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Wie der Versuch, Stefanie Sargnagel zu blockieren, unfreiwillig zu ihrer Verbreitung beiträgt

Die Schriftstellerin wurde von Facebook gesperrt, weil sie negativ über eine Identitäre geschrieben hatte. Und das war erst der Anfang.

Screenshot via Facebook

Wie weit darf Satire gehen? Diese Frage wurde in letzter Zeit wahrscheinlich genauso überstrapaziert wie der Satire-Begriff selbst. Nach Jan Böhmermann hat sie jedenfalls jetzt auch ein österreichisches Aushängeschild: Stefanie Sargnagel, die am Dienstag laut eigenen Angaben für drei Tage von Facebook blockiert wurde, nachdem sie auf der Plattform eine literarisch eher freie assoziative Personenbeschreibung der Identitären Alina W. gepostet hatte. Der Web-Standard hat berichtet.

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Anscheinend haben einige von Alinas Fürsprechern Sargnagels Posting als unangebracht gemeldet, um die rote Baskenmütze inklusive ihrer schreibenden Trägerin an den sozialmedialen Nagel zu hängen. Das ist ihnen ziemlich gut gelungen—auch wenn die Konsequenzen vielleicht nicht ganz im Interesse der Identitären sein dürften.

Anstatt den Kurztext aus der Welt zu schaffen, funktioniert der Verbannungsversuch derzeit nämlich eher wie ein Scheinwerferlicht für das Posting. Binnen kürzester Zeit überschwemmten Reposts des Textes die Timelines; das Posting der Burschenschaft Hysteria erhielt binnen kürzester Zeit hunderte Likes und dutzende Shares. Als geneigter Konsument von Ziegenfick-Satire—oder einfach nur der Deutschland-Nachrichten aus den vergangenen Wochen—hätte man das natürlich voraussehen können.

Aber auch vor Böhmermann und dem satirischen Biedermeier war das Phänomen schon bekannt; genau genommen seit 2003, als es zum ersten Mal unter dem Begriff „Streisand-Effekt" auftauchte. Darunter versteht man das Phänomen, dass der Versuch, Information zu unterdrücken, zum genauen Gegenteil führt. Genau wie 2003, als Barbra Streisand einen Fotografen auf Schadensersatz klagte, weil dieser eine Luftaufnahme ihres Grundstücks und ihres Hauses veröffentlicht hatte.

Mit dem Sargnagel-Posting ist es nicht viel anders: Anstatt den Empörern die Kontrolle über das Internet zu geben, tragen die Unterdrückungsversuche unfreiwillig zum sozialmedialen Hype um die Empörungsursache—in dem Fall Stefanie Sargnagel—bei. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie; genauso wie der Umstand, dass ausgerechnet das Milieu, in dem sonst sehr laut gegen politische Korrektheit und angeblich Orwell'sche Denkverbote gewettert wird, gleichzeitig auch das wehleidigste ist, wenn es um Unkorrektheit und Denkfreiheit gegen ihre eigenen Leute geht.

Um es mit einem der Lieblingsphilosophen aus identitären Kreisen, Karl Marx, zu sagen: Die Geschichte ereignet sich immer zweimal—zuerst als Tragödie, dann als Farce. Oder, um es mit dem Internet zu sagen: zuerst bei Barbra Streisand und dann bei Stefanie Sargnagel.

Markus auf Twitter: @wurstzombie