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Popkultur

Wir haben uns ,Verliebt in Berlin‘ nach 10 Jahren noch einmal angesehen

Wer einen Teil seiner Jugend bei Sat.1 verbracht hat und weiß, wer Schnattchen ist, der wurde Opfer der erfolgreichsten deutschen Telenovela.
Lisa Plenske aus Verliebt in Berlin

Es gibt Serien, die auch zehn Jahre nach ihrem wohlverdienten Ende immer noch einen Platz in unserem Leben haben. Entweder weil sie wie O.C., California oder Die Nanny bis heute noch täglich wiederholt werden oder weil Netflix irgendwann einfach unsere gesamte Kindheit rebooten wird. Es gibt aber auch Serien, bei denen wir es seit ihrer Erstausstrahlung irgendwie geschafft haben, sie voll und ganz zu verdrängen. Und das, obwohl sie über Monate hinweg einen fixen Bestandteil unseres geregelten Tagesablaufs darstellten. Eine davon ist Verliebt in Berlin.

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Lisa Plenske aus Verliebt in Berlin knabbert an einem Stift, während sie telefoniert

Foto: imago | Scherf

Obwohl Verliebt in Berlin vielleicht nicht die erste Serie ist, an die wir denken, wenn wir in nostalgischen TV-Erinnerungen schwelgen, kann man rückblickend betrachtet nicht leugnen, dass ViB eine Zeit lang leider wirklich das größte Ding im Fernsehen war. Das beweisen nicht nur die unfassbar hohen Quoten von damals (das Finale verfolgten über 7 Millionen Zuschauer), sondern auch die absurden Merchandising-Artikel, die mit der Ausstrahlung einhergingen: Neben einem monatlich erscheinenden Fan-Magazin, unzähligen DVD-Boxsets und mindestens genau so vielen Büchern und Soundtracks gab es sogar ein verdammtes PC-Spiel zur Serie. Ich schwöre.

Kerima Moda – der pinkschattierte Wolkenkratzer

Es kann schon mal passieren, dass man nichtsahnend durch Berlin schlendert und irgendwann, wenn man plötzlich vorm GSW-Hochhaus steht, das schlimmste Déjà-vu aller Zeiten durchleiden muss. Und dann kommt alles wieder: Das hier ist Kerima Moda—Der pinkschattierte Wolkenkratzer, in den Lisa „Die Plenske" Plenske einst so unbeholfen reinwatschelte, nur um nach unglaublichen 364 Folgen und einem Spielfilm nicht nur endlich die große Liebe zu finden, sondern nebenher auch noch dafür zu sorgen, dass Nena tagtäglich um 19:15 Uhr „Liebe ist" aus dem Fernseher säuselt.

Kerima Moda: Der pinkschattierte Wolkenkratzer aus Verliebt in Berlin

Kerima Moda: Das GSW-Hochhaus in Berlin. Foto: Cara Courage | Flickr | CC BY-ND 2.0

Als erste deutschsprachige Telenovela, beinahe 1:1 dem kolumbianischen Vorbild Yo soy Betty, la fea nachgebaut, wurde ViB als noch nie da gewesenes Format angekündigt. Und obwohl die Serie letztendlich ungefähr so bahnbrechend war wie ein Ombré und ich eigentlich noch nie etwas mit Daily Soaps anfangen konnte, hatte Verliebt in Berlin irgendetwas, woran ich kleben blieb. Wahrscheinlich haben in Wahrheit einfach nur alle durchgehalten, um am Ende zu sehen, wie sie aufgehübscht und ohne Zahnspange aussehen würde. (Spoiler: Eigentlich nicht wirklich anders.)

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Zehn Jahre lang war Verliebt in Berlin also in die hinterste Ecke des Serien-Nirwanas verbannt, weil es ganz einfach nichts gab, worauf das Plenske-Märchen wirklich dauerhaften Einfluss hinterlassen hatte. Umso überraschender, dass ich allein durch das Lesen der Namen der Charaktere plötzlich jeden Darsteller vor meinem inneren Auge visualisieren konnte—als wären sie die entfernten Verwandten, deren Existenz man für gewöhnlich ausblendet und an die man sich nur erinnert, wenn man zufällig ihre Namen hört.

Lisa "Schnattchen" Plenske

Hauptfigur Lisa Plenske, die von ihrem Papa liebevoll „Schnattchen" genannt wird (eine mehr oder weniger subtile Erinnerung daran, dass sie das hässliche Entlein der Geschichte ist), fängt als graue Maus mit Grips in einem Modeunternehmen an. Abends sitzt sie dann in ihrem Kinderzimmer und schaut verträumt aus dem Fenster, während sie ihr Loser-Leben aus dem Tagebuch-Off kommentiert. Ihre fast schon schablonenhaften Provinz-Eltern, die unentwegt Flanell und Haarkranz tragen, trösten sie währenddessen über den leidigen Liebeskummer hinweg. Das unerreichbare Objekt der Begierde: Lisas Vorgesetzter David Seidel—ein Gesicht, als hätte es jemand schwungvoll mit einem Federkiel gezeichnet.

Auch der restliche Rollen-Kader war ein richtig schönes Klischee-Feuerwerk: Jürgen, der Typ mit dem Kiosk und Lisas bester Freund, der immer ein bisschen so aussah, als wäre er Mitglied bei Rosenstolz. Mariella von Irgendwas, ein adeliges Schneewittchen und Davids anfängliche Verlobte mit dem Herzen aus Gold. Ihre Mutter Sophie, die obligatorische Intrigantin mit dem bösen Blick. Und Hugo, der Designer mit Lipgloss und Schal, der immer wild fuchtelnd auf Französisch herumbrüllte und bei dem es fast schon mutig wirkte, als ihm eine ernsthafte Beziehung mit einer Frau ins Drehbuch geschrieben wurde.

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Das große Hochzeitsfinale der ersten Staffel wurde gehypet wie ein Event. Vor der Ausstrahlung zur Primetime—die letzte Folge war als Spielfilm angelegt—wurde eine einstündige Countdown-Show live aus Berlin gesendet, als wäre es der Eurovision Song Contest. Nachdem die Plenske-Geschichte fertig erzählt war, wurde kurzerhand ein verschollener Halbbruder eingeführt, der das ganze Drama nochmal von vorne durchlaufen sollte, nur mit vertauschten Geschlechterrollen. Aber die Kuh war nun mal gemolken.

Verliebt in Berlin aus heutiger Sicht

Es ist ernüchternd und beruhigend zugleich, wie flach Verliebt in Berlin aus heutiger Sicht erscheint. Ein bisschen wie eine abgeschwächte Version dieser spanischen Seifenopern, in denen immer irgendjemand hysterisch „¿Por qué Roberto, por qué?" schreit und dabei in Nahaufnahme heult—aber genau darauf hat die Serie ja auch aufgebaut. Und wem der deutsche Ableger dann doch zu heftig war, der konnte sich später an Ugly Betty, der amerikanischen Auflage der kolumbianischen Ursprungs-Telenovela, erfreuen.

Ohne den riesigen Telenovela-Erfolg von Verliebt in Berlin wäre Gottes Geschenk an die Senioren dieser Welt vielleicht nie in Produktion gegangen und die Nachmittage meiner Oma wären ohne Sturm der Liebe mit Sicherheit um einiges unspannender gewesen. Ganz zu schweigen von Jeanette Biedermann, deren zweiter Fernsehfrühling eigentlich nur ein lauwarmer Aufguss von ViB war, und der K11-Kommissarin, die ohne den immensen Quotenaufwind wohl auch nie einen Karrieresprung von Polizei zu Promi Big Brother geschafft hätte.

ViB-Wiederholungen können schon Spaß machen, mehr aber auch nicht. Zumindest wissen wir jetzt, warum wir uns all die Jahre nicht an die Abenteuer von Schnattchen erinnern konnten—eine deutsche Telenovela, bei der sogar 2006 schon immer ein Hauch Ironie mitschwang, kann man 2016 einfach nicht mehr so lieben, wie man sie damals geliebt hat. Und Liebe wird eben nicht. Liebe ist.

Franz auf Twitter: @FranzLicht