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Reisen

Ein Kontrollbesuch beim iranischen Tourismusverband

Die ITB ist voller nationaler Klischees—Ahornblätter bei den Kanadiern, Sushi bei den Japanern, ihr wisst schon. Und dann, am trostlosen Ende, gibt es den iranischen Stand.

In jedem Land gibt es Orte, die man vor Touristen versteckt. Aber es gibt nichts Vergleichbares zur ITB in Berlin, der „führende Fachmesse der internationalen Tourismus-Wirtschaft“.

ITB (was, glaube ich, für Irrelevanter Tourismus Bauernverein steht) ist eine Anlaufstelle für Leute vom Tourismusverband, Regierungsvertreter, Presse-Reise-Huren („Reiseblogger“) und Tourismusjunkies. Dieser Rummel findet jeden März im Internationalen Congress Centrum Berlin statt. Die ITB ist voller nationaler Klischees—Ahornblätter beim Stand der Kanadier, Sushi bei den Japanern, ihr wisst schon. Und dann, am trostlosen Ende, gibt es einen ruhigen, iranischen Stand. Ja, sogar der Iran will Touristen—zumindest tut er so. Aber irgendwas daran, dass diese Parade-Demokratie in diesem Jahr Touristen anziehen sollte, stimmte nicht. Eine Berliner Aktivisten-Gruppe, die Association Antiallemande Berlin, brachte ihren eigenen „Werbe-“Flyer heraus, in dem sie Iran als ein Land der Hinrichtungen, „religiösen Vielfältigkeit“ und Massenvergewaltigung anpriesen. Sie verteilten die Flyer auf der ganzen Messe und händigten sie am angrenzenden Bahnhof aus. „Der Iran bietet eine ungeheure Vielzahl unterschiedlich gestrickter Menschen“, steht auf dem Flyer, dessen Cover den dunklen Umriss einer Moschee zeigt, hinter der sich ein golden leuchtender, idyllischer Sonnenaufgang erhebt. „Umso spannender sind die mannigfaltigen Wege unserer Behörden, Minderheiten aller Couleur zu verfolgen und zur Strecke zu bringen. Während Ehefrauen, die der Untreue bezichtigt werden, auf der Straße gesteinigt werden, bekommen Homosexuelle eine gänzlich andere Behandlung: Sie werden an Baukränen erhängt, sodass alle Bescheid wissen. Denke Sie also daran, wenn Sie während ihres Aufenthaltes im Iran beim morgendlichen Spaziergang jemanden beim Baumeln erwischen: Jeder Augenblick könnte eines Schnappschusses wert sein.“ Ich habe einen dieser Flyer mit zum iranischen Messestand genommen. Hier kommt, was dann passierte. Der Flyer, den die Gruppe verteilt hat.

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Das iranische Pamphlet wurde von dem Studenten Konstantin B., dem freien Journalisten und Aktivisten der Kampagne STOP THE BOMB Jonathan Weckerle und Kazem Moussavi, dem deutschen Sprecher der Grünen Partei des Iran, gemacht. Sie haben 250 Stück drucken lassen und sie das ganze Wochenende über verteilt. Konstantin, der den Flyer erstellt hat, wollte die Kehrseite der Touristenfalle zeigen: „Es ist eigentlich alles Bullshit, diese ganze Tourismus-Sache. Wir müssen das kritisch kommentieren.“Als ich mit den Jungs über das Messegelände spazierte, erklärte Konstantin: „Es ist ziemlich zynisch, die ‚Schönheit des multikulturellen Irans zu erforschen‘, wenn im selben Moment Menschen verfolgt und hingerichtet werden.“

Kazem Moussavi ist der deutsche Sprecher der Grünen Partei des Iran. Er lebt seit 22 Jahren in Berlin und nennt es seine Heimat. Kazem und Konstantin schauen sich die Flyer an, die das offizielle iranische Touristenbüro und private Unternehmen auf der ITB verteilen. Kazem hat sich reingeschlichen, nachdem er einen kleinen Plausch mit den Security-Männern an der Tür hatte.

Kazem zeigt uns, was er die iranische Touristen-Propaganda nennt. „Es ist nicht alles so normal, wie es scheint“, sagt er.

Anscheinend kann man im Iran jede Menge Ski fahren.

 „Iran, Land der Gegensätze.“

Auf den letzten Seiten dieser Broschüre werden die Regeln für den Iranbesuch dargelegt: keine Fotos vom Militär oder von Flughäfen, es ist nicht erlaubt, CDs mit westlicher Musik einzuführen, keine Bücher mit Bildern, keine Magazine, kein Alkohol (oder Schokolade mit Alkohol) und Frauen müssen sich der islamischen Kleiderordnung unterwerfen, sogar um das Flugzeug im Abflugland zu betreten. Ein Datum, wann diese Broschüre gedruckt wurde, ist nicht angegeben.

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Im Vergleich zur restlichen Messe, war der iranische Stand äußerst ruhig.

Dina Cheraghvand, internationaler Marketing Managerin von Iran Paradise, einer privaten Reiseagentur aus Teheran, stellte sich den Fragen der Öffentlichkeit. Dina sagte, das Arbeiten am iranischen Stand war im letzten Jahr in Ordnung, aber dieses Jahr wäre es „eine Katastrophe“.

Eine Praktikantin vom iranischen Tourismusausschuss zeigte mir ihren Nagellack. Sie war stolz darauf, sagen zu können, dass es ihr erlaubt ist, im Iran Nagellack zu tragen. Als ich Dina einen der iranischen Flyer von der Stop the Bomb-Gruppe gab, übersetzte der deutsche Journalist Rainer Russmann den Text ins Englische. Selbst nachdem ich Dina den Flyer gezeigt hatte, bot sie mir noch traditionell iranische Süßigkeiten an.

Am Ende posiert Dina sogar noch für ein Bild, bevor wir uns zum Abschluss die Hand gaben. „ITB—das macht mich traurig“, sagt Dina. „Am schlimmsten ist es, dass sie einen verurteilen und manche respektieren Iraner nicht.“