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Warum die Pegida Schweiz-Demo abgesagt wurde

Auf alle Fälle nicht wegen zu viel Andrang.
Foto von Jonas Herbst

Die Pegida-Demo in der Schweiz ist abgesagt worden. Die Organisatoren sprechen von einem anderen Datum, also einer Verschiebung, wegen allzu grossen „medialen und politischen Nachfrage". Das ist ein recht unüblicher Grund für die Absage einer Demo, aber tatsächlich war das Datum schlecht gewählt, da der 16. Februar mitten in der Luzerner Fasnacht liegt. Auch machte sich der „Pegida Schweiz"-Sprecher mit dem 43% Inderanteil, die VICE aufgedeckt hat ( Hier, hier und hier), unter den Facebookfans nicht unbedingt glaubwürdiger. Es bleibt zu bezweifeln, ob irgendjemand in der Schweiz Pegida braucht. Denn hierzulande haben die Wutbürger schon lange ihre Ventile, um Druck abzulassen.

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Es ist also nicht so, dass die Schweiz besonders tolerant wäre oder selbst weniger oder mehr Muslime im Land hat, als die Teile Deutschlands und Österreichs, in denen die Pegida-Demonstrationen erfolgreich waren. (Erfolgreich heisst, dass die Demos überhaupt stattgefunden haben.) Es sind aber auch nicht die einzelnen Ventile, die das ausmachen. Die Schweiz hat schlichtweg alles schon institutionalisiert, was Pegida sich wünscht.

Die Schweizer müssen nicht nach direkter Demokratie krakeelen; wir haben sie schon. Vielleicht sogar mehr als gut für uns ist. Es gibt Gründe, warum die Pegida-Sprecherin Katrin Oertel direkte Demokratie, wie in der Schweiz, fordert. Die direkte Demokratie führte in der Schweiz immer wieder zu ausländerfeindlichen und islamophoben Entscheiden. Entscheide, die in Deutschland auch Volksmehrheiten erlangen könnten, wie etwa Umfragen von Spiegel Online und Bild nach der Annahme der Minarett-Initiative gezeigt haben.

Das Phantom der Islamisierung wird in der Schweiz bereits mit allen Mitteln bekämpft. Wegen vier Minaretten, die irgendwo in der Pampa stehen, hat der zornige Volkswille eine Verbotsinitiative durchgeboxt.

Screenshot von Facebook

Die SVP war mal so was wie unsere Pegida. Viele ihrer Forderungen sind dieselben, wie die des deutschen Wutbürger-Vereins. Und sie ist mit diesen Forderungen seit Jahrzehnten enorm erfolgreich. Seit dem EWR-Nein in den neunziger Jahren ist die Partei auf einem Höhenflug, der eigentlich nie unterbrochen wurde.

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Wer eine SVP im Land hat, muss sich nicht noch mehr vor Islamisierung schützen, wir verbieten bereits Minarette und wir haben die Masseneinwanderungs-Initiative durchgewunken. Was bestimmt nicht der strahlendste Moment der Schweizer Geschichte war, gerade weil die Initiative auch vom Pegida-Stammtisch hätte stammen können.

Foto von Diana Pfammatter

Was der SVP an Pegida-Wunschdenken noch abzuholen bleibt, sind populistische Träumereien wie eine Direktwahl des Bundesrats. Wer sich aber die Pegida-Leute beim Demonstrieren anschaut, der will nicht wirklich, dass die unsere Regierung wählen oder jemand wie Ignaz Bearth jemals ein politisches Amt in der Schweiz bekleidet.

Pegida hatte zudem schon von Beginn weg ein konzeptionelles Problem: Wer für rechte Anliegen in der Schweiz antritt, nennt sich ungern „patriotischer Europäer". Das ist das Gegenteil von nationalkonservativem Patriotismus in der Schweiz. Europaweiter Patriotismus ist für rechte Schweizer schlimmer als jedes Minarett.

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland