Sein Dokumentationsprojekt wurde für Pietro Romeo zu Lehrstunden in Sachen "Leben".Als der Italiener nach Berlin kam, sprach er kein deutsch, fand kaum Anschluss, war allein. Am zweiten Tag nach seiner Ankunft beschloss er, sich in ein Berliner Eckbeisl zu setzen und bei einer Tasse Kaffee die Menschen zu beobachten.Das Unaufgeregte der Leute, ihr Nicht-um-jeden-Preis-etwas-darstellen-Wollen, die Herzlichkeit: Schnell wusste Pietro, dass er mit einer Kamera an diese Flecken der Ruhe zurückkehren musste. Auch deshalb, weil ihm klar war, was Gentrifizierung für Orte wie diese bedeutet. "Mein Ziel war es, diese Welt vor dem Vergessen zu bewahren—oder besser: die Menschen darin."
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Von Norden nach Süden, von Westen nach Osten und durch die Mitte Berlins hindurch graste Pietro mit Hilfe seiner Freundin Elena Amabili all die Ecklokale der Hauptstadt ab und schnell war klar, dass das Projekt mehr als nur die bloße Dokumentation eines aussterbenden Milieus werden würde. Die Gespräche mit den Kiez-Originalen wurden zur Lebenslektion. "Sie lehrten mich, dass uns erst Imperfektion interessant macht. Und dass der beste Weg, sein Leben zu leben, in der Verfolgung dieser Imperfektion liegt."Dabei entdeckte Pietro, dass Resignation auch eine gute Seite haben kann: "Wenn der Großteil deines Lebens hinter dir ist, kannst du aufhören, dich abzuhetzen, und musst nicht frustriert über Fehlschläge sein. Du kannst aufhören, an deinen persönlichen Jesus zu glauben (Job, Geld, Sex, Drogen, Liebe, Erfolg), genauso wie du nicht mehr jeder Episode deines Lebens eine idiotische Bedeutung beimessen musst. Wenn du alt wirst, erkennst du, dass du nicht mehr der Mittelpunkt des Universums bist, und das ermöglicht dir, andere Menschen um dich herum mehr zu schätzen und lieben." Auch deshalb sind wohl Eckbeisl so gesellige Orte: Wer sich nicht mehr als Zentrum des Universums sieht, bekommt mehr Platz für Andere.Mehr von Pietro findet ihr hier.