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Campus, Sex und Ravioli

VICE Guide für ein billiges Studentenzimmer

In diesem VICE Guide verraten wir euch, wie ihr in 14 Tagen zu einem billigen Studentenzimmer kommt.

Foto von Daliah Heeger

Ich such eine Wohnung. So fängt die Geschichte mal an. Was, du suchst auch eine? Ist mir ziemlich egal, so ist das am Wohnungsmarkt. Jeder ist sich selbst der Nächste. Also, eigentlich hatte ich ja schon eine gefunden. Vor Monaten! 50m2, 350 Euro, mit allem Drum und Dran. Eigentlich ein Traum. Deswegen hab ich meine alte Wohnung auch schon weitervermietet. In zwei Wochen steht der neue Mieter auf der Matte. Den unterschriebenen Vertrag bringt er dann vermutlich auch mit. Vertrag. Vertrag, Vertrag. Hab ich übrigens nicht unterschrieben: „Man würde sich das schon noch irgendwie ausmachen."

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Tag 1–Montag
Habe heute erfahren, dass ich in zwei Wochen kein Dach mehr über dem Kopf hab. Zur Freundin ziehen ist verdammt noch mal keine Alternative. Also rotz ich dem Typen, der mir die Nachricht überbringt, ordentlich ins Ohr. Dann ruhig werden. Klaren Kopf bewahren. Ich komm nach Hause und check mal, was online so geht. Das heißt, ich rauch ein paar Joints und kontrolliere, ob's neue, halbnackte Indie-Mädchen auf MySpace gibt. Das hilft zum Runterkommen. Daneben verliere ich auch den wichtigsten Task für die kommenden zwei Wochen nicht aus den Augen: Wohnung finden. Drei Suchverläufe später, vier User auf irgendwelchen Sites angelegt und ich schlaf am Schreibtisch ein. In meinen Träumen bin ich schon in die neue Wohnung eingezogen. Dachgeschoss, sehr sonnig und hell, aber trotzdem nie heiß, zentrale Lage mitten in der Stadt, mindestens 70 m2 groß, aber trotzdem scheiß billig und Altbau, aber natürlich frisch saniert.

Tag 2–Dienstag
Der nächste Tag beginnt zu früh und mit Kopfschmerzen. Der Morgen bringt Kaffee und Zigaretten. Ich reaktiviere alle meine Social-Network-Accounts, also MySpace, StudiVZ, Facebook, … you name it, um dem gesamten Freundeskreis reinzupressen, dass ich eine Wohnung suche. Vielleicht meldet sich ja eines von den Indie-Mädchen. Diejenigen, die wie ich Bulletins nicht lesen, ruf ich an und erzähl ihnen von meiner prekären Situation. Ob sie was wissen würden. Aber wie immer wissen meine Freunde einen Scheiß und es scheint sie auch nicht besonders zu kümmern, in welcher Not ich stecke. Gut zu wissen. Ich nehme den Rest von meinem Gras, spüle es die Toilette runter und spitze meinen Ellbogen für den Kampf am Wohnungsmarkt. Dann kommt die Uni dazwischen und schon wieder ist ein Tag vergangen.

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Tag 3–Mitwoch
Kopfschmerzen und schlechtes Gewissen, jeden Tag derselbe Scheiß. Heute mach ich aber wirklich ernst. Dann läutet das Telefon. Es ist Clemens. Der „Mit mir gibt's immer was zu erleben!"-Clemens. Er bräuchte meine Hilfe bei so einer Sache, würde nur bis Mittag dauern. Gegen Abend komme ich völlig abgekämpft nach Hause, irgendwie hätte ich mir das denken können.

Tag 4–Donnerstag
Heute aber wirklich. Ich frühstücke wie ein König. Dann fühle ich mich bereit. Hat ja nur vier lächerliche vier Tage gedauert. Ich starte mit meiner Recherche. Die wichtigste Bezugsquelle ist wie immer das Internet. Ich besuche die Webadressen meines Vertrauens und die Online-Auftritte österreichischer Tageszeitungen.

Nach gut einer Stunde hab ich mir auf einem Blatt Papier mögliche Wohnungen aufgeschrieben, geteilt in provisionsfreie und Wohnungen, für die ich dem Makler Geld in den Rachen schmeißen muss. Es ist Mittag und die Sonne scheint. Ich habe das Gefühl, für heute eigentlich schon genug getan zu haben und verpiss mich.

Foto von GunsTerror

Tag 5–Freitag
14 Anrufe, 14 Absagen. Die Anzeigen gingen am Montag oder Mittwoch online, jedenfalls nicht freitags. Ob ich denn gar nichts wisse. Ich rieche das billige Parfüm durch den Telefonhörer, abgeschmackte Maklerfotze. Schlägst Kapital aus anderer Leute Grundbedürfnisse.

Ich überlege kurz, aus dem ganzen Spiel auszusteigen. Im EKH gibt's doch immer freie Zimmer. Dann kommt die Erinnerung daran zurück, in wie viele Ecken ich dort bei der letzten Techno-Party gespieben habe und ich mache einen Termin mit der Maklerfotze aus, nachdem ich mein eigenes, billiges Parfüm aufgelegt habe. Helfen tut mir das aber nichts.

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Tag 8–Montag
Heute um 14:00 Uhr gehen die Anzeigen online. Der Schweiß läuft mir von der Stirn, nur keine Hektik aufkommen lassen. Die Suchagenten packen anstandslos aus. Höchstbetrag, Maximalmiete incl. Betriebskosten und am liebsten warm, netto 300 Euro. Eine andere Sprache spreche ich inzwischen nicht mehr.

7 Wohnungen schaffen es in die engere Auswahl. 3 Wohnungen sind schon weg, bei einer dürfen nur Inländer einmieten. Ich beschimpfe den Betreffenden am Telefon als verdammten Nazi und schreib mir die Adresse raus. Das nächste Mal, wenn ich mal in der Gegend bin, werd ich dem Typen die Wände vollschmieren. Für die anderen Wohnungen mache ich mir für die nächsten Tage Termine zur Besichtigung klar.

Tag 9–Dienstag
Zwei Wohnungen. Die eine liegt im Erdgeschoss und ich sollte die Möbel von der verstorbenen Oma übernehmen. Nicht mein Stil und die Ablöse hab ich auch nicht. Ziemlich abgekämpft komme ich zur nächsten. Der abgeschleckte Maklertyp begrüßt mich händeringend und zeigt mir meine zukünftige Bleibe, während er ständig Anrufe mit seinem Headset entgegennimmt.

Irgendwie warte ich während dem ganzen Prozedere, dass Begbie und Sick Boy aus einem Küchenschrank springen und sich auf mich stürzen. Passiert natürlich nicht. Das einzige, was mir entgegenkommt, ist ein grindig-säuerlicher Geruch. Der Makler meint, ich hätte das ganz große Los mit der Wohnung gezogen, ein einmaliges Angebot. Ich mache die Schlafzimmertür auf und sehe den Verputz an der Wand abbröckeln, wo mal mein Bett stehen soll. Das Feuerzeug schlägt bei den Fenstern Alarm – die sind so wenig dicht wie der Typ, der mir die Wohnung andrehen will. Ich frag: Wo sind die Heizkörper. Er meint: Gut isoliert. Ich gehe nach Hause und falle in einen langen traumlosen Schlaf.

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Foto von Anna Banana

Tag 10–Mittwoch
Scheiße, schon wieder Mitte der Woche. Noch dazu muss ich um zwölf auf der Uni sein. Am schwarzen Brett entdecke ich was von Interesse, wenigstens hat sich der Weg doch noch ausgezahlt. Das Seminar, das ich noch gebraucht hätte, ist nämlich schon voll. Zwei Informatik-Studenten suchen einen Mitbewohner. Scheiße, zu WoW spielenden Nerds ziehen muss echt nicht sein. Andererseits hab ich dann immer genug Porno zu Hause und Probleme beim Internet-Einrichten wird's wohl auch nicht geben. Außerdem wollen die nur 270 Euro für das 17 m2 Zimmer. Am Nachmittag könnt ich mich einmal vor den Computer setzen, den Typen eine Mail schreiben und rausfinden, ob die Tatsache, dass die beiden an der TU studieren, wirklich der einzige Haken an der Sache ist. Aber jetzt geh ich in den Park. Die Sonne scheint. Scheiß auf die Wohnungssuche für heute, beschließe ich nach dem zweiten Joint. Im Notfall muss ich halt bei Kumpels unterkommen.

Tag 11–Donnerstag
Tina, so hieß sie. Irgendwann nach dem Bier und kurz vor dem Schnaps treffen wir uns auf der Toilette. Meine Freundin wird nicht begeistert sein. Kurz bevor Tina nach Hause geht, reden wir über die nächsten Tage. Was ich so vor habe? Wohnungssuche? Ach, sie und ihre lesbische Mitbewohnerin suchen noch jemand für die WG. Wir verabreden uns, mal sehen was geht. Scheint so als hätte ich zwei Asse im Ärmel. Oder zumindest eines in der Hose.

Tag 12–Freitag
Wie war noch mal die verdammte Nummer? Ich finde den Zettel in meiner Hose, die ich zum Glück noch nicht gewaschen habe. Anna – sie muss wohl Tinas Wohnungskollegin sein – hebt ab. In meinem Kopf tauchen Bilder von den beiden beim Duschen auf und ich bekomme sofort einen Riesenständer. Ja, das Zimmer wär noch frei, aber wie gesagt, nur für Mädchen. Das habe Tina wohl vergessen zu erwähnen. Ich denk mir: Verdammte Feministin, dir werd ich's zeigen. Natürlich, verstehe ich, aber man könne doch über alles reden. Dann erzähl ich ihr von meiner Diplomarbeit, an der ich gerade schreibe. Da geht es hauptsächlich um Gender Studies, die Benachteiligung der Frau und das außerordentliche Werk Simone de Beauvoirs. Die ich von ganzen Herzen verehren würde. Sie steigt sofort darauf ein. Ich kann vorbeikommen. Übermorgen, um 14:00 Uhr.

Tag 13–Samstag
Als ich gleich nach dem Aufstehen am liebsten meinen Computer aus dem Fenster werfen würde, weil die blöden Torrents schon wieder nur so quälend langsam laufen, ich aber schon ganz geil auf die neueste Folge von Lost bin, erinnere ich mich: Die beiden Nerds. Die Mailadresse, die sie beim Aushang angegeben haben, war zum Glück so absurd, dass man sie unmöglich vergessen konnte: nachtelf@blutrauschgilde.at. Zehn Minuten, nachdem ich ihnen eine Nachricht geschickt habe, bekomme ich die Antwort: Endlich mal jemand, der das Zimmer will und nicht Hilfe bei einem Computerproblem. Komm vorbei. Morgen, 18:00 Uhr. Ich beginne meine Sachen zu packen. Bananenschachteln besorg ich mir schnell vom Interspar, zum Glück hat der am Samstag bis sechs Uhr offen. Meine Möbel lass ich stehen, hab sie dem Nachmieter schon versprochen. Viel zu billig zwar, dafür muss ich mich nicht mehr drum kümmern. War eh nur grindiger Ikea-Scheiß.

Tag 14–Sonntag
Tag der Entscheidung. Ich werd eine von den beiden Wohnungen nehmen. Egal wie übel. Ich steh mit dem Rücken zur Wand. Weil dieses von Wohnzimmer zu Wohnzimmer ziehen brauch ich echt nicht mehr. Ich überlege mir eine ganze Menge Lügengeschichten, dusche mich und schneide mir die Fingernägel. Zwei Möglichkeiten und keine Zeit für Faxen. Ich will eine Wohnung, ich brauch eine Wohnung, also her damit.