspiriert mit Häkeltops in naturweiß aus. Die Studenten des Diplomjahrgangs sind zuvor eher hervorgestochen als untergegangen. Ronja Stahls geometrische Mode vor zwei Jahren bleibt unvergessen. Auch Takahiro Ueno war bisher immer einer unserer Favoriten. Es schien als wollten die Diplomanden sich ausgerechnet im letzten Jahr von Bernhard Willhelm emanzipieren und als ob ihnen dabei einfach die Führung abhandengekommen wäre.

Sieger in der Kategorie Unbeweglichkeit und Weirdness: Yuhei Mukai.

Die große Frage bleibt also, wie Hussein Chalayan nächstes Jahr diesen wunderbaren Chaoshaufen führen wird.