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Interviews

„Ich habe immer versucht, ein gewisses Image zu inszenieren“—Ein Interview mit Stefan Petzner

Stefan Petzner über Flügelschuhe, Verschwörungstheorien und darüber, ob man beim Team Stronach überhaupt noch etwas retten kann.

Alle Fotos von Kurt Prinz

Die öffentliche Figur Stefan Petzer ist allgemein bekannt und geistert seit Jahren durch Öffentlichkeit und Medien. Für die einen ist er ein komischer Kauz mit exzentrischem Kleidungsstil, für die anderen ein genialer Selbstdarsteller, aber so oder so hat er es geschafft, stets im Gespräch zu bleiben. Nachdem er von Jörg Haider als Pressesprecher in die Kärntner Landesregierung geholt wurde, ging seine Karriere erstmals steil bergauf und katapultierte ihn in die verschiedensten politischen Funktionen seiner Partei.

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Letztendlich verbaute er sich jedoch primär mit seinen emotionalen Auftritten den weiteren politischen Aufstieg. Diese brachten ihm jedoch auch hohe Sympathiewerte in weiten Teilen der Bevölkerung ein. Insbesondere seine Trauerrede zum Unfalltod Jörg Haiders bleibt im Gedächtnis und machte unter anderem den Ausdruck „Lebensmensch“ zum österreichischen Wort des Jahres 2008. 2013 kam der Parteiausschluss aus dem BZÖ wegen „parteischädigenden Verhaltens“.

Vor kurzem wurde bekannt, dass sich Petzer gemeinsam mit seinem ehemaligen BZÖ-Kollegen, Heimo Lepuschitz, in Wien selbstständig gemacht und die PR-Agentur „petzner lepuschitz communications" gegründet hat. Als einer der ersten Kunden wurde das Team Stronach in Kärnten gewonnen, die in einer Aussendung schreiben, die Agentur werde die „Interessesgemeinschaft im Landtag in Marketing-Fragen und die Landespartei in Bezug auf politische Strategien und Zukunftsthemen“ beraten.

Ich habe mit Stefan Petzner über seine Flügelschuhe, Verschwörungstheorien zum Tod Jörg Haiders, Märtyrertode und darüber geredet ob man beim Team Stronach überhaupt noch etwas retten kann.

VICE: Sie haben sich aus der aktiven Politik zurückgezogen. Fühlen Sie sich als PR-Berater jetzt wohler? Immerhin stehen Sie jetzt nicht mehr direkt in der Schusslinie.
Stefan Petzner: Wo man sich wohler fühlt, kann man, glaub ich, erst nach einiger Zeit beantworten. Ich war 10 Jahre in den verschiedensten Funktionen politisch tätig, die PR-Firma mache ich erst seit ungefähr einem Monat. Das ist ein zu kurzer Zeitraum, um einen Vergleich ziehen zu können. Was für mich immer klar war ist, dass ich nicht ewig in der aktiven Politik bleiben möchte und 10 Jahre sind—glaube ich—ausreichend.

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Glauben Sie, dass Ihr Parteiausschluss Auswirkungen darauf hat, wie Ihre PR-Agentur gesehen wird?
Nein, ich bin dankbar für den Ausschluss, ich finde ihn sogar super. Wenn man ausgeschlossen wird, braucht man sich nicht ständig von seiner Partei zu distanzieren. Ich bin damals in diese Parteisitzung mit der Gewissheit gegangen, dass es für meinen weiteren Wegnur helfen kann, ausgeschlossen zu werden, zumal es sich um eine Partei handelt die ja nicht einmal mehr im Nationalrat sitzt. Wäre ich nämlich selbst ausgetreten, hätte es wahrscheinlich niemand wirklich mitbekommen. So weiß es ganz Österreich und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich parteifrei bin und eine Parteifreiheit besitze—das ist mir sehr wichtig. Außerdem habe ich schon damals meine Job-Pläne gehabt. Somit hat es mir ganz gut ins Konzept gepasst.

Aber mit dem Team Stronach vertreten Sie ja wieder eine politische Partei.
Ich vertrete keine politische Partei, sondern ich berate eine politische Partei. Das ist ein essentieller Unterschied. Vorher gab es den politischen Stefan Petzner, jetzt den Unternehmer Stefan Petzner. Aber jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht immer der Stefan Petzner sage. Sonst heißt es wieder, dass ich NLP anwende.

Wird Ihnen denn manchmal unterstellt, dass Sie NLP anwenden?
Nein, aber manche Journalisten, wie etwa Florian Klenk vom Falter, regen sich immer so auf, wenn man von sich in der dritten Person spricht.Und ich will ja den Herrn Klenk nicht unnötig ärgern.

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Kann man beim Team Stronach überhaupt noch etwas retten? Es hat ja nicht gerade den besten Ruf.
Man muss klar unterscheiden zwischen der Bundespartei und der Kärntner Landespartei. Ich bin von der Kärntner Landespartei engagiert, nicht von der Bundespartei und somit zuständig für das Bundesland Kärnten. Wichtig ist für mich, dass ich eine Zusammenarbeit für fruchtbar und gewinnbringend für beide Seiten halte. Ich glaube, dass man aus dem Team Stronach in Kärnten, mit Gerhard Köfer als Landesrat, etwas machen kann. Deshalb habe ich diese Aufgabe übernommen. Natürlich muss man aber auch sagen, dass sich die Kärntner Landespartei in einer völlig anderen Situation befindet, als noch bei der Landtagswahl 2013, wo es noch den Gründungshype gab. Das war noch zu einem Zeitpunkt als Frank Stronach seine Auftritte bei den TV-Duellen, die ihm massiv geschadet haben, noch nicht hatte und die Abwärtsspirale noch nicht einsetzte. Die heutige Situation ist mit der Situation 2013 also nicht vergleichbar. Die Herausforderung ist größer beziehungsweise die Aufgabenstellung, hier Erfolg zu generieren, viel diffiziler. Der Prozess ist ein langfristiger und es wird nicht von heute auf morgen gehen, sondern Zeit brauchen. Aber ich glaube, dass es funktionieren kann, sonst hätte ich nicht angenommen.

Das heißt Sie können die Sachen der Landespartei von der Bundespartei komplett abkoppeln? Der Nationalratsabgeordnete Robert Lugar etwa suchte einen Assistenten, dessen politische Überzeugungen „nicht relevant“ seien und auch politische Kenntnisse „nicht vorausgesetzt“ werden.
Die Bundespartei geht mich nichts an. Ich bin ausschließlich für die Landespartei zuständig. Die Kärntner fahren ihren eigenen Kurs und haben ihre eigenen Leute.

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Ich glaube halt, dass oft alles in einen Topf geworfen wird und so wahrgenommen wird als …
… als wäre es bundesweit, ja. Aber wir sind regionalpolitisch auf Kärnten beschränkt und wichtig ist für das Team Stronach Kärnten, innerhalb von Kärnten politischen Erfolg zu generieren. Die Leute können dann schon sehr genau unterscheiden, wer was ist, da darf man die Wähler nicht unterschätzen. Die wissen schon ganz genau: Das ist die Bundespartei mit Nachbaur, das ist die Kärntner Landepartei mit Köfer. Wir werden aber dennoch in einem ersten Schritt diesen Unterschied auch optisch klar zum Ausdruck bringen.

Muss man das Weltbild der Leute, die man vertritt, überhaupt selbst vertreten?
Ich glaube grundsätzlich, dass es einen gewissen demokratischen Rahmen gibt, in dem man sich bewegen kann. Der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol hat einmal den berühmten „Verfassungsbogen“ strapaziert. Alles was innerhalb dieses Verfassungsbogens ist, ist für mich möglich und alles was außerhalb ist, wie etwa irgendeine rechtsextreme Partei—etwa die NPD—oder eine linksextremistische, für solche würde ich nicht arbeiten, egal was sie zahlen. Aber nochmals: Ich bin ich kein Politiker mehr, sondern Wähler und ich nehme von meinem Wahlrecht Gebrauch. Aber da ich meinen Hauptwohnsitz nun in Wien habe und beruflich in Kärnten berate, gibt es auch hier keinen Interessenkonflikt.

Ein Beispiel: Der Team-Stronach-Mandatar Marcus Franz agiert ja auch in diesem Verfassungsbogen, war aber mit Aussagen in den Medien, wonach Homosexualität eine „Anomalie“ wäre und freiwillige Kinderlosigkeit „amoralisch“. Würden Sie ihn als Kunden annehmen?
Als Agentur kann ich politische Aussagen, Aktionen, Meinungen des Team Stronach nicht kommentieren. Das wäre unseriös.

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Das war ja auch im Sinn vom „Verfassungsbogen“ gefragt.
Das Team Stronach ist demokratisch gewählt und sitzt im Parlament. Da ich das Engagement vom Team Stronach in Kärnten nicht abgelehnt habe, ist die Frage mit dem Verfassungsbogen beantwortet. Politische Kommentierungen und Wertungen des Team Stronach nehme ich nicht vor.

Ich persönlich habe Sie vor allem als Spezialisten der „Eigen-PR“ mitbekommen. Wie glauben Sie hat sich dieses bunte, aus dem klassischen Rahmen fallende Auftreten auf Ihr Image als Politiker ausgewirkt?
Ich bin der Meinung, dass eine gewisse Inszenierung der Person dazugehört. Wenn man Politiker wird, ist das ja auch eine ganz bewusste Grundsatzentscheidung den Weg in die Öffentlichkeit anzutreten und natürlich ist bei dieser Inszenierung meiner eigenen Person sehr vieles mit gewissen Hintergedanken geplant.

Zum Beispiel Ihre Flügelschuhe?
Bestes Beispiel. Die habe ich nicht angezogen, weil es gerade lustig war, sondern da standen Motive und Absichten dahinter. Ich habe immer versucht, unabhängig von meiner Rolle als Politiker, ein gewisses Image zu inszenieren, zu kreieren und darzustellen. Das mache ich bis heute und das funktioniert auch ganz gut. Dass es nicht immer zur Freude des BZÖ oder des Parteiobmannes Bucher war, das mag schon sein, aber das war mir in diesem Fall auch egal. Ich habe versucht die politische Arbeit mit einer gewissen Form der persönlichen Inszenierung zu verbinden—im Wissen, dass der Politiker Stefan Petzner ein Ablaufdatum hat. Ich wollte die Zeit, die ich im Parlament habe und mein Mandat also auch dazu nutzen, um meine eigene Person in der medialen Öffentlichkeit zu platzieren und mein eigenes Image in der Öffentlichkeit zu kreieren, um langfristig gesehen—über die politische Karriere hinweg—noch davon zu profitieren. Auch das hat funktioniert und davon zehre ich ja noch bis heute—etwa bei Firmengründungen. Es gibt 183 Abgeordnete im Nationalrat, von denen viele bei der letzten Wahl aus dem Parlament ausgeschieden sind und viele von ihnen auch Unternehmen gegründet haben—interessiert nur leider niemanden. Die sind irgendwo abgetaucht und die hat auch vorher keiner gekannt. Den Petzner aber kennt man. Das war mir wichtig: Petzner kennt man, Petzner polarisiert und Petzner spaltet oft auch die Nation—die einen finden ihn super, die anderen weniger. Das Entscheidende aber ist: Alle reden über ihn. Chefredeakteure berichten mir immer wieder, dass Petzner-Geschichten sehr hohe Click-Raten im Internet haben– das ist Teilergebnis eines erfolgreichen Image-Buildings.

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Die Schuhe haben mich ein bisschen an Joschka Fischer erinnert, der seinen Amtseid damals in weißen Turnschuhen ablegte. Ich glaube mich zu erinnern, dass er in einem Interview einmal gesagt hat, er wollte es überhaupt nicht machen, aber durch die basisdemokratische Abstimmung hat er müssen.
Die Schuhe verstehen viele natürlich nicht und sie haben auch viel Kritik hervorgerufen. Aber das wichtigste ist es, im Gespräch zu bleiben und nicht, 100-prozentige Zustimmung zu erzielen. Wenn ich das jetzt politisch sehe, hat das BZÖ darum gekämpft von den 100 Prozent zu lukrierenden Wählerstimmen vier, fünf Prozent anzusprechen, um ins Parlament reinzukommen—nicht mehr. Was die restlichen 95 Prozent sagen, ist in diesem Fall egal.
Ich will jetzt mit dem Josef Bucher keine Schmutzwäsche waschen, aber er war wahnsinnig empfindlich, wollte es allen recht machen und nur ja keine Kritik hervorrufen. Das ist für den Chef einer Oppositionspartei, die um den Wiedereinzug ins Parlament kämpft, genau der falsche Weg, aber das wird er vielleicht eh wissen, wenn er in Friesach seine Kasnudeln kocht. Ich hab da meine Philosophie auch gegen den Widerstand von Bucher verfolgt und glaube für mich sagen zu können, dass sie funktioniert hat.

Und mit solchen Aktionen kann man die Wähler gut ansprechen?
Da hast du viele, die sagen, das ist scheiße, aber du hast auch wahnsinnig viele, die sagen, das ist cool. Faktum ist, dass gerade die junge Generation—und das sind wahnsinnig viele—oft mit klassischem politischen Trockenstoff nicht zu gewinnen ist. Politik interessiert sie nicht, die Flügelschuhe schon. Und mir passiert es heute noch oft, dass gerade von der Generation der Unter-18-Jährigen viele zu mir herkommen und sagen: „Ich find Sie cool als Politiker und total lässig, was Sie machen. Sie sind anders, Sie scheißen sich nichts und deshalb bin ich für Sie.“ Und auf die Frage, warum sie mich cool finden, sagen sie nicht: „Weil Sie im Korruptions-U-Ausschuss super waren“ oder „Weil sie den Hypo-Skandal wesentlich mit aufgedeckt haben“, sondern es sind die Flügelschuhe. Mein Kalkül dahinter war jedenfalls, dass ich unabhängig vom Abschneiden des BZÖ die öffentliche Bühne, die mir die Partei in gewisser Art und Weise gab, für mich nutze und etwas davon mitnehmen kann.

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Was glauben Sie gehört zu einem guten Auftreten dazu?
Das ist immer eine individuelle Frage der persönlichen Wertung. Es gibt acht Millionen Menschen und fünftausend verschiedene Meinungen dazu, ob das öffentliche Auftreten einer Person nun zusagend ist oder nicht. Wichtig ist immer, dass man sich in sich selbst wohl fühlt. Dann ist es auch ein gutes Auftreten. Generell ist es ein Fehler von politischen Beratern oder Spin-Doktoren, Spitzenkandidaten oder politische Funktionsträger verbiegen zu wollen und ihnen irgendeine Rolle oder ein Image aufzuoktroyieren. Das wird immer schiefgehen. Was du machen kannst, ist die Stärken einer Persönlichkeit herauszustreichen und stärker zum Ausdruck zu bringen und die Schwächen zu kaschieren. Es bringt nichts, eine Person wie am Reißbrett völlig neu konstruieren zu wollen, aber genau das versuchen viele. Klassisches Beispiel: Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger. Den haben irgendwelche Coaches für die TV-Duelle völlig zu verbiegen versucht. Ergebnis war, dass er bei den TV-Duellen künstlich, unecht und nicht authentisch gewirkt hat. Da sind wir bei der Frage der Authentizität. Sie müssen immer authentisch wirken, sonst ist alles umsonst. Klassisches Beispiel Spindelegger: Verbogen, nicht authentisch, völlig in die Hose gegangen.

Könnte man als Gegenbeispiel zum Beispiel Alexander Van der Bellen mit seinem „Elder-Statesman“-Image nennen?
Ja. Van der Bellen hat wunderbar funktioniert. Da waren die Grünen so schlau, seine defensive zurückhaltende, trockene Art nicht als Schwäche zu sehen, sondern sie zu seiner Stärke zu machen und die positiven Seiten daran hervorzuheben - die des erfahrenen, wissenden Professors, der über den Dingen steht und mit seinem Intellekt punktet.

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Ich würde sagen, eine ähnliche Strategie hatte auch Jörg Haider im Wahlkampf 2008.
Richtig ist, dass wir bei Haider auf die Rolle eines elder statesman gesetzt haben. Allerdings hat Haider das Kunststück vollbracht,in seinem Leben wie ein politisches Chamäleon viele Rollen annehmen zu können. Also stellt Haider eher einen Ausnahmefall dar. Aber der Wahlkampf 2008 war bewusst so ausgelegt—in Abstimmung mit einer sehr soften Kampagne. Wichtig dabei ist, dass es ein rundes Ganzes ergeben muss, vom Plakat, über die Werbeartikel und den Slogan bis hin zum öffentlichen Auftreten und Stil, gleich einem Orchester wo jedes Instrument so erklingen muss, dass am Ende ein harmonisches Klangwerk herauskommt. Gibt es falsche Töne, Misstöne, Widersprüche, wird es unauthentisch, unglaubwürdig und damit schlecht.

Studieren Sie noch und wie schaut es mit Ihrer Diplomarbeit aus? Jetzt warten alle auf die berühmte Arbeit über „Die Macht der Musik am Beispiel Udo Jürgens“—oder schreiben Sie schon an etwas ganz anderem? Hausnummer: „Die Strategien der NATO beim Kampf um Kobane“?
Da müsste ich mich vorher dazu durchringen, mein Studium abzuschließen. Ich glaube, dass wird daher eher ein unvollendetes Fragment bleiben—und das finde ich gar nicht so schlecht. Es muss ja immer gewisse Geheimnisse geben und Dinge im Leben, die offen und ungelöst bleiben. Denn oft sind ja genau die Themen und Fragen am spannendsten, die offen bleiben und wo es keine endgültige Antwort gibt. Jeder, der gern ins Kino geht, weiß das. Die besten Filme und die mit denen man sich am längsten beschäftigt, sind immer die, die ein offenes Ende haben, die einen mit Fragen zurück lassen und Raum zur Interpretation geben. Das ist wichtig, denn so bekommt jeder seinen Platz, sich hinein zu denken, mit zu machen und ein Teil des großen Ganzen zu werden. Und so halte ich es auch mit der Inszenierung meiner Person: Sie müssen eine Geschichte erzählen, die Leute Teil haben lassen und zugleich Raum offen lassen für Fragen und zur Interpretation. Das klingt einfach, ist aber in Wahrheit ziemlich komplex.

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Und zu Udo Jürgens als Person? Er hat ja gesagt er möchte sich mit Ihnen unterhalten und Ihnen „die Augen öffnen“.
Ja, hat er gesagt.

Haben Sie mit ihm geredet?
Das ist eine gute Frage und ich denke oft über dieses Thema nach. Viele werden das jetzt nicht verstehen, weil sie sich denken, wenn Udo Jürgens jetzt schon öffentlich davon spricht, dass er gerne ein Treffen hätte, dann würde doch jeder normale Mensch sofort zusagen.
Ich sehe das ein bisschen anders. Ich glaube, von mir sagen zu können, ein sehr selbstreflektierter Mensch zu sein. Ich habe von Udo Jürgens ein sehr idealisiertes, überhöhtes, fast ikonenhaftes Bild für mich gezeichnet, was zugleich wunderschön und wahnsinnig tröstend ist und einem auch sehr viel gibt. Aber es stellt sich die große Frage, ob der wirkliche Mensch hinter der öffentlichen Figur Udo Jürgens mit dem Bild, das ich in meinen Gedanken von ihm gezeichnet habe, überhaupt jemals Schritt halten kann. Wahrscheinlich kann er das nicht, womit ein Treffen mit einer großen Enttäuschung enden könnte. Da ist es doch schöner, ihn nicht zu treffen und dafür dieses ikonenhafte, idealisierte, überhöhte Bild das ich von ihm habe, zu behalten und als Geschenk für mich mitzunehmen. Warum also treffen?

Und wenn er Sie jetzt anrufen würde?
Wenn er mich anrufen würde, würde ich ihn zuerst nach dem Warum fragen. Dann würde er darauf irgendetwas antworten und ich würde darauf sagen, dass ich es mir überlegen muss. Ich müsste noch einmal in mich gehen. Genau aus den genannten Gründen. Aber Sie fragen mich ja rein theoretisch und da würde ich sagen: Nein, will ich eigentlich nicht.

Aber es gab doch schon einmal ein Treffen?
Es gab einmal eine ganz kurze Begegnung. In einer Konzertpause haben wir mit dem Haider, wie Groupies, seine Künstlergarderobe gestürmt. Aber das war nur für ein kurzes Foto. Kennenlernen würde ja heißen zusammenzusitzen und wirklich zu reden.

Ich habe vor kurzem Straßeninterviews gemacht und gefragt, wo die Leute zum Tod Haiders waren. Können Sie sich noch erinnern wo Sie waren?
Natürlich. Es gibt so Momente in der Geschichte, die so prägend sind, dass jeder weiß wo er war, was er getan hat und wie er sich gefühlt hat als er davon erfahren hat. In den letzten 10, 20 Jahren war das etwa die Terroranschläge von 9/11. Jeder, den Sie fragen, wird Ihnen heute noch genau sagen können, wo und wie er davon erfahren hat. Wenn Sie einen Amerikaner nach dem Attentat auf JFK fragen, wird Ihnen auch jeder wie aus der Pistole geschossen eine Antwort liefern. Für Österreich war Haiders Tod so ein prägender Moment und so geht es mir natürlich auch, vielleicht noch stärker, weil ich in diesen Stunden hautnah mit dabei war—auch in den Stunden nach dem Crash.

Also ist es für Sie logisch, dass der Tod Haiders die Menschen bis heute beschäftigt?
Ja, ist für mich ganz logisch. Das hat auch gewisse Hintergründe und ich finde es sogar positiv, denn die größte Angst der Menschen ist es ja, vergessen zu werden. Nicht zuletzt durch die Art und die Umstände seines Todes, die ja teilweise auch rätselhaft sind, und weswegen auch sehr viele Menschen bis heute Fragen dazu stellen und Unklarheiten vermuten, ist ja in erhöhtem Maß sichergestellt, dass er nicht vergessen wird. Wenn Sie als Person zu einem historischen Mythos werden wollen, dann—bitte nicht falsch verstehen—ist ein spektakulärer Abgang dabei sehr hilfreich. In diesem Fall war es Schicksal oder der Lauf der Dinge, dass es so passiert ist wie es passiert ist. Aber wenn ich es rein wirkungstechnisch betrachte, dann hat dieser Unfall wesentlich zu einer Mythenbildung rund um Jörg Haider beigetragen. Und ich glaube, dass der Haider ein Mensch war, der auch immer das Ziel angestrebt hat, zu einem Mythos und zu einer für Österreich prägenden historischen Persönlichkeit zu werden, über die man in 50 Jahren noch spricht. Das hat er nicht nur durch sein politisches Tun geschafft, sondern letztlich auch vor allem durch die Art sich zu verabschieden. Es gibt viele Personen der Geschichte, bei denen die teilweise ungeklärten Umstände ihres Todes beziehungsweise ihre spektakuläre Art die Bühne des Lebens zu verlassen, ein wesentliches Bauelement einer Mythenbildung waren. Die Umstände des Todes von JFK zum Beispiel beschäftigt bis heute viele Menschen. Oder denken wir an Lady Diana, James Dean oder Che Guevara. Das kann man endlos weiterführen. Und bei Haider war das ähnlich. Man kann diese Figuren durchaus vergleichen. Solange Fragen gestellt werden, erinnert man sich. Da schließt sich wieder der Kreis—sie müssen eine Geschichte erzählen und oft müssen dabei Fragen offen bleiben, um nicht vergessen, sondern zum Mythos zu werden.

Welche Fragen glauben Sie können nicht beantwortet werden? Was liegt noch offen? Es war schnell und unerwartet—spektakulär.
Die Fragen liegen ja auf der Hand und ich werde sehr oft darauf angesprochen. Die Menschen fragen, ob die offizielle Unfallursache, nämlich dieser Unfall ohne Fremdverschulden oder Fremdeinwirken, ausgelöst durch überhöhte Geschwindigkeit in Kombination mit einer starken Alkoholisierung, stimmt. Viele Menschen zweifeln das an und vermuten, dass andere Dinge dahinter stehen beziehungsweise andere Faktoren ausschlaggebend waren und, dass sehr wohl ein Fremdverschulden oder eine Fremdeinwirkung von außen vorliegt. Das sind die Sachen, die Menschen beschäftigen. Ähnlich wie bei Lady Diana. Die offizielle Version besagt, dass der Fahrer stark alkoholisiert und unter Medikamenteneinfluss und mit überhöhter Geschwindigkeit gegen die Säule gefahren ist. Aber viele Leute fragen bis heute, ob sie nicht vom britischen Geheimdienst oder sonst wem umgebracht wurde.

Zweifeln Sie an der offiziellen Version von Haiders Tod?
Wenn Sie das Interview verfolgt haben, wäre es jetzt ganz schlecht, wenn ich das beantworten würde, weil es der Mythenbildung entgegen wirken würde. Ich formuliere es also so: Ich halte diese Fragen für zulässig, für in Ordnung und nachvollziehbar und verstehe auch, dass sehr viele Menschen diese Fragen stellen. All jene, die diese Leute als Verschwörungstheoretiker oder Spinner abtun, haben keine Ahnung. Sonst müssten wir uns in Österreich ernsthafte Sorgen machen um dieses Land, weil es dann ja sehr viele Spinner und Verschwörungstheoretiker gäbe. Ich jedenfalls kann diese Fragen nicht beantworten und selbst, wenn ich das wollte, ginge es nicht, weil ich weder in der Nacht mit im Auto gesessen bin, noch weiß, was die eineinhalb, zwei Stunden vorher passiert ist, weil ich nicht dabei war. Das Ende bleibt also offen. Und das ist vielleicht auch ganz gut so.