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Popkultur

Spaß bis aufs Blut—Die Geschichte eines österreichischen Exploitation-Meisterwerks

Die beiden Filme 'Hexen bis aufs Blut gequält' und „Hexen—geschändet und zu Tode gequält" waren Anfang der 70er Genre-Sensationen, wie man sie sonst nur außerhalb von Österreich findet. Jetzt findet im Lungau ein Symposium dazu statt. Wir haben mit den...

Dass man bei österreichischem Kino in erster Linie an den Kanon an Hoanzl-DVD-Erscheinungen denkt, hat (mit etwas anderen und weniger freundlichen Worten) ja bereits Paul Poet im Einleitungsbeitrag dieser Reihe erwähnt. Dass damit ausgerechnet die besten, schrillsten und eigenartigsten Filme, die je auf österreichischem Boden gedreht wurden, durch den Wahrnehmungsraster fallen, ist wahrscheinlich auch keine Überraschung—oder zumindest nur für diejenigen, die ihre Meinung zum Kino von ORF-Premieren mit Seitenblicke-Publikum haben.

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Kaum ein anderer Film illustriert das so gut wie Hexen bis aufs Blut gequält und seine Fortsetzung Hexen—geschändet und zu Tode gequält, die Anfang der 1970er komplett zwischen Salzburg und Krems gedreht wurden. Beide zeigen eine Verspieltheit und Bereitschaft zum Genrehorror, wie man sie im sonst eher unlustig-morbiden Kanon des österreichischen Mentalitätsfilms kaum wo findet. Und auch, wenn die Produktion eigentlich eine westdeutsche ist, so sind doch nicht nur die Kulissen, sondern auch der Regisseur österreichisch (zumindest, nachdem der ursprünglich verpflichtete und leicht abgedrehte Regie-Mann Michael Armstrong vom Film abgezogen wurde).

Adrian Hoven, Vater des ersten Big Brother-Moderators Percy Hoven (Ältere erinnern sich an sein perfektes Max Headroom-Gesicht), hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine erste Karriere als 50er Jahre-Heimatfilmstar hinter sich und wagte sich Mitte der 60er Jahre Zehe für Zehe ins Grindwasser blubbernder Sex- und Horror-Produktionen vor.

Ein anderer Genre-Höhepunkt seines zweiten Filmlebens war übrigens Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen, in dem die legendäre Sybil „Werewolf Women of the SS" Danning die weibliche Hauptrolle gibt (die in Wahrheit Sybille Danninger heißt, aus Ried kommt und zum Zeitpunkt des Drehs auch noch das Gspusi des Regisseurs war).

Anfang der 70er versammelte der Österreicher am Salzburger Land eine völlig wahnwitzige Besetzung, die auch heute noch wirkt, als wäre sie im Forum einer fiktiven Fantasy Filmmaking League entstanden. Mit dabei war ein junger Udo Kier (der 1968 bereits für eine andere österreichische Exploitation-Sensation, Schamlos, vor der Kamera stand), ein noch viel jüngerer Percy Hoven, die immer noch junge Giallo-Legende Erika Blanc und ein schon damals nicht junger Michael Holm (der Schlagerstern hinter den Hits „Tränen lügen nicht" und „Mendocino").

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Vor diesem Hintergrund würde einen wohl auch das abstruseste Ergebnis nicht wundern. Trotzdem wurde aus dem hypothetischen Glücksfall ein ziemlich reeller Volltreffer. Jetzt widmet das Wiener Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Hexen-Reihe von 3. bis 5. April eine eigene internationale Konferenz im Lungau, einem der vier ursprünglichen Drehorte der Filme. Mit dabei sind neben einem Potpourri der überregionalen Akademia auch der beinahe vollständige Cast und hilft im Zuge des dreitägigen Symposiums dabei mit, die verlorengegangene Exploitation-Tradition der Alpen auf- und abzuarbeiten.

Als sich der Organisator des Events, Andreas Ehrenreich, an uns wendete und uns Interviews mit den Stars und Sternschnuppen aus Hexen anbot, ließen wir deshalb sofort ein standes- und anlassgemäßes Tröpfchen plumper körperlicher Freude los. Immerhin stand der Film schon zu Beginn auf unserer Liste für diesen VICE Guide zu krankem österreichischen Film und, wie Andreas Ehrenreich sagt: „Es ist irgendwie vollkommen unwahrscheinlich, dass dieses Projekt zustandegekommen ist."

Natürlich hätte ich auch sehr gerne Udo Kier interviewt und ihn gefragt, ob er der glücklichste Mensch der Welt ist und wie weit sein eigenes Projekt, irgendwo im Osten von Deutschland einen Film mit einer als Rotkäppchen verkleideten Pamela Anderson zu drehen, fortgeschritten ist. Aber ich verstehe vollkommen, dass das schönste aller Orgasmusgesichter der Nymphomaniac-Besetzung (den alte Säcke wie ich auch noch als jungen, hyperfokussierten Weirdo aus Paul Morrisseys Kultfilmen Blood for Dracula und Flesh for Frankenstein kennen) im Moment besseres zu tun hat, als sich nervig von mir in der Seele herumstochern zu lassen.

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Der Verlust ist auch nur halb so schwer zu verkraften, wenn man sich ansieht, welche Juwelen sich aus den übrigen Interviews ergeben haben—von einem Holm, der dachte, bei Hexen handle es sich um einen Historienfilm (und der sich nicht daran erinnert, ein Stück zum Soundtrack von Hobo with a Shotgun beigesteuert zu haben) bis hin zu einem Percy Hoven, der von seiner Leidenschaft zur Portraitmalerei erzählt. Aber lest selbst.

Und falls ihr zufällig in der Nähe von Lungau herumlungern solltet oder aus anderen, nicht mit geplanten Hexenfolterungen in Verbindung stehenden Gründen diese Woche mal im Land Salzburg seid und Lust auf Exploitation habt, könnt ihr bei uns—ohne Scheiß und kein Aprilscherz!—ein Abendessen mit Erika Blanc, Percy Hoven und Michael Holm diesen Donnerstag gewinnen. Einfach eine hübsche, dekorative E-Mail mit dem Betreff Spaß bis aufs Blut an win@vice.at schicken. Und jetzt zu den Interviews.

Michael Holm:

VICE: Wie kommt man als Schlagerstar eigentlich dazu, den Soundtrack zu Hexen—geschändet und zu Tode gequält zu komponieren?
Michael Holm: Adrian Hoven, den ich von diversen TV-Aktivitäten kannte, sprach mich in einer Berliner Disco auf mein Interesse betr. Filmmusiken an. Ich dachte anfänglich, es handele sich um einen historischen Film.

Wie ich gerade erst gesehen habe, haben Sie nicht nur die Filmmusik für Hexen komponiert, sondern in der jüngeren Vergangenheit auch das ziemlich sensationelle Liebesthema für Hobo with a Shotgun, das ein bisschen klingt, wie die Komposition zu einem Karl May-Film. Können Sie uns kurz erzählen, wie es dazu kam?
Kann ich nicht, denn Hobo with a Shotgun ist nicht von mir!

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Wirklich? Ich meine dieses Liebesthema hier, das zumindest auf IMDb als eine Komposition von Ihnen geführt wird. Hat das Internet unrecht?
Oh, da haben Sie den Nagel auf den Kopf gertoffen. Die Musik ist tatsächlich von mir. Man hat mich nie gefragt oder mich informiert. Dank Ihrer Expertise bin ich nun ein bischen schlauer. Vielleicht erfahre ich beim Symposium mehr.

Ich hoffe, wir stiften hier keinen Unfrieden. Haben Sie eine besondere Affinität zu Splatter-Filmen oder bietet sich dein Stil einfach an, weil Schlagermelodien einen guten Kontrast zu blutigen, derben Bildern abgeben?
Habe ich nicht. Vielleicht ist eine melodiefreudige Filmmusik tatsächlich ein guter Kontrast.

Für welchen Film—oder welche Art von Film—würden Sie heute wieder Filmmusik machen?
Die Frage müsste lauten: Für welchen Film würdest du keine Musik machen wollen!

Auf der zweiten Seite lest ihr, wen Percy Hoven schon aller gemalt hat und wie die Sex-Horror-Göttin Erika Blanc die wilden 70er Jahre in Rom verbracht hat.

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Percy Hoven:

Foto via YouTube

VICE: Als Sohn des Regisseurs zu den Hexen-Filmen zu kommen, stelle ich mir ein bisschen so vor, wie als Kind zu Schönheitswettbewerben geschickt zu werden. Wie waren die Drehs damals für dich? Und wie war es für dich, die Entstehung eines Horrorfilms als Kind mitzubekommen?
Percy Hoven: Die Dreharbeiten zum Hexenfilm waren für mich damals in erster Linie der Ansporn endlich in den Bestitz eines gelben „Bonanza-Fahrrades" zu kommen. Das war nämlich meine Gage. Meine Mühen haben sich gelohnt. Von den Horrorsequenzen habe ich so gut wie nichts mitbekommen. Ich erionnere mich nur noch an den Geruch des Filmblutes…der hat sich bei mir für alle Zeiten im Zwischenhirn abgespeichert …

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Du sagst, dich hat Big Brother eigentlich nie wirklich interessiert und bezeichnest dich seither dezidiert als Ex-Moderator. Was müsste passieren, damit du ins Fernsehen zurückkehrst?
Einmal TV-Business, immer TV-Business. Obwohl wir alle furchtbar zynisch geworden sind im Fernsehbereich, machen wir deswegen immer noch weiter. Warum? Weil wir das Fernsehen aus tiefster Seele lieben. Ich vergleiche das TV inzwischen mit einem missratenem Kind: Man ist froh, wenn man es nicht jeden Tag sehen muss, aber wenn es deine Hilfe braucht, dann stehst du bereit.

Alles klar. Ist es auch ein missratenes Kind, das man liebt?
TV ist für alle Beteiligten eine Hassliebe. Eine Stelle an der man sich nicht kratzen kann. So bin ich jeden Tag gern hinter den Kulissen tätig, berate, spreche und entwickle. Der einzige Grund vor das Glas der Studiokamera zu treten wäre die Kunst. Und—vielleicht tu ich das ja schon in der einen oder anderen Form …

Inzwischen betreibst du ja in München ein Studio für Portraitmalerei—wie ich gelesen habe deshalb, weil es das ist, was du am besten kannst und am liebsten machst.
Ich bin als Maler auf die Welt gekommen—dann nahm das Leben einen Umweg. Letztlich gerät jeder Mensch jedoch genau in die Rille seiner persönlichen Vinyl-Platte, in der die Melodie für ihn am besten klingt … jetzt stehe ich vor der Leinwand und erfahre nicht nur finanzielles, sondern auch persönliches Wachstum.

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Kannst du heute vom Malen leben?
Ja! Ich könnte von der Malerei allein auch schon ganz gut leben. Da ich aber noch 4 weitere Berufe ausübe, halte ich es mittlerweile so: Ich lebe nicht von, sondern für die Kunst.

Wer war bisher dein absolut liebstes Modell?
Mein liebstes Modell war bisher die großartige Petra Schürmann, mein prominentestes Andy Warhol.

Und würdest du eigentlich ein Bild deiner damaligen Filmkollegen aus Hexen malen?
Ein Portrait meiner „Mitspieler" aus Hexen ist nur eine Frage der Lust und der Zeit. Die heute noch wunderschöne Gabi Fuchs würde ich gerne mit Zunge malen—und Udo Kier natürlich auch sehr gerne, in seinem Kakteen-Garten in L.A.

Erika Blanc:

Foto via Listal

*VICE: Wo rangiert Hexen — geschändet und zu Tode gequält auf deiner persönlichen Skala von Filmen, in denen du gespielt hast?*
Erika Blanc: Es ist schwer, eine solche Rangliste aufzustellen, aber spontan würde ich ihn irgendwo an dritter Stelle einreihen, mit Bavas Operazione paura und dem belgischen Film La plus longue nuit du diable. An meinen Filmen ist mir wichtig, dass sie fantasievoll sind, dass sie eine gute Geschichte haben, und dass der Kameramann gute Arbeit macht. Mario Bava hat all das sehr gut in sich vereint.

Du giltst als eine Göttin des Giallos, der seine Blütezeit ja in den 60er und 70er Jahren hatte. Hat das Genre deiner Meinung nach aktuell noch eine Zukunft? Interessierst du dich auch für moderne Slasher-Filme und andere Subgenres des Horror-Kinos?
Ich bin nicht sicher, ob der Giallo jemals wieder so aufleben wird, wie das Anfang der 70er der Fall war. Auf jeden Fall gibt es weiterhin ein großes Publikum für Horrorfilme, ein Genre, das ich persönlich liebe und das mir noch immer ungeheuren Spaß macht. Wenn ich nachts im Fernsehen herumzappe, bleibe ich mit Sicherheit an irgendeinem Horrorfilm hängen und starre bis zum bitteren Ende gebannt auf den Bildschirm.

Zur Blütezeit der Giallos warst du mit dem italienischen Regisseur Bruno Gaburro verheiratet, der neben Sci-fi-Filmen auch Komödien und Sexstreifen gedreht hat. Vor allem seine erfolgreichen Abbronzatissimi-Filme erinnern mit ihren Partyszenen heute fast an La Grande Bellezza. War dein—oder euer—Leben damals eigentlich auch voll mit übertriebenen Sexpartys (festini essagerati)?
Tatsächlich gab es dieses dolce vita in Rom—es gab bestimmte Lokale, wo all die hingingen, die gesehen werden und einen beruflichen Vorteil daraus schlagen wollten. Ich habe in dieser Zeit sehr viel gearbeitet, manchmal sieben Filme im Jahr gedreht, deswegen hatte ich für derlei Aktivitäten eigentlich keinen Nerv. Das hab ich auch nicht gebraucht, schließlich war ich eine der wenigen Italienerinnen, die immer als Ausländerin besetzt wurde. Mein Gesicht war international, ich wurde mit Julie Christie oder Ursula Andress verglichen. Die Angebote kamen automatisch, ohne dass ich mich im römischen Nachtleben hätte produzieren müssen. Diese Art von Freizeitgestaltung interessiert mich heute noch nicht.

Gehören Horror und Sex im Film eigentlich zusammen? Und welchen Film würdest du gerne noch machen?
Ich würde sehr gerne einen Film drehen, einen Spielfilm mit mir in der Hauptrolle, indem meine ganze Fähigkeiten und meine schauspielerische Reife voll zum Ausdruck kommt. Darauf warte ich noch und das wäre dann wohl unbestritten der erste Platz in meiner persönlichen Rangliste!

Hättest du eigentlich gern ein Portraitbild von dir selbst? Wenn ja, könnten wir dir einen Maler organisieren …
Wenn er mich ohne Falten malt, gern!

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