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Popkultur

Waffen-Shopping im Internet (Teil 1)

Im Darknet ist es schwieriger, sich Waffen als Drogen zu kaufen.

Wie ihr ja schon wisst, gibt es jenseits von YouTube, eBay und Facebook ein zweites Internet—Darknet oder Deepweb, wie es oft genannt wird. Es ist ein verschlüsseltes Netzwerk und dafür bekannt, dass dort mit Drogen gehandelt, Kinderpornos verbreitet und Waffen per Post verschickt werden. Bezahlt wird alles mit der anonymen Währung Bitcoins. Wie man dorthin kommt, wisst ihr ja auch bereits.

Abgesehen davon, dass ihr dort eure Drogen kaufen könnt, ist es auch möglich, sich Waffen zuzulegen.

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Das Deepweb ist zwar kein Handelsplatz für große Waffendealer, die wie Nicolas Cage in Lord of War bergeweise Uzis und Maschinengewehre über Landesgrenzen in Krisengebiete schaffen. Sondern es bedient vor allem die Noobs da draußen, die Angst davor haben, eine Waffe auf der Straße zu kaufen, und dafür gerne mal ein Vielfaches des Normalpreises bequem online bezahlen.

Foto aus dem Profil eines Händlers auf Black Market Reloaded

Für die meisten Dealer ist es nur ein Nebenverdienst, den echten Umsatz machen sie weiterhin im Real-Life.

Es gibt eine Metapher, die gerne an dieser Stelle Verwendung findet: der Eisberg. Genau wie ein Eisberg unterhalb des Wassers viel größer ist als das, was man an der Oberfläche schwimmen sieht, so soll auch das Internet geradezu endlos in die Tiefe gehen. Wir sehen an der Oberfläche nur das Clearweb aus Google und Co–darunter verborgen liegt das Deepweb.

Es sei ein schier endloser Krater hinab in die Unterwelt, wo der Eiter des Bösen aus der aufgeplatzten Wunde der Menschheit quillt. Doch je mehr ich mich mit dem Deepweb beschäftige, desto mehr glaube ich, dass die Metapher mit dem Eisberg hinkt.

Es gibt einige wenige, viel genutzte Plattformen: Zu den berühmtesten gehören SilkRoad, Black Market Reloaded und Atlantis. Die meisten anderen Aktivitäten finden in privaten Gruppen statt, auf die keiner von uns Zugriff bekommen kann und die eher mit einem dubiosen, geheimen Treffen in einem Hinterzimmer verglichen werden können.

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Während meiner Recherche im Deepweb bekam ich folgenden Hinweis von Cashcow, einem VICE-Fan aus dem Deepweb, der sich laut eigener Aussage mit der „dunklen Finanzbranche" befasst: „Pass auf, welche Seiten du hier anklickst. Bei manchen wünschte man man hätte sie nicht gesehen."

Taurus PT 24/7 Pro C .40 cal, angeboten auf Black Market Reloaded

„Das wirklich große Geld im Deepweb wird, so traurig es ist, durch den Austausch von Kinderpornografie gemacht", war die Aussage von Cashcow. Während ich das mit den Kinderpornos nicht verifizieren kann und auch nicht will, weiß ich jetzt eins sicher: Es gibt im Deepweb einen Waffenhandel im kleinen Stil. Um das herauszufinden, habe ich mich mit ein paar Waffendealern zusammengesetzt (alle ausführlichen Interviews dazu gibt es im zweiten Teil).

„Waffenhandel funktioniert meist nur nach langjähriger Mitgliedschaft in einem Netwerk. Das meiste, was du im Deepweb siehst, ist Scam. Wer schickt auch eine Waffe mit der Post quer über den Globus?! Hier sollte der vernünftige Menschenverstand greifen", erzählt Cashcow.

Die Welt des digitalen Waffenhandels scheint eher bescheiden zu sein. Auf dem deutschen Markt gibt es weniger als eine Handvoll, die keine Scammer sind.

Screenshot vom Atlantis Marketplace

Einer der deutschsprachigen Waffendealer, der mehrheitlich Tokarews und Polizeipistolen verkauft, sprach davon, dass es nur zwei andere Kollegen gibt, die wirklich vertrauenswürdig seien—einer der beiden ist jedoch gerade von der Polizei hochgenommen worden.

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Denn anscheinend nähert sich auch die Polizei langsam dem Neuland. In Deutschland wurden unlängst drei Männer und eine Frau festgenommen, die mit Drogen übers Deepweb gedealt hatten. Neben 17 Kilo Amphetamin beschlagnahmte die Polizei rund 700.000 Euro Bargeld.

Von den traditionellen Medien wird das ganze als die Zerschlagung eines internationalen Drogenrings gefeiert.

Ein anderer deutscher Waffenhändler, mit dem ich in Kontakt stehe, fing aufgrund dieser Entwicklung an, sich nicht mehr wirklich sicher zu fühlen: „Vor ein paar Monaten hätte ich dir zu einem Face-to-Face-Treffen noch zugesagt, aber im Moment werden viele in meinem Umfeld gebustet oder Hausdurchsuchungen vollzogen." Leider war das auch das Letzte, was ich von ihm gehört habe, obwohl er mir versprach, noch Fotos von seinen Waffen zu schicken.

Viele Marktplätze wollen sich von dem Deal mit Waffen distanzieren und verbieten den Handel auf ihren Seite.

Selbst auf der berüchtigten SilkRoad—einem Marktplatz, auf dem man sonst alles bekommt, wie Drogen, Falschgeld oder Kreditkartendaten—haben die Mitglieder begonnen, sich selbst zu regulieren.

Dort ist es seit Anfang des Jahres nicht mehr möglich, Waffen anzubieten. Die Betreiber der SilkRoad, die unter dem Pseudonym The Dread Pirate Roberts auftreten, ließen noch im Februar 2012 ihre üblichen radikal-liberalen Überzeugungen verlauten: „Wir haben keine moralischen Bedenken zum Verkauf von Waffen. Wir glauben, dass die Fähigkeit eines Individuums, sich zu verteidigen der Grundstein der Zivilisation ist."

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Trotzdem schlossen sie Ende des Jahres The Armory—die Partnerseite der SilkRoad, auf der man Waffen kaufen konnte. Ihre einfache Begründung: „Na ja, es wurde einfach nicht genug genutzt." Das Verkaufsvolumen hätte nicht einmal die Serverkosten gedeckt.

In den Foren vermuten viele als wahren Grund, dass so der Ermittlungsdruck durch die Öffentlichkeit gegen SilkRoad gesenkt werden soll.

Auszug aus dem offiziellen Forum von SilkRoad

Auch Atlantis, der größte Mitbewerber der SilkRoad, verbietet den Verkauf von Waffen. Dieser Marktplatz, der seit Juni aggressiv Werbung um die Händler und Kunden der SilkRoad macht, ist immer noch umstritten. Besonders kontrovers war ihr YouTube-Werbespot, den sie Ende Juni veröffentlicht haben.

Die Jungs vom Atlantis-Support-Team, mit denen ich auch gesprochen habe, sahen es als eine gute Gelegenheit, sich auf den Markt zu drängen, als die SilkRoad vor ein paar Monaten aufgrund erhöhter medialer Berichterstattung überlastet war und keine Neuanmeldungen mehr zuließ.

Während die SilkRoad etwas düster und schäbig wirkt, kommt Atlantis freundlich und modern daher und antwortete im Gegensatz zur SilkRoad auch auf meine Anfragen, warum Atlantis keine Waffen mehr verkauft. Man fühlt sich so, als wäre man auf einem Shoppingportal für Umstandsmode gelandet anstatt auf einem dubiosen Schwarzmarkt.

Heisenberg2.0, Admin von Atlantis und zuständig für die PR, erläuterte das so: „Das Verbannen von Waffen hat moralische und geschäftliche Hintergründe. Cannabis ist unser Topseller. Unsere Hauptzielgruppe sind keine abgehärteten Kriminellen, die Waffen kaufen möchten. Wenn wir Waffen anbieten würden, könnte das unsere Kunden verschrecken. So wie man an einem Eisstand keinen Alkohol verkauft, weil das Eltern beunruhigen würde."

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Smith & Wesson Bodyguard 380, angeboten auf Black Market Reloaded

Innerhalb des Darknet gibt natürlich weitere geheime Chats und Foren, in denen sich Waffenhändler austauschen, beziehungsweise Händler, die ihre Kommunikation mit Hilfe des TOR-Netzwerkes (The Onion Router) verschleiern. In die Netzwerke findet aber nur der, der eingeladen ist.

Als einzige Bezugsquelle für die uneingeweihte „Mittel- oder Oberschicht" bleibt nur noch der Black Market Reloaded. Das geringe Angebot bestimmt natürlich den Preis: „So wie auf der Straße ist es für einen Noob viel zu teuer!", sagte mir ein Waffenhändler, mit dem ich gesprochen habe. Während meiner Suche nach Händlern fielen immer wieder dieselben drei Namen, die als vertrauenswürdig gelten.

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Es gibt vielleicht 10 bis 15 Anbieter, viele von ihnen haben aber im Gegensatz zu den großen Drei nur wenige bis gar keine Bewertungen.

Einer der drei Großen verriet mir, dass er und sein Partner über das Netz ungefähr vier bis fünf Waffen im Monat verkaufen: „Das hier sind nur nette 10.000 $ pro Monat, die wir nebenher machen." Das große Geld würden sie mit dem Real-Life-Waffenhandel machen, erzählt er.

Screenshot von Black Market Reloaded

Ein weiterer Grund für das geringe Angebot sind die mittlerweile verschärften Regeln des Black Market Reloaded. Seit 1. März müssen für das Listing von Waffen folgende Bedingungen erfüllt werden: Bild der Waffe, mit einem Zettel, auf dem der Schriftzug „BMR", der Benutzername des Verkäufers und ein Datum deutlich zu lesen sind. „Nach dieser Neuregelung schrumpfte die Zahl der angebotenen Waffen dramatisch", berichtete mir Cashcow. Ein Großteil des Angebots an Waffen im Deepweb war also nur künstlich durch Scammer hervorgerufen worden, die es jetzt durch die Neuregelung schwieriger haben.

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Wir stehen heute an einem Wendepunkt, an dem sich entscheidet, wie viel Kontrolle Wirtschaft und Staaten über das Internet der Zukunft haben werden. Einige Leute, vor allem die Verfechter der Post-Privacy-Bewegung, glauben, dass noch mehr dieser „Overlay-Netzwerke" auftauchen werden, wenn das Internet weiter reguliert und gefiltert wird.

Wenn man dieser These Glauben schenkt, dann wird es immer geheime Chats, Foren und Marktplätze im Internet geben, auf denen sich Waffenhändler tummeln. Die Anonymität ist in der Theorie gesichert.

Screenshot aus der Silk Road

Aber man braucht Vertrauen in die Infrastruktur des Deepwebs und in die Menschen, die es zur Verfügung stellen. Am Beispiel von Atlantis sieht man, wie sich ein Service dieses Vertrauen erst erarbeiten muss. Denn trotz TOR fallen beim Einkauf Daten an, von denen wir lieber möchten, dass der Marktplatz zuverlässig damit umgeht und sie für sich behält.

Sollte es gelingen, den anonymen Erwerb von digitalen Währungen wie Bitcoin zu kriminalisieren, dann würde auch das Deepweb davon betroffen sein. Die echten Profis werden zwar auch weiterhin ihr Geschäft machen, aber viele sind dann davon ausgeschlossen. Durch den Besitz von Bitcoins würden wir bereits ein zu großes Risiko eingehen, um das Shopping im Deepweb zu rechtfertigen.

Es bleibt also zwar momentan möglich, sich eine Maschinenpistole übers Internet zu bestellen—die natürlich total überteuert ist. Ob ihr das wirklich machen wollt, bleibt aber fraglich. Einer der Waffenhändler, mit denen ich sprach, formulierte es recht treffend: „Ich würde es begrüßen, wenn du in deinem Beitrag erwähnen könntest, dass das Deepweb kein Spielplatz für neugierige Kiddies ist."

Im zweiten Teil erfahrt ihr, was mir die Waffenhändler im Detail erzählt haben und warum sie keine moralischen Bedenken haben, Waffen übers Internet zu verticken.