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Die Sowjetunion hat einen Haufen atomares Gerät im Meer versenkt

Bis in die frühen 1990er verwendete die Sowjetunion die Barentssee und Karasee als Müllhalde. Nun wollen Energieunternehmen in diesen Gebieten nach Öl und Gas bohren.

Foto: A. Solomonov | RIA Novosti Archiv, Bild #47532 | CC-BY-SA 3.0

Die Katastrophe im ukrainischen Tschernobyl im Jahr 1986, bis heute einer der schlimmsten Atomunfälle der Geschichte, führt uns die Risiken der Energiegewinnung durch Atomspaltung vor Augen. Aber das ist nicht der einzige Atommüll, den die Sowjetunion hinterlassen hat. Entlang des Meeresbodens unter den kalten Wogen der Arktis liegen Atom-U-Boote und Reaktoren, die dort von den Sowjets bis in die frühen 1990er abgeladen wurden.

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Nun da Energieunternehmen in diesen Gewässern bohren wollen, zeigt sich die russische Regierung interessiert daran, ihren Atommüll zu beseitigen. Doch nach Jahrzehnten auf dem Meeresboden sind einige der gefährlichsten Teile zu instabil, um sie zu beseitigen, denn es besteht das Risiko, dass radioaktives Material austritt, was den kommerziellen Fischfang zum Erliegen bringen und marine Ökosysteme zerstören könnte.

„Reaktoren zu nehmen und den Boden aus seinen Schiffen schneiden, damit sie auf den Grund sinken können, ist so ziemlich das Unverantwortlichste, was man mit radioaktivem Müll tun kann", sagte Jim Riccio, ein Atomexperte bei Greenpeace, zu VICE News. „Es hat in diesem Land einiges an seltsamem [Verhalten] gegeben, wo wir damit auch nicht so gut umgegangen sind, aber nichts, was dem Verhalten der Sowjets nahe käme."

Vor dem London-Übereinkommen von 1972, einer internationalen Übereinkunft, die das Abladen von Müll im Meer verbot, stand es den Ländern frei, die Meere als Halde für Atommüll zu verwenden. Obwohl die Sowjets die Vereinbarung Ende der 1980er unterschrieben, gewährten sie der Ländergemeinschaft erst nach dem Ende der UdSSR Einblick in das Ausmaß der arktischen Müllbelastung.

„Es könnte Folgen für die Umwelt haben, wenn etwas schiefgeht."

Vor zwei Jahren gab die russische Regierung eine Übersicht heraus: 2 U-Boote, 14 Reaktoren—von denen 5 verbrauchten Kernbrennstoff enthalten—, 19 andere Schiffe, die mit radioaktivem Müll an Bord versenkt wurden, und etwa 17.000 Container voll Atommüll. Die letzte bekannte Abladung fand 1993 statt.

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Besonders besorgniserregend sind die zwei U-Boote, das K-27, welches 1981 in der Karasee versenkt wurde, und das K-159, das 2003 während des Schlepps zur Abwrackung in der Barentssee versank. Nach einer Expedition zum K-159 vergangenen Sommer schlossen die russischen Behörden, es gebe keine ungewöhnliche Radioaktivität.

„Von diesem U-Boot kam keine zusätzliche Strahlung", erzählte Nils Bohmer, Atomexperte bei der Bellona Foundation, einer norwegischen Nonprofit-Umweltschutzorganisation, VICE News. „Doch später sagten die russischen Behörden, es müsse innerhalb der nächsten 10 oder 15 Jahre entschieden werden, ob das U-Boot geborgen werden solle oder nicht."

Die Barentssee grenzt sowohl an Norwegen als auch Russland und ist für die norwegische Fischfangindustrie unentbehrlich. Östlich davon, vor der Küste Sibiriens, liegt die Karasee.

Das K-27 habe stark angereichertes Uran an Bord, so Bohmer. Meerwasser könnte den Reaktor korrodieren und sogar eine atomare Kettenreaktion auslösen. Meeresströmungen in diesen Gewässern verlaufen ostwärts, sodass jegliche Kontaminierung sich von den aktiven Fischereien der Barentssee entfernen würde, dafür aber letztendlich in US-Gewässern enden könnte.

Von dem U-Boot K-159 geht aufgrund des Verfalls des Reaktorbehälters das Risiko einer „Umweltkatastrophe" aus, so Greenpeace Russia. Jedes Leck des K-159 würde sowohl die russische als auch die norwegische Fischerei betreffen, sagte Bohmer.

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Doch die U-Boote zu entfernen, birgt dank Jahren der Salzwasserkorrosion eigene Risiken.

„Wenn die Russen das Geld hätten, dann würden sie die Bergung einfach einleiten", sagte Bohmer VICE News. „Aber ich halte es für wichtig, dass sie vor der Bergung eine Risikoanalyse vornehmen. Es könnte Folgen für die Umwelt haben, wenn etwas schiefgeht."

Die norwegische Regierung habe im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte mehr als 126 Millionen Dollar in russische Atomsicherheitsprojekte investiert, so das norwegische Amt für Strahlenschutz.

Die 17.000 abgeladenen Container sind auch ein potentielles Desaster, da sie für Ölfirmen, die in dem Gebiet bohren wollen, ein Minenfeld darstellen—besonders, da die genauen Koordinaten der meisten Container unbekannt sind.

Wenn der Müll nicht geborgen werden kann, dann könnte er mit Abdeckungen geschützt werden, die das radioaktive Material im Falle eines Lecks eindämmen. Doch die Suche nach einem Material, das eine ähnlich lange Lebensdauer hat wie Atommüll, ist ein großes Hindernis.

„Ich bezweifle stark, dass es möglich ist, etwas am Meeresboden zu bauen, das so lange hält, wie es nötig wäre", sagte Bohmer VICE News. „Ich hoffe, es ist möglich, diese U-Boote zu bergen. Doch es ist ein ziemlich langwieriger Prozess. Man muss jetzt schon die Risikoanalyse anfangen."