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Die Zukunft ist ein höllischer Alptraum aus Leid und Zerstörung

Ein Typ namens „Lycerius“ spielt nun seit zehn Jahren ein und dasselbe Spiel, Civilisation II, und hat unsere Welt in einen Alptraum aus Tod und Zerstörung verwandelt.

Ich zocke viele Videospiele. Nicht, dass ich denke, das macht mich irgendwie zu etwas Besonderem. Ich erzähle das hier aus Gründen der Empathie. Wie die meisten Leute spiele ich ein Spiel ein oder zwei Mal durch und versuche mich eine Zeit lang am Multiplayer-Modus, bis der nächste Teil erscheint oder ich anfange, mich zu langweilen.

In meinen 14 Jahren des Spielens war die längste Zeit, die ich jemals mit einem Spiel verbracht habe, ungefähr ein Jahr. Und so etwas wird immer seltener in der heutigen Spielkultur, wo mir doch jede Woche neue Arten angeboten werden, so zu tun, als würde ich Leute töten. Als nun ein Typ namens Lycerius auf Reddit postete, dass er seit zehn Jahre ein und dasselbe Spiel zockt, Civilisation II, drehten alle durch, und Civilisation II wurde zum Twitter-Trend.

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Lycerius spielt als die Kelten und hat mittlerweile das Jahr 3991 erreicht (angefangen im Jahr 4000 v. Chr.). Falls ihr das nicht mitbekommen habt und euch fragt, wie es im Jahr 3991 wohl aussehen mag: Es ist nicht das utopische Paradies, nachdem wir alle streben. Hier ist eine Zusammenfassung von Lycerius' Reddit-Posts, die sein Werk resümiert: -Die Welt ist ein höllischer Albtraum aus Leid und Zerstörung.

-Im Jahr 3991 (n. Chr.) gibt es noch drei Supermächte (die Kelten, die Wikinger und die Amerikaner), die um die knappen Ressourcen konkurrieren, die auf dem Planeten noch übrig sind, nachdem Dutzende Atomkriege große Teile der Welt als unbewohnbares Ödland zurückgelassen haben.

-Die Polkappen sind, hauptsächlich aufgrund der vielen Atomkriege, über 20 mal geschmolzen (irgendwie). Infolgedessen ist jeder Zentimeter Land, der kein Berg ist, überschwemmtes Sumpfland, landwirtschaftlich nicht nutzbar. Das meiste davon ist ohnehin verstrahlt.

-Die drei verbleibenden Nationen stecken seit fast 2000 Jahren in einem andauernden Todeskampf. Frieden scheint unmöglich. Jedes Mal, wenn ein Waffenstillstand vereinbart wird, starten die Wikinger einen Überraschungsangriff auf mich oder bei der nächstbesten Gelegenheit die Amerikaner, häufig mit Atomwaffen. Selbst wenn die U.N. ein Friedensabkommen erzwingt. Also muss ich davon ausgehen, dass Frieden erst eintreten wird, wenn sie ausgelöscht sind. Klingt nach Spaß, oder? Ich habe jedenfalls Lycerius, einen 24 Jahre alten Versicherungsvertreter, angerufen, um herauszufinden, was zur Hölle da passiert ist.

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VICE: Hey Lycerius, kannst du die wichtigsten Ereignisse in deinem gespeicherten Spiel kurz für mich herunterbrechen?
Lycerius: Ich kann mich nicht an den Anfang des Spiels erinnern. Du musst bedenken, dass das schon ungefähr zehn Jahre her ist. Das Älteste, an das ich mich erinnern kann, ist die industrielle Ära, aber die denkwürdigsten Ereignisse, die ich noch im Kopf habe, sind der Krieg mit Ägypten und als die Griechen eine nuklearen Attacke auf meine Stadt, Donegal, gestartet haben und ich darauf mit einem gewaltigen Gegenangriff reagiert habe, infolgedessen ich die Griechen zerstört habe und zu den Soux weiterziehen konnte. Dann begann ein Drei-Fronten-Krieg zwischen mir, den Amerikanern und den Wikingern, der bis heute anhält. Die Wikinger haben mit ihrer enormen Flotte die Nordküste bombardiert, woraufhin die Amerikaner zurückschlugen, um ihr Land wieder zurückzuerobern, während ich gleichzeitig Bodentruppen in dieses Gebiet schickte. Es war eine sehr unschöne Angelegenheit, eine riesige Schlacht. In den letzten Jahren führte das Hin-und-her in eine Sackgasse, was mich dazu brachte, auf Reddit Hilfe zu suchen. Du du hast eine Menge Reaktionen bekommen. Konnte irgendwer von den Redditors dir aus der Patsche helfen?
Na ja, seit ich meine Datei veröffentlicht habe, hat jemand von Reddit es geschafft, meinen Spielstand in ungefähr 58 Jahren zu schlagen. Es ist schon möglich, aber die waren alle total darauf fokussiert, Krieg zu führen und nicht für Frieden zu sorgen und die Lage zu stabilisieren, so wie ich. Er hatte eine interessante Sichtweise auf das Spiel. Er stellte Einheiten mit Haubitzen für den Krieg auf, die ich übersehen hatte, außerdem hatte er viel mehr Koordinationsvermögen als ich. Er machte ein Inchon-mäßiges Landemanöver gegen die Amerikaner direkt südlich der Frontlinie. Dadurch gab es einen Sieg, aber er hat sich in den ganzen 58 Jahren nur die auf Kriegsbemühungen fokussiert. Hat dich das geärgert?
Das ist mir ganz egal, weil ich völlig anders spiele. Ich spiele dieses Spiel wegen der Geschichte und weil es sehr persönlich für mich ist. Ich habe es auf Reddit gestellt, weil ich an einem Punkt angekommen war, an dem ich schon so lange gespielt hatte, und ich ich ewig keine Fortschritte mehr gemacht hatte, also wollte ich mal sehen, was die anzubieten haben. Ich hatte keine Ahnung, dass das ganze solche Wogen schlagen würde. Ich dachte, ich bekomme ein paar hundert Views, hol mir Rat und mach mich dann wieder vom Acker. Aber scheinbar interessiert sich ein Haufen Leute dafür. Deinen Posts nach zu urteilen, scheint es, dass im „1700-jährigen Krieg" die Wikinger das wahre Problem sind. Glaubst du, wenn es irgendeine andere Zivilisation wäre, hättest du das Spiel zu Ende bringen können, ohne dass deine Feinde alle 200 Jahre wie die Berserker bei dir einfallen?
Ja, mit Sicherheit. Für eine Weile habe ich mich darauf konzentriert, den Krieg zu beenden. Das mache ich ist jetzt schon seit grob einem echten Jahr, aber es sieht so aus, als wäre die einzige Möglichkeit, das zu schaffen, die Wikinger auszulöschen.

Du erwähnst in deinen Posts, dass die meisten Gebiete Sumpfland sind. Wie kommt das?
Es ist alles Sumpf, wo nicht gerade ein Berg steht oder die Tundra ist. Es ist Sumpfland wegen der globalen Erwärmung, zu der die vielen Atomkriege beigetragen haben. Wann hat die globale Erwärmung in deiner Spielwelt eingesetzt?
Keine Ahnung, es war wahrscheinlich vor acht echten Jahren. Ich spiele nur alle paar Tage für einige Stunden und die letzten Jahrzehnte waren eine elende Plackerei. Die globale Erwärmung findet normalerweise in der modernen Ära statt (also ungefähr jetzt, in unserer Zeitrechnung). Das erste, was passiert, ist, dass nur die Küsten betroffen sind und zu Sumpf werden, aber das ist in einem so großen Ausmaß passiert, dass schließlich das ganze Land zu Sumpf wurde. So war das nicht gedacht, aber es passierte einfach immer weiter, bis man nicht mehr auf dem Land anbauen konnte. Wie ernährst du die Bevölkerung ohne Ackerland?
Gar nicht. Ich habe versucht, die Sümpfe trocken zu legen und Farmen für die Städte zu errichten, aber die Erderwärmung holt mich immer wieder ein. Also macht dir das keine Sorgen mehr?
Persönlich macht mir das schon Sorgen, weil ich die Welt nicht zerstören will. Es fasziniert mich, wie sie sich zu diesem schrecklichen Ödland entwickelt hat und jetzt will ich sehen, ob ich den Planeten wieder aufbauen kann. Warst du schonmal an einem Punkt, an dem du in Erwägung gezogen hast zu schummeln?
Ja, ich hab das Spiel angefangen, als ich 14 war. Wenn ich frustriert war, hab ich angefangen Quatsch zu machen und mir einen Spaß draus gemacht, aber ich hab immer auch einen „sauberen" Spielstand gespeichert, mit dem ich bis heute weiterspiele.

Hattest du mal das Gefühl, dass ein Teil der Realität, die du geschaffen hast, Ereignisse in der echten Welt widerspiegelt?
Im Spiel gibt es eine Pattsituation zwischen zwei Großmächten und heutzutage haben wir in der echten Welt dieselbe Situation zwischen dem Westen auf der einen Seite und Russland und China auf der anderen Seite und ihrer Tatenlosigkeit in Syrien. Oft endet der Versuch, sich gegenseitig auszustechen, in einer Katastrophe. Gibt es irgendwelche Ereignisse in deinem Spiel, die in der Zukunft unserer Welt zustoßen könnten?
Na ja, ich denke da an die globale Erwärmung. Wenn wir nichts dagegen tun, wird das, je weiter vorangeschritten, ein großes Problem. Es kommt darauf an, ob wir uns zu einer post-nationalen Welt hin bewegen oder zu einer, die aus zerrütteten Staaten besteht, die sich gegenseitig bekriegen. Denkst du, Atomkrieg ist noch ein relevantes Thema?
Ja, absolut. Mit Blick auf die Großmächte ist es wohl nicht so zentral, aber wenn eine kleine Nation, wie Iran, Atomwaffen-Programme hat, dann weiß man nie. Aber nukleares Material, das in die Hände von Terroristen fällt, die Anschläge auf New York oder Tel Aviv oder sonst wo verüben, das ist durchaus im Bereich des Möglichen. Atomkrieg ist eine sehr reale Bedrohung, nur seine Form hat sich verändert. Welche heutige Nation repräsentiert dein keltisches Imperium am meisten?
Wahrscheinlich das Russland der Sowjetära. Ist es das, was du dir am Anfang vorgestellt hast?
Nein, ich habe als Demokratie angefangen und ich würde auch gerne als eine enden, aber in einer Demokratie kann ein Senat dich überstimmen, wenn du in einen Krieg ziehen willst. Und das ist so oft vorgekommen, dass es meinen Kriegsbemühungen drastisch geschadet hat. Ich glaube, ich wäre ausgelöscht worden, wohl von den Wikingern, wenn ich nicht zu einer kommunistischen Regierung gewechselt hätte. Nach all der Zeit, dem Leid und der Zerstörung, macht dir das Spiel noch Spaß?
Der Grund, warum ich weitermache, ist, weil ich es zu Ende bringen will. Ich mag besonders die Geschichte und was darin passiert, die Leute und die Ereignisse, die sich entwickeln. Aber in erster Linie bin ich aus Gewohnheit daran interessiert, es durchzuspielen und zu einem Abschluss zu bringen. Falls die Welt von Lycerius irgendetwas ist, nachdem wir uns richten können, sieht unsere Zukunft nicht gerade blumig aus. All die Technik, Diplomatie und Wissenschaft werden uns nicht vor der totalen und heillosen Zerstörung bewahren. Schöne Woche noch, euch allen!