UFO-Nazis, „kriminelle Ausländer“ und Zurück zum Schilling: Was schreibt die „Wahrheitspresse“?
Titelbild: Screenshot Netzplanet

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Wirre Welt

UFO-Nazis, „kriminelle Ausländer“ und Zurück zum Schilling: Was schreibt die „Wahrheitspresse“?

Netzplanet, eine Seite auf der gegen Flüchtlinge gehetzt wird und auf der Verschwörungstheorien Verbreitung finden, ist in Deutschland „beliebter" als F.A.Z., Huffington Post und N-TV.

Das Wort „Lügenpresse" haben schon die Nazis gerne benutzt. Bei Pegida hat es ein Revival erfahren und wurde in Deutschland sogar zum Unwort des Jahres gekürt. Sicherlich ist eine gewisse kritische Haltung gegenüber Medien nicht verkehrt. Wer diesen Begriff nutzt, will damit jedoch zum Ausdruck bringen, dass die „Mainstreammedien" sie oder ihn manipulieren. Jemand zieht die Fäden und verbreitet die Unwahrheit. Woher beziehen diese Menschen aber dann ihre Informationen? Wer sagt ihnen, was „in Wirklichkeit" in der Welt los ist? Die Seite Netzplanet.net wendet sich an diese Leute und steht damit in der langen Tradition deutschtümelnder „Wahrheitsmedien".

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Das Internet hat den Ausstieg aus den „Mainstreammedien" erheblich erleichtert. Wer zuvor der „Lügenpresse" entgehen wollte, musste auf persönliche Kontakte, Versandbuchhandlungen, Fachmessen und einzelne Zeitschriften zurückgreifen. Viele Schriften, die beanspruchten die „Wahrheit" zu verkünden, kamen aus den Bereichen der Esoterik und Verschwörungsideologien. Sie trugen häufig fantastische Züge – einige hatten fließende Übergänge zu Rechtsextremismus und Antisemitismus. So verbreitete der Holocaustleugner Ernst Zündel bereits 1977 die „Wahrheit", Nazis hätten in Neuschwabenland UFOs entwickelt.

Den großen Durchbruch brachten allerdings die Bücher Jan Udo Holeys. Unter dem Pseudonym Jan van Helsing schrieb Holey zwei antisemitische Werke mit dem Titel Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert, die sich Anfang der 1990er Jahre über 100.000 mal verkauften. Holey berief sich auf den Mythos einer „jüdischen Weltverschwörung", die er für alles Schlechte auf der Welt verantwortlich machte. Zum Plan der Weltbeherrschung gehörte auch die Kontrolle der Presse. Darüber hinaus behauptete Holey, Hitler und seine UFO-Nazis hätten versucht sich der Verschwörung entgegen zu stellen. Da aber die „Weltverschwörer" den Zweiten Weltkrieg gewannen, stünde Deutschland seit dieser Zeit unter deren Herrschaft – die BRD GmbH lässt grüßen. An diesen Erfolg schloss auch Johannes „Jo" Conrad an. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre verfasste er mehrere Bücher, moderierte eine Sendung im Offenen Kanal Bremen und wandte sich schließlich dem Internet zu. Bei bewusst.tv moderiert er aktuell Sendungen mit esoterischen und weltverschwörungsideologischen Themen.

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Zu den „alternativen" Informationsquellen gehört auch das Magazin 2000Plus. Die Zeitschrift wird seit 1979 mit wechselnden Untertiteln veröffentlicht. Die Herausgeberin Ingrid Schlotterbeck glaubt ab 2001 mit Unterbrechungen „Außenministerin" eines „Deutschen Reiches" gewesen zu sein. Die „Reichsbürgerin" steuert selbst gerne Artikel bei, in der die Bundesrepublik als eine Verschwörung gegen das deutsche Volk dargestellt wird. Auch Jo Conrad schrieb für Magazin 2000Plus.

Screenshot der Website von Magazin 2000Plus mit den üblichen Themen

Mit der Verbreitung des Internets als Massenmedium und dem Web 2.0 wird es noch einfacher „Mainstreammedien" zu meiden. Über die sozialen Netzwerke werden Links zu unseriösen Newsseiten geteilt, die sich steigender Beliebtheit erfreuen. Laut der Social-Media-News-Charts Seite 10.000 Flies belegt das „unabhängige" Newsportal Netzplanet.net (NP) im Mai Platz 14 der Like-Medien Top 100—noch vor ProSieben, FAZ und n-tv. Die seit 2013 bestehende Seite dient als Beispiel für die zahlreichen anderen „alternativen" Informationsquellen. Den Betreiberinnen und Betreibern ist ihre Anonymität aus Angst vor Gefährdung ihrer Arbeit durch „Gutmenschen" sehr wichtig. Weder auf Facebook noch auf der Webseite lässt sich ein Impressum finden. Die Domain ist auf eine Firma in Panama registriert, die Server stehen in den USA.

Wirre Welt: Wir haben uns die besten Pegida-Plakate angeschaut.

Auf Netzplanet werden im Schnitt zehn bis 15 Beiträge pro Tag veröffentlicht. Sie bestehen zumeist aus zusammengefassten Artikeln oder Videos anderer Medien. Gelegentlich wird dem Copy-Paste-Vorgang auch ein eigener Kommentar beigefügt. Zusätzlich dürfen Gastautorinnen und –autoren rechtspopulistische „Meinungen" verbreiten. Inhaltlich zeichnen die Betreiberinnen und Betreiber der Seite ein bestimmtes Bild der Gesellschaft: Horden von „Asylanten" fallen mordend und vergewaltigend über uns her, stehlen uns das Wurstbrötchen aus dem Mund und infizieren uns als Dank mit tödlichen Krankheiten. Schuld daran ist die Politik, die nicht dem Volkswillen gehorcht. Daneben finden sich auf Netzplanet auch verschwörungsideologische Inhalte, wie das Märchen von der Fortexistenz des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937. Gern wird auch mit zweierlei Maß gemessen. Während in der Rubrik „Soziales" viel Verständnis für klauende Rentnerinnen und Rentner gezeigt wird, freut man sich im „Multikulti"-Artikel „Suhl: Stadt plant Zaun um Asylheim – Sicherheit für Flüchtlinge oder Schutz vor Ladendiebstählen?" über die Umfriedung einer Flüchtlingsunterkunft. Wer nicht begriffen hat, worum es eigentlich geht, der und dem beantwortet das NP-Mitglied „Werdecker" die Frage aus der Überschrift (Alle Fehler im Original): „In erster Linie dient der Zaun dem Schutz der Deutschen. Das Diebsgesindes sollte sich wie im Gefängnis fühlen. Alles andere ist gutmenshcliches Gelabere oder schlicht Dummheit und Vertuschung.." Eigentlich verstößt „Werdecker" gegen die eigenen Richtlinien zum Kommentieren, schließlich werden Kommentare „in sehr schlechtem Deutsch" nicht freigeschaltet. Scheiß drauf, schließlich liken 30 Personen diese rassistische Hetze.

Zum Alarmismus der Seite passt, dass die Betreiberinnen und Betreiber auch öfter auf Fakes hereinfallen: So etwa die Meldung des Satireblogs Sonnenstaatland, der zufolge die Bundesregierung Internettrolle beschäftigen würde. Dies ist nicht verwunderlich, schließlich reihen sich die satirischen Videos und Artikel in die eigenen Erzählungen gut ein. Die Betreiberinnen und Betreiber sehen lieber ein Ressentiment bestätigt, als den Wahrheitsgehalt der Nachricht zu prüfen. Entsprechend täuscht der Begriff Newsportal über die eigentliche Funktion der Seite hinweg. Auf ihr wird eine Wohlfühlumgebung für eine Volksgemeinschaft geboten, zu der sich die Schreibenden und Lesenden unter den Artikeln zusammenschließen. In den Kommentaren wird Frust abgelassen und eine Feindbestimmung vorgenommen: Angela Merkel, die Bundesrepublik, Linke, Amerika, Politikerinnen und Politiker etc. Man selbst nimmt sich als Teil des Volkszornes wahr. Widerspruch wird in dieser Volksgemeinschaft nicht geduldet: Verboten sind „Kommentare von linken Gutmenschen und Trollen", sowie „Hitler Vergleiche und Anmerkungen jeder Art" , wie es in den Regeln zu den Kommentaren heißt. Inzwischen versuchen die Betreiberinnen und Betreiber ein Forum für lokale Stammtische einzurichten. Auf diese Weise soll eine Vernetzung der Anhängerinnen und Anhänger auch im Meatspace befördert werden. Das Volk soll marschieren.

Auch in Österreich werden wir mir solchen Seiten beglückt. Die rechte Seite Unzensuriert schreibt von sich selbst, sie wäre "der Wahrheit verpflichtet". In der Realität zitieren sie die Kronen Zeitung und missbrauchen beispielsweise die Amokfahrt in Graz, um politisches Kapital daraus zu schlagen. Dabei verlassen sie sich als Quelle nicht auf die Polizei, sondern auf einen Post in irgendeinem Forum.

Im Gefühl belogen und betrogen zu werden schließen sich Menschen in Sozialen Netzwerken und in Bewegungen wie PEGIDA zusammen. Sie bestätigen sich gegenseitig in ihren Gefühlen der Ohnmacht und des Manipuliert-Werdens. Seiten wie Netzplanet bieten diesen Menschen einen Ort, an dem sie sich als Opfer fühlen und gegen Fremde hetzen können. Wer „Lügenpresse" schreit, sucht also nicht nach Wahrheit, sondern nach Schuldigen.

Titelbild: Screenshot Netzplanet