Wie Thomas Höpker eins der berühmtesten 9/11-Bilder machte

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Wie Thomas Höpker eins der berühmtesten 9/11-Bilder machte

Wie einer der größten deutschen Fotografen quasi im Vorbeifahren sein vielleicht berühmtestes Foto schoss, dafür eine Menge Ärger bekam und eine riesige Mediendebatte auslöste.

Schon früh, im jungen Alter von 14 Jahren, also vor sage und schreibe 64 Jahren, machte Thomas Höpker seine ersten Schritte auf dem Gebiet der Fotografie. Damals nutzte er für die Entwicklung seiner Bilder die heimische Küche oder das Badezimmer. Noch während seiner Schulzeit begann er mit dem Verkauf einzelner Fotografien an Freunde und Schulkameraden, ohne zu wissen, dass er später zu einem der großen bedeutenden deutschen Fotografen werden würde. Heute sind seine Fotos weltbekannt und oft eine Dokumentation weltverändernder Ereignisse.

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Von der Münchner Illustrierten und der Zeitschrift Kristall wurde er als Fotojournalist für Aufträge um die Welt geschickt, bis er in den frühen 60er Jahren von Henri Nannen und Rolf Gillhausen für den Stern engagiert wurde. Während seines dreijährigen Aufenthalts in Ost-Berlin war Höpker der erste Fotograf überhaupt, der in der damaligen DDR akkreditiert war. 1966 bekam Höpker die Chance, in unregelmäßigen Abständen Muhammad Ali zu treffen, erst in London, später in Chicago und Miami. Daraus entstanden Aufnahmen, die die wahre Geschichte eines jungen Champions beschreiben.

1976 zog es ihn mit seiner Frau nach New York, wo er weiter für den Stern tätig war. Hier entstand auch eines seiner wohl wichtigsten und zugleich meist debattierten Bilder. Während 9/11 fotografierte er eine Gruppe von Menschen, die am Ufer des East Rivers einen scheinbar entspannten Tag verbringen, während im Hintergrund die brennenden Twin Towers zu sehen sind. Trotz seines Engagements beim Stern begann die Fotoagentur Magnum schon 1964 damit, seine Bilder auf internationaler Ebene zweitzuverwerten. Von 2003 bis 2006 war Höpker, der als erster deutscher Fotograf überhaupt als Vollmitglied aufgenommen wurde, sogar Präsident der Agentur.

Im September wird nun ein Bildband aus dem teNeues Verlag namens Wanderlust auf der Photokina in Köln erscheinen, welcher die ersten 60 Jahre seiner fotojournalistischen Karriere repräsentiert, wie er uns erzählt.

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VICE: Ihr Buch Wanderlust umfasst die ersten 60 Jahren ihrer Karriere als Fotojournalist. Fotografieren Sie immer noch?
Thomas Höpker: Ja, klar. Gerade erst gestern wieder. Aber eher für mich, die ganze Szene hat sich ja mittlerweile verändert. Ich habe mein ganzes Leben für Magazine und Zeitschriften gearbeitet, das ist jetzt praktisch vorbei. Jetzt mache ich mehr oder weniger meine eigenen Bilder. Man wird schon lange nicht mehr von einer Illustrierten durch die Welt geschickt, wie es in den ersten 30, 40 Jahren der Fall war.

Ihre Fotos von Ali sind wohl mit ihre eindrucksvollsten Bilder. War er eine schwierige Person oder war seine arrogante Art eher Show? Ich stelle ihn mir eher als eine eher charmante Person vor.
Eigentlich schon, aber durch den kleinen Trick, den wir angewandt hatten, ihn einfach still und leise zu beobachten, hat er uns geduldet. Dies führte dazu, dass wir über mehrere Jahre immer wieder in die USA geflogen sind und ihn besucht haben. Wir haben ihn nicht  bei seiner Arbeit gestört. Dies kam mir sehr entgegen, denn ich wollte ja keine Bilder inszenieren, sondern sehen, wie dieser Mann lebt und was er so macht. Je länger wir da waren, desto unsichtbarer wurden wir für ihn, quasi Teil des Mobiliars. Heute ist das anders mit berühmten Leuten. Man bekommt eine halbe Stunde Zeit und sitzt im Hotel mit ihren Medienberatern, da entstehen dann natürlich keine echten Bilder mehr.

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Ein weiteres sehr ikonisches Bild ist eine ihrer neueren Arbeiten. Die umstrittene Aufnahme von 9/11. Was war der Grund, das Bild nicht vor 2006 zu publizieren?
Am Tag vor 9/11 hatten wir ein Magnum-Treffen in der Stadt. Zufällig waren also acht bis zehn Fotografen in der Stadt, was normal nicht vorkommt. Als 9/11 passierte, sind wir alle individuell losgefahren und ich kam nicht mehr an die eigentliche Unglücksstelle. Weil die Subway nicht mehr fuhr, schnappte ich mir mein Auto und bin in den Süden von Manhattan gefahren. Am Horizont sah ich immer die Rauchschwaden und habe diese fotografiert. All meine anderen Kollegen wohnten im East Village und konnten daher leicht an die Unglücksstelle gelangen. Am nächsten Tag sah ich die Bilder, die sie gemacht hatten, und war unglaublich beeindruckt und habe gleich gesagt: „Gebt mir alle Bilder, wir müssen ein Buch machen!" Das haben wir dann auch gemacht. Ich habe mich in mein Haus auf Long Island zurückgezogen, wo ich die Bilder ausgesucht und gelayoutet habe. Dieses eine Bild von mir habe ich ignoriert, denn irgendwie erschien mir das einfach zu läppisch. Es gab das Drama nicht wieder, sondern eher das Gegenteil. Es zeigt ja eigentlich eine Idylle und nur am Horizont sieht man, was da eigentlich passiert.

Das Buch wurde dann auch sehr schnell gedruckt und das Bild kam gar nicht drin vor, denn ich dachte, es könne gar nicht mit den Bildern meiner Kollegen konkurrieren. Drei oder vier Jahre später besuchte mich aus München der Kurator vom Fotomuseum, weil ich dort eine Ausstellung machen wollte, und ging durch mein Archiv. Als er auf das Bild stieß, war er begeistert. Ich fand es aber nicht so wirklich gut, denn ich war ja nicht nah dran genug. Gerade das gefiel ihm aber und langsam begann er, mich zu überzeugen. Letztendlich haben wir das Bild dann ausgestellt. Dann kam die Presse und das Bild wurde bekannt. Einige der Menschen in der Aufnahme haben mich im Nachhinein beschimpft und sich geärgert, ich hätte sie doch fragen müssen, was auch zu einer großen Diskussion in den Medien darüber führte. Jetzt ist es wohl in der Tat zu einem meiner wichtigsten Bilder geworden, das jeder kennt. Natürlich habe ich das am Anfang nicht gewusst.

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Sie waren also nicht in direktem Kontakt mit den Leuten auf dem Bild?
Nein, ich bin mit dem Auto vorbeigefahren, sah die Szene und fand das wohl einigermaßen interessant und habe dreimal auf den Auslöser gedrückt und bin weitergefahren. Ich habe gar nicht mit denen gesprochen. Ich wollte eigentlich dahin, wo das Grauenhafte passiert war, aber ich kam nicht rüber, weil die Brücken zu waren.

Könnten Sie die Atmosphäre an diesem Tag ein bisschen beschreiben?
Wie eigentlich alle hatte ich in erster Linie erst einmal Angst. Als ich die Nachricht hörte, dass etwas passiert sei und dass es eine riesige Rauchwolke gäbe, schaltete ich den Fernseher ein und allmählich wurde dann erst klar, dass das kein Unfall war. Vor allem als das zweite Flugzeug dann reingeflogen ist. Man wusste ja auch nicht, was da für Rauch und Gifte in der Luft hingen. Es war ein wirrer Zustand.

Was fühlen Sie, wenn Sie sich das Bild heute anschauen?
Mittlerweile hab ich es einfach zu oft gesehen und es ist zu viel darüber geredet worden. Da wird man ein bisschen müde. Aber ich verstehe das Interesse an dem Bild, obwohl es allen Regeln widerspricht-dass es genau deswegen ein interessantes Bild ist.

Sie waren einer der wenigen Fotografen, die sich frei zwischen Ost- und West-Berlin bewegen konnten. Es muss faszinierend gewesen sein, eingeweiht in den Westen und das Alltagsleben im Osten, dem „Bruderstaat", wie Sie ihn nannten, gewesen zu sein.
Ja, wir waren damals in der DDR akkreditiert. Ich war mit meiner damaligen Frau Eva Windmöller als Korrespondent für den Stern dort. Es gab einen Austausch von Journalisten nach einem Grundlagenvertrag, den Willy Brandt ausgehandelt hatte. Dieser erlaubte es DDR-Journalisten, nach Bonn zu gehen, um von dort zu arbeiten. Im Gegenzug konnten West-Journalisten nach Ost-Berlin. Wir mussten uns sogar eine Wohnung nehmen, in der wir für drei Jahre wohnten. Die Zeit in den 70er Jahren in der DDR war zwar eine interessante, aber auch schwierige und bedrückende Zeit.

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Harald Hauswald erzählte uns, wie er auf diversen Wegen Filmrollen außer Landes schmuggeln musste. Waren Sie nicht auch der Zensur des Staates ausgeliefert?
Ja, daran war ich auch beteiligt. Ich war sehr beliebt und habe gute Freundschaften mit DDR-Fotografen geschlossen, Hauswald lernte ich aber erst später kennen. Ich war vor allem mit Arno Fischer und Sibylle Bergemann eng befreundet und war sozusagen der Kurier in den Westen. Mit unserem blauen Nummernschild konnten wir damals über die Grenze fahren und wurden nicht kontrolliert. Ich konnte also Filme hin und her transportieren oder mal ein Objektiv kaufen und ihnen mitbringen.

Sie haben drei Jahre in der DDR gelebt, hatten Sie das Gefühl von der Stasi beobachtet zu werden?
Man ging davon aus, dass man permanent beobachtet wurde. Aber direkt gemerkt habe ich es nur selten. Zu Hause hat man keine politischen Gespräche geführt, sondern ging mit den Leuten dann in den Park. Aber mit Sicherheit sind wir überwacht worden. Später habe ich mir meine Stasiakte zukommen lassen, aus welcher dann auch hervorging, was die alles wussten.

Sind Sie jemals vom Westen gebeten worden, Informationen weiterzugeben, für sie zu spionieren?
Nein, das hätte man nicht machen können. Was wir aus unserer Sicht als Journalisten und Ehepaar, das in der DDR lebte, erlebt haben, war uns schon genug. Wir sind nie von einem Nachrichtendienst kontaktiert worden.

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Wann und wie kam es zustande, dass Sie von Magnum kontaktiert wurden?
Das war sehr seltsam. Ende der 60er Jahre hatte ich schon einmal einen Brief von Elliott Erwitt bekommen. Er hatte Reportagen von mir im Stern gesehen und sagte: „Komm doch und werde Magnum-Fotograf." In meiner Arroganz habe ich dieses Angebot aber damals ausgeschlagen, da ich gerade einen hervorragenden Vertrag mit dem Stern unterschrieben hatte. Gleichzeitig für den Stern und für Magnum als Fotograf zu arbeiten, schloss sich einfach aus. Später gab es aber dann die Möglichkeit, meine Bilder in anderen Ländern, also außerhalb von Deutschland über Magnum zu vertreiben. Während meiner Zeit beim Stern betrieb Magnum also schon die Zweitauswertung meiner Bilder. Als ich dann nach vielen Jahren in New York lebte, kam Magnum wieder auf mich zu und fragte mich, ob ich jetzt nicht endlich zu ihnen kommen wollte.

Gibt es einen Trip, der Ihnen als besonders schlimm in Erinnerung geblieben ist?
Für den Stern bin ich damals in Äthiopien gewesen, wo eine große Hungersnot ausgebrochen war. Henri Nannen [damals Chefredakteur] hatte sich im Anschluss an unsere Geschichte sehr engagiert. Er alarmierte die deutsche Luftwaffe, welche deutsche Ärzte nach Äthiopien schickte. Dadurch entstand eine große Hilfsaktion, die über mehrere Jahre andauerte und sich auch in der Hilfsbereitschaft aus der Leserschaft des Sterns widerspiegelte.

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Thomas Höpker

Thomas Höpker

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