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Verkehrte braune Welt: Der Nazi-Überfall im EKH

Im vergangenen Oktober überfiel die braune Fußball-Schlägertruppe „Unsterblich" das linke Kulturzentrum EKH. Nun sind die Anklagen gegen die Neonazis fertig. Und die Opfer des Angriffs werden gleich mitangeklagt.

Neonazi auf dem Weg ins Stadion

Am Sonntag, den 27. Oktober 2013, ging plötzlich der Ruf „Da sind Nazis!" durch das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH). Die Aktivisten der „Kommunistischen Gewerkschaftsinitiative International" (Komintern) hielten gerade ihre Sitzung ab, als das Chaos ausbrach. Rudolf F. konnte gerade noch seine Kollegen warnen, dann ging er unter Schlägen zu Boden. F. erlitt dabei eine Schädelprellung, eine leichte Gehirnerschütterung und eine Rissquetschwunde im Gesicht. Danach drangen rund 30 Neonazis der braunen „Unsterblich"-Truppe ins EKH, das linke Kulturzentrum in Wien-Favoriten, ein. Sie waren bewaffnet mit Holzknüppeln, Steinschleudern und Flaschen.

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Das war nicht der erste Überfall der rechten „UST"-Kameraden. Schon in der Vergangenheit wurde eine Kundgebung des Kulturzentrums Amerlinghaus zur Zielscheibe ihrer Angriffe. In diesem Fall hatten die Nazis sich allerdings deutlich verrechnet: Die GewerkschafterInnen erwiesen sich als äußerst wehrhaft und vertrieben die Nazis sehr schnell aus den Räumen des türkisch-kurdischen Kulturvereins ATIGF im Kulturzentrum EKH. Anschließend verfolgten sie sie und konnten einige der Nazis bis zum Eintreffen der Polizei festhalten.

Die Polizei nahm anschließend neun Verdächtige fest, sieben von ihnen waren bereits vorbestraft, zwei auch schon einschlägig wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung. Jetzt liegt die Anklage vor: sieben der Verdächtigen wurden wegen Hausfriedensbruch angeklagt, einer zusätzlich wegen Körperverletzung. Dem Vernehmen nach befinden sich unter den Angeklagten auch zentrale Figuren der Unsterblich-Truppe, etwa Stefan Herbert S. und Claudio P.

Unsterblich-Schriftzug am Austria-Stadion wird entfernt

Die Anklage offenbarte allerdings auch eine große Überraschung: zwei der Komintern-Aktivisten werden nun ebenfalls beschuldigt, weil einer der Rechtsextremen bei der Flucht eine leichte Verletzung davon trug. Besonders pikant ist dabei, dass die Staatsanwaltschaft beide Anklagen gemeinsam behandelt. Täter und Opfer werden also im gleichen Verfahren als Beschuldigte geführt und werden gemeinsam vor und im Gerichtssaal aufeinandertreffen.

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Wir sprachen mit Komintern-Sekretär Gerhard Mack, der über diese diese Entwicklung empört ist: „Ich halte es für einen Justizskandal, dass die Zeugen des Überfalls zuerst zu Verdächtigen in Gegenanklagen wurden und sich jetzt die Kollegen aus unseren Reihen, die den Angriff zurückgedrängt haben, auf der Anklagebank wiederfinden."

Mack ist auch über etwas anderes erstaunt: Die Neonazis wurden dabei beobachtet, wie sie vor dem Haus Hitler-Grüße gemacht hätten, dennoch gibt es keine Anklagen wegen Wiederbetätigung. Mack sagt dazu: „Es ist mir mehr als schleierhaft, warum der einschlägig bekannte UST-Schlägertrupp unbehelligt ausländerfeindliche Parolen skandieren und den Hitler-Gruß zeigen kann und sich nun nicht wegen Wiederbetätigung verantworten muss. Auch staatliche Institutionen kennen die Truppe ja eigentlich gut, zwei der Angreifer sind bereits einschlägig vorbestraft sind und der Rest steht im Blickfeld des Verfassungsschutzes."

Unsterblich-Nazis zeigen bei einem Auswärtsspiel in Porto das Keltenkreuz und die Reichskriegsfahne

Die Unsterblich-Truppe wurde vor einigen Jahren von rechtsextremen Fans des Fußballclubs Austria Wien gegründet. Dem Vernehmen nach steckt hinter der Gründung das „Blood and Honour"-Netzwerk, eine international auftretende militante Nazi-Kadertruppe. Das ist an sich bereits mehr als absurd, denn die Austria hat eine stark jüdisch geprägte Geschichte. Der langjährige Namensgeber des violetten Stadions, Franz Horr, war sogar als „Revolutionärer Sozialist" im Widerstand gegen den Faschismus aktiv.

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Karl und Rosa von der antifaschistischen Austria-Faninitiative „OSTkurve statt USTkurve" erzählen uns, dass die Unsterblich-Truppe vor allem auf der Osttribüne der Wiener Austria immer wieder andere Fans bedroht und attackiert. In der Vergangenheit hielten sie sogar während eines Spiels eine Gedenkdemo für ihren verstorbenen Kameraden Uwe B. mitten auf der Tribüne ab. Anwesend war dabei unter anderem der wiederholt verurteilte Gerd Honsik, eine der wichtigsten Figuren der österreichischen Neonazi-Szene. Auch rechte Rapid-Kameraden der „Alten Garde" besuchten bei dieser Gelegenheit die Fantribüne des Erzrivalen Austria. Kein Wunder, sind doch die Neonazis von Austria und Rapid im Fanzusammenschluss „Eisern Wien" miteinander verbündet.

Sogar Hitler-Grüße wurden bei der Aktion für Uwe B. offen gezeigt, es kam allerdings nicht zu Verurteilungen. Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz meinten, der deshalb angeklagte Rechtsextreme habe sich nur „aufgrund des starken Alkoholisierungsgrads zum Hitlergruß hinreißen lassen". Karl und Rosa finden das bestenfalls zynisch: „Offenbar reicht es, wenn Neonazis behaupten, besoffen gewesen zu sein, damit ihnen nichts passiert."

Unsterblich-Truppe bei einem Auswärtsspiel mit Reichskriegsfahne und SS-Totenkopf

Das war allerdings keineswegs das einzige Mal, dass die Unsterblich-Leute auffielen. Karl und Rosa berichten, dass im Stadion oder auf Auswärtsfahrten regelmäßig Neonazi-Symbole gezeigt wurden, etwa ein großes Transparent im Stil der NS-Organisation „Blood and Honour", eine Reichskriegsfahne oder Solidaritätsparolen für den spanischen Neonazi Josué Estébanez, der wegen Mordes an dem Antifaschisten Carlos Palomino zu 26 Jahren Haft verurteilt wurde.

Es handelt sich bei Unsterblich auch keineswegs um eine dumme Hooligan-Truppe. Einer der zentralen UST-Aktivisten ist Alexander Ch., der seinen Job als Generalsekretär des österreichischen Rechtsanwaltskammertags verlor, als seine rechten Verstrickungen in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Ch. kandidierte einerseits bereits auf der Liste der FPÖ für den Nationalrat, andererseits gibt es von ihm gemeinsame Bilder mit den verurteilten Neonazi-Größen Gottfried Küssel und Franz Radl.

Karl von „OSTkurve statt USTkurve" erzählt abschließend über die Hintergründe des Angriffs auf die Komintern: „Es war der Tag des Derbys gegen Rapid. Offenbar waren die Nazis am Weg von ihrem Lokal in der Herzgasse in Wien-Favoriten zum Stadion und wollten dabei das Kirchweger-Haus überfallen. Gut, dass sie diesmal an die Falschen geraten sind." Rosa ergänzt: „Es ist ein Skandal, dass nun Antifaschisten angeklagt werden. Widerstand gegen Nazis ist immer nötig."