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Popkultur

Filme ohne Sinn oder viel zu viel davon

Dieser Sommer kann es uns einfach nicht recht machen. Wir hassen 'Kick Ass 2', 'Elysium' und 'The Bling Ring'.

Filmemacher verbiegen sich manchmal in alle Himmelsrichtungen, nur um einem Sujet ein fettes Stück Tiefgang und wegweisender Intention anzudichten, vielleicht auch eine allgemeine Moral oder gar eine beliebige politische Aussage. So etwas funktioniert aber nicht nebenbei in der Post Production und eine so halbherzige, bemühte Sinngebung läuft meistens schief. Wer meint, dass die diesjährigen Sommerfilme sich doch bitte sozialkritischer und moralischer positionieren sollen (und es gibt Indizien, dass manche Menschen genau das denken), der spinnt meiner Meinung nach.

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Elysium ist ein gutes Beispiel dafür, wie einer schwach geschriebenen, wackeligen Tech-Oper eine oberflächliche Bedeutung angehängt wird, die deshalb nicht sofort glaubwürdig wird, wie auch unser Filmfreund Jonas Vogt findet. Und bei Kick Ass 2 kotzt mich genau das Gegenteil an, was heißen soll: der Umstand, dass sich der Film in seinem nichtssagenden Durcheinander so wohl fühlt. Mit den klauenden Teens von The Bling Ring fange ich gar nicht erst an. Das erledigt stattdessen unser Chef David für mich.

Kick Ass 2: Alte Antipathie

Ich will uns gar nicht zu lange aufhalten, denn für mich hat Kick Ass 2 keine Daseinsberechtigung. Bei dem ersten Teil 2010 wollte ich das Kino schon schwer genervt verlassen, was dieses Mal nicht so schlimm war, da ich wusste, auf welche Art Mist ich mich einlasse. "Hey, du magst doch Comics, warum gefällt dir Kick Ass nicht?" Ganz ehrlich, ein Comic (bzw. eine Comicverfilmung), die ständig selbstreferenzierend darauf beharrt, dass es eben kein Comic ist sondern die reale Welt, in der Genre-Extreme billigst und ohne Hand und Fuss zusammengewürfelt werden, ist für mich in so einer faulen und uninspirierten Ausführung nicht spaßig, sondern eine Zumutung.

Kick Ass verkleidet sich als Pimp—boa, voll witzig—und dann schneidet die 15-jährige Superheldin Hit Girl, die von Chloe Moretz gespielt wird und online mittlerweile schon als stärkste und tollste Frauenfigur der Actionfilmgeschichte gehandelt wird, einem homophoben Straßenschläger das Gesicht ab. So weit so gut, aber warum finde ich die Kombination aus bunter Cosplay-Gaudi, Trash-Witz und überchoreographierten Kampfszenen trotzdem so scheiße? Also wenn ich das richtig verstehe, basiert der Unterhaltungseffekt der Kick Ass Reihe auf der Tatsache, dass plakative Genre-Extreme hart aneinandergereiht werden, um WTF-Kontrast zu erzeugen, so irgendwo zwischen Bubble Gum-Humor und blutiger Enthauptung.

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Die Kostüme mögen lustig sein, Chloe ist tatsächlich eine coole Sau und ich habe an gewissen Stellen auch schmunzeln müssen, aber warum nimmt sich Kick Ass 2 zwei Sekunden nach einem Onanier-Gag gleich wieder dermaßen ernst und verhandelt Familienwerte? Durch "Das musste ich lernen"-Szenen oder nur weil dann gleich wieder gewaltsam Leute sterben, wirkt der Film auch nicht reif oder erwachsener. Im Gegenteil: Das Niveau ist durchgehend ziemlich auf Kindergartenebene. Kick Ass 2 hinkt und humpelt, gerade wenn man nicht weiß, wo der Film mit einem eigentlich hin will. Wobei, ich denke, dass in den Kick Ass-Comics die Hyperrealität und Selbstironie noch eine andere Wertigkeit haben und nicht so verwaschen sind. So ein Film hat es nicht leicht, inmitten der aktuellen Flut aus "seriösen" Comic-Verfilmungen.

Bis auf Night Bitch—und die bekommt auch nur wegen übermäßiger Attraktivität und Megaausschnitt einen Freibrief—nerven mich fast alle Charaktere in Kick Ass 2. Jim Carrey, als Colonel Stars & Stripes, ist weder lustig noch überragend in diesem Film und hat sich im Nachhinein ziemlich von dem wackligen Gewaltreigen distanziert. Auch irgendwie lächerlich, wenn man bedenkt, dass ihm das vielleicht während der Dreharbeiten schon hätte auffallen können, wie knochenbrechend brutal Kick Ass 2 ist—besonders in Jim Carreys Szenen. Es werden tatsächlich Mütter umgebracht, Väter opfern sich und dazwischen gibt es Teenie-Drama, bei dem man Hit Girl beim Pubertieren zuschauen darf. Da freue ich mich echt mehr auf Riddick!

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JOSEF ZORN

Elysium: Linker Sommer-Blockbuster oder doch Tea Party Narrative

Ja, ich weiß: Ihr werdet Elysium alle eh ganz ok finden. Ich weiß auch, dass die Rolle von Sharlto Copley als diabolischer Agent Kruger im Englischen (konnte den Film leider nur auf Deutsch sehen) sicher verdammt eindrucksvoll ist und Jodie Foster die über Leichen gehende Verteidigungsministerin souverän runterspielt. Aber mal ehrlich: Elysium ist kein guter Film.

Die Geschichte braucht ewig um in die Gänge zu kommen, zwei Action-Szenen plus viel Leerlauf ergeben keine vernünftige Klimax, und vor allem gegen Ende strotzt das Drehbuch nur so vor riesigen Logiklöchern. Nach 90 Minuten sind einem alle Figuren völlig egal—selbst Alice Braga, die als sich selbst aufopfernde Krankenschwester und Mutter eigentlich ausschließlich Sympathieträgerin sein sollte.

Man muss dem Film zugute halten, dass er sich große Mühe gibt, die dystopische Stimmung im L.A. des Jahres 2154 aufzubauen. Und die Szenen mit Matt Damon im Exoskelett sind ebenso ziemlich cool. Aber Elysium will mehr sein als ein akzeptabler Actionfilm: nämlich eine bitterböse Satire auf die amerikanische Politik. Im Grunde sind dafür auch alle Zutaten vorhanden: Einwanderung, Klassentrennung, Kampf für eine gleichwertige Gesundheitsversorgung.

Die unfähigen Schreiberlinge beim Spiegel riefen Elysium deshalb gleich zum linken Sommerblockbuster aus – ohne überhaupt einmal dran zu denken, dass die Überwindung von systembedingten Zuständen durch einen Einzelkämpfer eigentlich genauso viel vom Tea-Party-Narrativ innehat. Aber gerade durch die Überbetonung von Kruger entzieht sich der Film letztlich selbst seinen politischen Boden. Die letzte halbe Stunde ist das Problem nur noch der Psychopath. Die Umstände, die ihn vielleicht hervorgebracht haben, sind scheißegal. Sorry, das reicht einfach nicht.

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JONAS VOGT

The Bling Ring: Transformers sind subtiler inszeniert

The Bling Ring hätte die perfekte Anti-These zu den betont langweiligen Mumblecore-Filmen der letzten Jahre werden können, die uns über Stunden mit schweren Gesprächen übers Erwachsen werden gequält haben. Das hätte gut gepasst, denn Sophia Coppola wird vorgeworfen, dass es in ihren Filmen nur um die glänzenden Oberflächen und schönen Kompositionen geht. Genau das muss sich auch die Generation Internet oft anhören, die in The Bling Ring anhand einer kleinen Diebesbande aus L.A. porträtiert wird. Aber zum ersten Mal in ihre Karriere (okay, wenn man Der Pate III mitzählt zum zweiten Mal) hat Coppola es verkackt.

Hauptsächlich, weil der Film in keiner Sekunde feiert, was die Gang lebt. In jeder Szene hat man das Gefühl, dass die Regisseurin mit erhobenem Zeigefinger neben dir im Kinosaal sitzt und sagt "Das schaut jetzt vielleicht nach Spaß aus, aber Selfies und Koks sind eigentlich überhaupt nicht lustig." Es ist fast so, als hätten die Betreiber von Kreuz.net einen Film über den flamboyanten und ausschweifenden Lifestyle von Schwulen gemacht, was ich mir bei genauerer Überlegung aber sogar witziger vorstelle.

Dazu kommt, dass der Film abartig banal gestrickt ist. Der coole Onkel Charlie hat mehr Tiefgang als alle Charaktere des Films zusammen. Auf der einen Seite gibt es den Buben Marc, der eigentlich eh voll lieb und okay ist, aber weil er anders (allein dieses anders wäre einen mehrseitigen Rant wert) ist, gerät er eben in den falschen Freundeskreis, was absurderweise auch genau die Argumentationslinie der Verteidigung im Bradley Manning Prozess ist. Auf der anderen Seite stehen die eindimensionalen Frauenfiguren, die von einfach nur dumpf (die von Emma Watson gespielte Nicki und ihre Mutter) bis zu durchtrieben (Katie Chang) reichen. Und während uns Marc den Film mit neunmalklugen Statements aus seiner Vernehmung wie "America has its sick fascination with a Bonnie & Clyde kinda thing" noch einmal erklärt, bleibt Nicki nur der Lolita-Move, wenn der Wasserlieferant kommt.

Die beiden schlimmsten Szenen hat sich Sophia Coppola aber für den Schluss aufgehoben, damit man auch ja mit der richtigen Einstellung aus dem Kino geht. Du sollst nicht stehlen ist nicht nur das 7. Gebot und deshalb wichtig, sondern auch ein Gesetz und wer dagegen verstößt, kommt ins Gefängnis. Und im amerikanischen Gefängnis muss man orangefarbige Anzüge tragen und in Ketten gelegt zwischen riesigen Native-Americans und Afro-Amerikanern herummarschieren. Also besser nichts fladern! Und die Talkshow Szene, nach der der Film dann endlich aus ist, unterstreicht noch einmal auf eine derartig plumpe Art, wie verlogen und dumm der Celebrity-Kult nicht ist, dass Transformers dagegen wie ein subtil inszeniertes Meisterwerk wirkt.

Mein Rat: Ihr solltet das Geld fürs Kino-Ticket lieber in ein paar Dosen von Paris Hiltons Prosecco investieren, und dann 90 Minuten auf TMZ oder Facebook verbringen, statt ins Kino zu gehen.

DAVID BOGNER