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Popkultur

Ein letzter Versuch: Bring mir bei, Kunst zu „verstehen“

Nach mehreren gescheiterten Versuchen, Kunst zu durchschauen, haben wir uns nun Hilfe von einem Kunststudenten geholt.

Vor einiger Zeit habe ich darüber geschrieben, dass ich Kunst nicht verstehe. Und dann habe ich der Kunst eine zweite Chance gegeben. Nachdem ich unglaublich langweilige Nachrichten von Lesern bekommen habe, die davon handeln, wie falsch ich lag, dachte ich, es wäre eine gute Idee, Kunst noch eine Chance zu geben. Dieses Mal mit Hilfe von jemandem, der behauptet zu wissen, wovon er redet.

Der Typ oben im Bild ist unser Freund Alex, der gerade am Courtauld Institute of Art studiert, welches, zumindest laut Wikipedia, ziemlich wichtig zu sein scheint. Wir gingen zu „First Thursdays“, der Nacht, in der die Galerien in East London lange offen bleiben, um ihre neuesten Kollektionen zu präsentieren.

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Ich hielt seine kritischen gedanklichen Ergüsse fest und sagte ihm, ich würde später darauf eingehen. Mal schauen, ob Alex mir helfen kann, Kunst endlich zu verstehen.

Ich weiß nicht, wie das hier heißt, da war kein Schild.

Alex sagt: „Bald ist Jubiläum. Als Neuausrichtung des Nationalgeistes ist das Konzept der Monarchie wieder in Mode. Ein Weg, die Defizite, unter denen Großbritannien leidet, aufzuwerten, Ikonen zu krönen oder einen Heiligenkult zu schaffen. Als solche wirken sie zeitgemäß. Die banalen Stars à la Nicki Minaj erreichen die Leute nicht so, wie es die wahrhaft männlichen Ikonen der 60er taten. Die Menschen greifen auf die 60er zurück. Eine Zeit, in der diese Ikonen Männlichkeit und sexuelle Anziehungskraft verkörperten. Beispielsweise James Dean, Elvis oder Hunter S. Thompson.“

Glen sagt: „Bah. Schon wieder hat jemand ein Bild von Elvis zunichte gemacht. Verstehe. Da wird eine Aussage über die Promi-Kultur getroffen. Die … sicherlich, was auch immer, berechtigtes Argument. JA, die Leute interessieren sich für Stars, als ob sie Mitglieder des Königshauses wären! Aber ist man zu dieser Feststellung nicht schon tausendmal gekommen? Könnte man diesen Punkt nicht verbal ausdrücken? Muss jeder Idiot, der eine offensichtliche Meinung über irgendetwas hat, unbedingt ein Kunstwerk schaffen, um sie der Welt mitzuteilen? Bei dem Gedanken daran, wie diese Drucke an der unverputzten Backsteinwand irgendeines Lofts in einem ehemaligen Kaufhaus hängen, wird mir schlecht.“

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„Night Angel“ von Ben Young

Alex sagt: „Das kindliche Element des Kritzelns ist eine spontane Reaktion auf die unmittelbare Umgebung. Das Problem ist, das Leute häufig etwas Geniales von Kunst erwarten—der journalistische Wert der Kunst reicht ihnen nicht. Sie wollen zusätzliche Bedeutung, Schweiß auf der Stirn, eine einzigartige, neue und verführerische Ästhetik. Aber mir gefällt diese Leinwand irgendwie. Ich denke, es ist offensichtlich, wie viel Arbeit darin steckt. Ich mag die Farbe. Sie verfügt über ein schönes, ästhetisches Wechselspiel und ist in diesem Sinne wohldurchdacht. Ich denke, dass sie kunsthistorisch betrachtet besonders originell ist.“

Glen sagt: „Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, was du damit sagen willst, Alex. Vielleicht bin ich einfach nur unkultiviert, aber ich denke nicht, dass etwas gleichzeitig„spontan“ und „wohldurchdacht“ sein kann. Alles, was ich sehe, ist eine große Krakelei, die Tausende von Euro wert ist und von Leuten angestarrt werden wird, die in einer Galerie kommen, deren Miete monatlich wahrscheinlich auch Tausende von Euro kostet. Ich kann verstehen, dass das Bild manchen Leuten unter ästhetischen Gesichtspunkten gefallen mag, aber könnten sie sich kein Foto davon anschauen? Oder einem Kleinkind ein paar Buntstifte geben und ihr eigenes Krickelkrakel gestalten? Mir erscheint das alles sehr verschwenderisch.“

„L.H.O.O.Q.“ von Kate Hawkins

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Alex sagt: „Du sagst, das sind beides Ikea-Bretter? Schau dir seinen kleinen, witzigen Schnurrbart an. Er stellt einen Kommentar darüber dar, wie infantil die Kombination dieser Gegenstände ist. Minderwertige Arbeit. Es scheint, als wäre es ein humorvoller Kommentar über die Mittelklasse oder eine gewisse Form von Nostalgie, vielleicht in Bezug auf den schwedischen Modernismus, für den Ikea bekannt war, bevor alles der Massenproduktion anheim fiel. Es soll insofern Naive Kunst sein, als dass jeder sie herstellen kann.“

Glen sagt: „Das kann jeder herstellen? Ohne Scheiß? Ich bin SCHOCKIERT. Das heißt, die Aussage dieses Werks ist, dass es existieren kann? Ist das wirklich etwas, worauf man Menschen hinweisen muss?“

„The Last Huzzah of the Hoxditch Pleasure Pirates” von Robert Rubbish und Steph Von Reiswitz

Alex sagt: „Die Nuller-Jahre waren eine Zeit, die stark von Hedonismus geprägt war, aber es scheint, als würde ihnen der Hedonismus der 80er und 90er fehlen. Diese Jahrzehnte hatten eine charakteristische Droge oder Musik, während die Nuller-Jahre ein großer Schmelztiegel für alle waren. Es steht jedem offen, seinen eigenen großen Hedonismus zu erschaffen. Als solche sind die späten Nuller-Jahre der „Untergang des Römischen Reiches“. Hedonismus und Dekadenz sind zu ihrem eigenen unausweichlichen Ende gekommen—die Leute trinken nicht mehr, um einen ausschweifenden oder romantischen Lebensstil zu unterstützen wie einst Oscar Wilde oder Jim Morrison. Das hier ist ziemlich selbstgefällig, oder? Wie ein Kommentar darüber, wie viel Spaß sie innerhalb der Grenzen ihrer eigenen kleinen Gruppe haben. Vielleicht bin ich zynisch.“

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Glen sagt: „Die späten Nuller-Jahre? Du weißt, dass es 2012 ist, oder? Warst du gestern einen heben?“

„The Orchard“ von Yves Beaumont

Alex sagt: „Ich blättere die zu diesen Bildern gehörende Literatur durch. Viele Wörter, die sie benutzen, sind einfach nur leer. Zum Beispiel beschreiben sie die Arbeit als ‚um Haaresbreite vom Abstrakten entfernt’—was soll das überhaupt bedeuten? Das ist ein Missbrauch von Sprache, um Abstraktion zu kompensieren. Stattdessen sollte man Werke wie dieses nicht beschreiben. Indem man es beschreibt, schränkt man es ein. Sie sind ziemlich durchdacht. Eigentlich finde ich sie ziemlich überzeugend.“

Glen sagt: „Das ist eine Reihe komplett weißer oder fast komplett weißer Leinwände. Egal, ob der Künstler Sprache missbraucht, um mir zu sagen, wie ich sie betrachten soll, es werden immer weiße Leinwände bleiben. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, zu erklären, dass das einfach nur vollkommen idiotisch ist. Ich schätze, dass es in der menschlichen Geschichte eine Zeit gab, in der es akzeptabel gewesen wäre, das mit der Frage ‚Aber ist das Kunst!?!?!’ zu präsentieren. Aber jetzt, 2012? Kannst du dir vorstellen, wie viele Leute bereits weiße Leinwände ausgestellt haben müssen?“

„The Riverbank“ von Yves Beaumont

Alex sagt: „Kunst, die dem Laien gefällt, ist vulgarisiert. In einer vulgarisierten visuellen Kultur, wo Werbung an jeder Ecke hängt und alle paar Minuten im Fernsehen gezeigt wird, sind sie eine sehr laute, aufdringliche Ästhetik gewohnt. Feinheiten wie die eines abstrakten Gemäldes sind sehr schwer zu vermitteln. Das ist ein erworbener Geschmack—die Leute haben die Möglichkeit, Unterscheidungen zu treffen und Unterscheidungen kommen normalerweise dort vor, wo man Unterscheidungen treffen sollte und Unterscheidungen sollten innerhalb der traditionellen Strömung getroffen werden, in der sich der Künstler positioniert, die irgendwie bekannt gemacht werden sollte. Wirklich.“

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Glen sagt: „Ich habe das gerade ungefähr 30 Mal gelesen und wirklich keine Ahnung, was irgendetwas davon bedeutet. Daher weiß ich nicht genau, was ich sagen soll. Ich denke, du weißt noch nicht mal selbst, was du sagst, oder?“

OK, das reicht, ich bin zu einem Fazit gekommen. Und dieses Fazit lautet, dass Kunst, die hier von einem Kerl namens Alex repräsentiert wurde, daran gescheitert ist, sich selbst zu verteidigen. Ich habe Kopfschmerzen von der Transkription unseres vierstündigen Gesprächs darüber. Ich schätze, idealerweise sollte jeder aufhören, über Kunst zusprechen. Oder zumindest, mit mir darüber zu sprechen. Wenn du dir etwas anschauen möchtest, schau es dir an. Wenn du so tun möchtest, als ob ein Haufen Pappmaché-Vasen optisch unterhaltsamer ist als der neue The Fast and the Furious, super. Schön für dich.


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