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Sex

The Lost Tapes 3

Im Frühjahr 2000 herrschten Zeiten der Unschuld, bevor George W. Bush die Menschheit vernichtete und bevor man Pornos auf dem Smartphone im Flugzeugklo anschauen konnte, um seine Flugangst zu bekämpfen. Und jeder—JEDER—war auf Droge.

Regie: Jules Jordan
Bewertung: 9
JulesJordan.com

Ronnie James Dio, der verstorbene Heavy-Metal-Sänger, der 1980 bis 1982 bei Black Sabbath als Ersatz für Ozzy Osbourne einsprang, war ein winziger Mann mit einem winzigen Sinn für Humor. Er wurde mitten im Zweiten Weltkrieg geboren und mit Oper großgezogen, was klar genug macht, wie wenig es in seiner Jugend zu lachen gab. Als ich ihn 2000 interviewte, hoffte ich jedoch, dass die Tatsache, dass er trotz einer Körpergröße von knapp 1,50 Meter und seiner Frauensingstimme im Laufe seiner Karriere 47 Millionen Platten verkauft hatte, ihren Witz auch bei ihm nicht verfehlen würde. Aber ich musste feststellen, dass Hoffnung eine vergebliche, lächerliche Krücke für Narren ist.

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Im Frühjahr 2000 herrschten andere Zeiten. Zeiten der Unschuld, bevor George W. Bush die Menschheit vernichtete und bevor man Pornos auf dem Smartphone im Flugzeugklo anschauen konnte, um seine Flugangst zu bekämpfen. Zeiten, in denen Autos noch nicht fliegen und die Hinterköpfe aller Neugeborenen noch nicht mit einem Barcode versehen wurden. Alle spazierten nackt umher. Leute aller Glaubensrichtungen, Hautfarben und sexueller Orientierung trieben es bei der Arbeit. Und jeder—JEDER—war auf Droge.

2000 war auch das Jahr, in dem ich über den Mississippi und die Great Plains gen Westen in eine kleine kalifornische Stadt namens Hollywood zog, um meinen Freunden bei der Produktion einer MTV-Dokumentation über gesellschaftliche Normen zu helfen, die Jackass heißen sollte. Das Format der Sendung stand noch nicht fest und die Produzenten Jeff Tremaine, Spike Jonze und Johnny Knoxville waren der Ansicht, ich könnte die Gleichförmigkeit der Einkaufswagen-Stunts und der Kotzerei mit einigen schnellen, unter die Gürtellinie zielenden Promi-Interviews aufpeppen. Mein erstes Opfer sollte Dio bzw. „Rodney“ sein, wie ich ihn nicht ganz falsch während unserer kurzen gemeinsamen Zeit nannte, was fast in einer Schlägerei endete.

Als ich in einem House of Blues voller Heavy-Metal-Schreiberlinge auf Rodney wartete, gab mir eine Reihe langhaariger Typen unaufgefordert Ratschläge, wozu ich ihn besser nicht befragen sollte: Ozzy, seine Größe und seine Mädchenstimme. Ich hörte aufmerksam zu, machte Notizen und schmiss dann meine Fragen aus dem Fenster, um ihn ausschließlich zu diesen verbotenen Themen zu befragen.

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„Hallo Rodney“, sagte ich und stellte mich backstage vor.

„Ich heiße Ronnie“, antwortete er.

Ich fragte Rodney, wie es sei, mit Ozzy Osbourne zusammenzuarbeiten. Er schäumte vor Wut, als er mir erklärte, er habe nie mit Ozzy Osbourne zusammengearbeitet. Er habe Ozzy ersetzt. Dann fragte ich Rodney, wie es sein könne, dass er auf den Albumcovern so groß wirkte, denn im wirklichen Leben sei er doch „so ein kleines Arschloch, Rodney“. Er war erstaunt und fragte mich, ob er mir in den Arsch treten solle. Ich lachte ihm ins Gesicht, kniff ihm in seinen winzigen Bizeps und teilte ihm mit: „Du wirst niemandem in den Arsch treten, du kleines Arschloch.“

Er sprang auf, warf mir einen herausfordernden Blick zu und sagte mir deutlich, dass er mich fertig machen würde. Ich blieb auf dem Sofa sitzen. Der Raum war beileibe nicht leer. Da waren Rodney und ich sowie Spike und Rick Kosick an der Kamera. Als ich aufstand, überragte ich ihn glatt um 30 Zentimeter. Ich sagte ihm, er solle sich setzen, bevor ich ihn umhauen würde. Er rief nach der Security. Eine Flut Neandertaler in schwarzen Security-Jacken strömte in den Raum und trennte uns. Dios Publicity-Manager entriss unserem Praktikanten das Filmmaterial und riss es in kleine Stücke. Die Security stürzte sich auf Kosick und zerstörte sein VX-Band. Ich zog Spike in einen leeren Flur und nahm sein Band an mich, auf dem sich glücklicherweise der Ton befand, und verzog mich durch einen Notausgang, während er durch eine andere Tür entkam.

Gerade, als ich mich absetzen wollte, sah ich die beiden Metal-Typen, die mich für das Interview beraten hatten. Sie waren als Nächste an der Reihe, mit Rodney zu sprechen. Ich lächelte sie an und fragte: „Nun, wie war ich?“

Ihre teigigen Gesichter waren noch weißer als sonst. Sie sagten nichts. Ich bin den ganzen Weg nach Hause gerannt. In den letzten 14 Jahren ist das Band nie ans Tageslicht gekommen. Nach zahlreichen Büroumzügen wusste niemand, was aus ihm geworden war. Bis neulich. Letzte Woche lag in meinem Briefkasten ein gefütterter FedEx-Umschlag von Tremaine, in dem sich das Dio-Originalband befand. Ich bin noch immer nicht sicher, was ich damit tun soll. Auf tote Leute zu scheißen ist nicht nett.

Noch mehr Bescheuertes findet ihr auf ChrisNieratko.com und twitter.com/Nieratko