„Zuhause ist man selber einer der Freaks“
Alle Fotos von Stefanie Katzinger

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„Zuhause ist man selber einer der Freaks“

Stefanie Katzingers Wien-Fotos bilden die Seele der Stadt ab. Wir waren beim Opening ihrer Ausstellung „Wien ist ein Paradies" und haben mit ihr über ihre Einflüsse, ihre Diagnose für Wien und satanische Babypuppen gesprochen.

Gute Fotografen fangen in die Seele ihrer Models ein. Sehr gute Fotografen schaffen es, sogar Städten eine Seele einzuhauchen. Womit wir auch schon bei Stefanie Katzinger wären, deren Model meistens Wien ist, mit all seinen abgefuckten Ecken und in all seinen fragwürdigen Zuständen. Ihre Fotos fangen die Momente zwischen den Grinse-Posen ein und zeigen die Stadt beim Abschminken und Auftakeln. Auf ihren Bilder ist Wien nie ganz bei Sinnen, immer ein bisschen dreckig, aber zu 100 Prozent genau die vibrierende, flirrende Großstadt, als das es sich selbst gerne sieht.

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VICE-Leser kennen ihre Werke bereits aus der Fotostrecke ​Wien ist ein Paradies und als augenschmeichelndes Foto-Beiwerk zu unseren ​Gründen, warum Wien die beschissenste Stadt der Welt ist. Vor kurzem eröffnete ihre erste Wiener Ausstellung zu den besten Werken aus der und über die Heimat, die passenderweise, genau wie die VICE-Strecke, „Wien ist ein Paradies" heißt.

Wir waren beim Opening in der ​Rabbit Eye Movement Gallery, haben dank Heineken und Absolut Vodka an dem einen oder anderen Konversations-Drink genippt und mit Steffi über ihre Einflüsse, Baby-Dinos und satanische Babypuppen gesprochen.

VICE: Kannst du dich noch an dein allererstes Foto erinnern?
​Stefanie Katzinger: Puh, mein allererstes Foto. Wahrscheinlich eine Barbie auf einem Dino auf meiner Katze oder sowas. Ich weiß es nicht mehr. Meine erste Kamera hatte ich so mit 6. Ich hatte immer schon diesen Drang, alles zu dokumentieren und festzuhalten. Das Spielzimmer wurde dann nur über die Jahre zum Nachtleben.

In deinen Bildern sieht Wien oft ziemlich kaputt aus, aber immer auch sehr nach Großstadt. Glaubst du, diese beiden Dinge hängen irgendwie zusammen?
​Wo viele Leute sind, geht viel kaputt. Und Wien ist so schick, aber gleichzeitig so geil verdorben. Wenn hier alles richtig funktionieren würde—also quasi nicht kaputt wär—wär es ja ur fad.

Es gibt ja Autoren, die es hassen, „Schriftsteller" genannt zu werden. Wie bezeichnest du dich selbst am liebsten? Bist du Fotografin, Fotokünstlerin, irgendwas ganz anderes?
​Hm, Fotografin passt schon. Oder Voyeurin.

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Fotografierst du eigentlich immer einfach nebenbei beim Fortgehen?
​Ich hab zwar immer eine Kamera dabei, auch wenn ich nur zum Billa geh, aber ein Großteil meiner Fotos entsteht auf jeden Fall nachts. Das taugt mir auch am meisten—the Freaks come out at night oder so. Jedes Mal ausgehen ist damit eine Gelegenheit, ein tolles Foto zu erwischen. Und andersrum ist das eine gute Ausrede, um viel auszugehen. Das geht Hand in Hand. Halloween war jetzt natürlich ein Highlight, aber das ist auch so mein allerliebster Lieblingstag.

Gibt es Tage, an denen du dezidiert zum Fotografieren raus gehst und andere, wo du die Kamera lieber gar nicht auspackst?
​Es gibt sicher auch Tage, wo das Fotografieren klar im Vordergrund steht. Zum Beispiel, wenn mich Freunde fragen, ob ich bei ihrer Veranstaltung knipsen kann oder bei Auftragsarbeiten. In kleineren, vertrauten Runden lass ich die Kamera tendenziell eher stecken.

Als wir deine Fotos zu Wien ist ein Paradies international gebracht haben, waren unsere Kollegen in London am meisten von dem Hundefoto fasziniert. Kannst du das Geheimnis auflösen und uns sagen, was mit dem Hund auf dem Bild abgeht?
​Haha, der Hund. Der saß einfach vor einem Geschäft im 20. und ich konnte mein Glück nicht fassen—aus fotografischer Sicht—, sowas Freakiges zu sehen. Aber da diese Frage schon häufiger gefallen ist, hab ich mich ein bisschen informiert—und der Arme ist wohl entweder vom Teufel besessen oder hat sehr schlimmen grünen Star. Man weiß es nicht ganz genau.

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Gibt es eine Geschichte zum Babypuppen-Foto?
​Die Babypuppe ist schon ziemlich alt. Ich glaub sogar aus 2008? Da war jemand zu Halloween als schwangere Braut mit Fehlgeburt oder sowas verkleidet. Jedenfalls hatte sie irgendwo billig eine Puppe gekauft und der Alex wollte dann schauen, ob er sie mit seinen Gedanken entflammen kann. Hat geklappt.

Hast du überhaupt irgendeine Lieblingsgeschichte zur Entstehung eines Bildes?
​Meine Fotos sind so ein bisschen ein analoger Lebenslauf, da hängen viele persönliche Erinnerungen und Geschichten daran. Aber das ist für den Betrachter ja ziemlich unspannend. Es ist ja nur ein kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit. Finde es interessanter, wenn Fotos ohne Bedienungsanleitung kommen.

Was sind so deine Inspirationen?
​Gelungene Fotoarbeiten inspirieren mich. Oder vielleicht wäre motivieren treffender. Wenn ich ein interessantes Foto sehe, möchte ich sofort wieder loslaufen und alles fotografieren, in der Hoffnung, dass ein, zwei gute Frames dabei sind.

Hast du auch fotografische Vorbilder oder holst du dir deine Inputs eher von ganz woanders, zum Beispiel aus der Musik?
​Mein All-time Idol ist auf jeden Fall Nan Goldin. Isa Genzken lieb ich auch sehr, wobei die ja nicht so auf Fotografie fokussiert ist. Ed Tempelton, Dennis McGrath. Aber es gibt auch so viele jüngere Fotografen und Fotografinnen, die so genial sind und ich sehr bewundere. Sandy Kim, Andrea Sonnenberg, Ryan McGinley natürlich. Ich hatte das Glück, mal in San Francisco ein Praktikum bei Hamburger Eyes zu machen und auch einem der Gründer, David Potes, in New York zu assistieren. Alles, was die publizieren, ist so gut, dass ich es nicht packe.

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Wenn Schreiben die Kunstform mit dem niedrigsten Technologie-Anspruch ist und Filmemachen die mit dem höchsten — wo auf dieser Skala würdest du dann Fotografie sehen? Wie wichtig ist das Zubehör?
​Meinst du, womit man fotografiert? Das finde ich komplett egal. Everything can be a weapon, you just have hold it right. In meinem Fall ist das eine 35mm Pentax Point & Shoot. Für andere wiederum ist das die Wegwerf-Kamera, das 5.000 € Equipment oder das iPhone.

Was sind für dich die idealen Bedingungen für ein gutes Shooting?
​Wenn ich den Moment kommen sehe und die Kamera in der Hand hab.

Neben Wien hast du vor allem auch in New York und San Francisco fotografiert. Was sind die Eigenheiten dieser Städte aus deiner Sicht? Welche ist das beste Model?
​Sex ist in der Zeit, was der Tiger im Raum ist. In New York dreht sich alles um Arbeit und Drogen, in San Francisco um Chillen und Drogen. Das beste Model ist für mich ganz klar NY. Dort hast du eine endlose Bandbreite an Freaks und Clubs und weirdem Shit. Und Maxx und Nando! Wien kann ich gar nicht in den Vergleich miteinbeziehen, weil man die Heimatstadt ja immer mit anderen Augen sieht. Da ist man dann selber einer der Freaks.

Würdest du eigentlich auch mal gerne richtig opulente, durchinszienierte Studiofotos machen?
​Ja klar. Mit Baby-Dinos, bitte!

​Markus ist auch auf Twitter für eure Fotogeschichten zu haben: @wurstzombie


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