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‚Gender-Wahnsinn‘ mit Bier und Dirndl – wie ein Sportwettbewerb eine Hochschule spaltet

Die Debatte um die Frau als traditionsreiche ‚Trophäe' des Mannes zeigt, dass Verbote in Genderfragen nichts bringen.

Foto: Jermain Raffington

Dirndl sind schön, machen eine super Oberweite und sind im Allgemeinen zum Sexiesten zu zählen, was der Alpenraum neben Bier und Weißwurst zu bieten hat. Das mag zum Einen einer der Gründe sein, warum sich das Oktoberfest international so großer Beliebtheit erfreut. Zum Anderen ist derart traditionelle Trachtenkleidung aber auch ein Sinnbild für das Frauenbild einer bestimmten Zeit. Eingeschnürte Taille, hochgepushte Brüste—je nach Schnitt macht das Dirndl aus seiner Trägerin eine Karikatur der vermeintlich idealen Frau. Eine Instant-Kim-Kardashian quasi.

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Das ist OK, schließlich wird auch der Mann in Lederhosen irgendwie zum Objekt gemacht, in dem ihm ein besonders knackiger Hintern unterstellt wird. Zum feministischen Grundsatzthema wurde der Bereich Tradition und Trachten allerdings an der Universität Passau, an der Sportstudierende mit den „Campus Games" eine Art Spaß-Bundesjugendspiele in Trachtenkleidung veranstalten wollten. Unter den zehn Gaudi-Disziplinen fand sich beispielsweise eine Klimmzugchallenge und ein Völkerballturnier, aber eben auch etwas verstaubt anmutende Wettbewerbe wie „Wife Carrying", bei dem sich der starke Mann seine schwache, vielleicht sogar noch ein bisschen kreischende Frau über die maskuline Schulter wirft und von dannen trägt. Der Sieger bekommt das Gewicht seiner Angetrauten in Bier (Liter) aufgegossen.

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Klingt nach Oktoberfest? Genau diese Stimmung wollten die engagierten Studenten mit der Aktion wahrscheinlich auch heraufbeschwören und höchstwahrscheinlich wäre keine der Frauen gegen ihren Willen über den Campus geschleppt wurden. Ob bei dieser Frau-als-Beute-Competition wirklich alle ihren Spaß haben, bleibt aber fragwürdig. Beim „Fensterln" allerdings, einer weiteren geplanten Spaß-Kategorie, schlug der Sexismus-Zeiger dann doch ein bisschen zu weit aus—und der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschule platzte die Hutschnur.

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Bei dieser Disziplin sollten die Herren der Schöpfung (in voller Trachtenmontur natürlich) möglichst schnell die Leiter zu einem Fenster erklimmen, erreichen sie das Sims, dürfen sie die dort wartende Dame küssen. Ein Unding, schließlich würde die Frau dadurch zum bloßen Objekt degradiert werden, hieß es von der Gleichstellungsbeauftragten, die Protest gegen den Wettbewerb einlegte—der daraufhin erst einmal abgesagt wurde. „In der ursprünglichen Konzeption der Veranstaltung waren Frauen von der Teilnahme ausgeschlossen, was bei einer öffentlichen universitären Veranstaltung nicht sein darf", erklärte die Uni-Mitarbeiterin gegenüber Welt Online.

Hatte sie ihren Geschlechtsgenossinnen damit einen Dienst erwiesen? Leider nicht. Stattdessen passierte das, was in solchen Fällen immer passiert: Plötzlich fühlen sich die Männer benachteiligt. So meldete sich der Ring Christlich Demokratischer Studenten zu Wort, der von einem Überhand nehmenden „Genderwahnsinn" sprach und sich in seiner Kritik dieser „Entwicklung" bestätigt sah. Und auch die Sportstudenten selbst äußerten sich ziemlich unglücklich zur Situation und sprachen davon, sich „den neumodischen Zwängen des andauernden Gender-Wahnsinn" eigentlich nicht unterwerfen zu wollen. Was genau dagegen gesprochen hätte, die Tradition deutlich zeitgemäßer und moderner zu machen und jedem—unabhängig von Geschlecht und sexueller Ausrichtung—die Teilnahme zu ermöglichen, erklärten sie allerdings nicht.

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Was diese Auseinandersetzung einmal mehr zeigt: Verbote helfen in solchen Fällen bedauerlicherweise nur einer Seite. Und zwar nicht den Leuten, die sich durch solche Aktionen und traditionsverankerte Wettbewerbe ernsthaft in ihrer Rolle als Frau unterdrückt sehen. Stattdessen sind sie Wasser auf die Mühlen der Männerrechtler und Anti-Gender-Ideologen, die Feministen oder Feministinnen sowieso als stetig mosernde Spaßverderber sehen, die aus einer Mücke einen Elefanten machen. Das mag unfair sein, weil es bei Männern schließlich als Zeichen der Stärke empfunden wird, wenn sie mal so richtig auf den Tisch hauen.

Screenshot: Facebook

Ein Verbot respektive eine solche Absage hilft Frauen und Frauenrechtlern aber vor allem deshalb nicht, weil sie ein offenes Gespräch abbricht, bevor es überhaupt beginnen kann. Und Kommunikation ist in Geschlechterfragen enorm wichtig. Warum fragen wir nicht offen: Warum ist das vielleicht problematisch? Warum darf man nicht nur vom eigenen Standpunkt ausgehen, sondern muss auch denen zuhören, die sich wirklich angesprochen fühlen? Wie kann man gemeinsam zu einer Lösung kommen, mit der sich alle wohlfühlen? Stattdessen ziehen solche Entscheidungen einen breiten Graben zwischen zwei Lagern, die eigentlich miteinander statt gegeneinander diskutieren sollten.

Wenn sich jede Frage nach problematischen Gender-Fragen auf antifeministische „Nie verstehen die Spaß!"-Kampfparolen auf der einen, und „Lieber verbieten, als diskutieren" auf der anderen Seite runterbricht, ist jede Art von ergebnisoffenem Austausch von vornherein ausgeschlossen.

Unter einem Facebook-Statement der Passauer Sportstudenten stellt einer der Kommentatoren die Frage: „Müssen Traditionen einem modernen Bild der Geschlechter angepasst werden? Worüber können wir noch schmunzeln und wo hört der Spaß auf?" Das ist der wirkliche Punkt, der hier diskutiert werden sollte. Nicht, ob der „Gender-Wahnsinn" jetzt auch Uni-Wettbewerbe erreicht hat.