Warum wir Antifaschist_innen sind
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Warum wir Antifaschist_innen sind

Wir haben das mittlerweile aufgelöste Bündnis NoWKR gebeten, uns zu erklären, weshalb sie Antifas sind.
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von NoWKR

Vor dem diesjährigen Akademikerball haben wir lange diskutiert, wie wir das Thema richtig angehen. Wir haben uns für einen möglichst breiten Zugang entschieden, um die vielen unterschiedlichen Positionen—sowohl der Redaktion als auch unserer Leser—abzubilden. Wir waren gleichzeitig auf der Demo und auf dem Ball, haben uns die unterschiedlichsten Meinungen angehört und live von den Demos, aber auch aus der Hofburg berichtet—aber das sind nur ein paar Beispiele für unseren Versuch, unseren journalistischen Auftrag zu erfüllen. Eine andere Idee war, sowohl Jörg Mayer von der Burschenschaft Teutonia als auch einen Menschen der Antifa nach ihren Beweggründen und ihrer Sicht der Dinge zu fragen. Wir wollten uns möglichst neutral und unkommentiert Argumente und Innenansichten anhören, damit sich jeder Lesende selbst ein Bild von der Gesamtsituation machen kann. Dazu gehört genauso, dass Jörg Mayer von der Teutonia in seinem Beitrag den Nationalsozialismus komplett ausklammert, wie auch, dass die Antifa jedes Gespräch mit der Gegenseite dezidiert verweigert. Nachdem uns zuerst Jörg Mayer seinen Text zum Burschenschafterdasein geschickt hat, haben wir jetzt auch eine Antwort von der Antifa bekommen, die ihr hier lesen könnt.

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Hier findet ihr alle unsere Artikel rund um den Akademikerball 2015.

Wir wurden als antifaschistische Gruppe angefragt, ob wir uns vorstellen könnten für VICE einen kleinen Text zu veröffentlichen, warum wir uns als Antifaschist_innen verstehen. Keine schlechte Sache von VICE sollte man sich denken. Wenn aber im Artikel davor Jörg Mayer von der rechtsextremen Burschenschaft Teutonia lang und breit herumschwadronieren darf, warum er Burschenschafter geworden ist , dann haben wir als Antifaschist_innen ein Problem damit. Denn wenn das der Umgang von VICE mit extremen Rechten sein soll, passt das zwar gut zu den österreichischen Verhältnissen, widerspricht aber einer klaren antifaschistischen Positionierung.

Mit Rechtsextremen und Nazis reden wir nicht! Durch die Bereitschaft zum öffentlichen Dialog auf Augenhöhe wird den Meinungen des Gegenübers Legitimität verliehen. Delegitimierung rechtsextremer Ideologien kann nicht über öffentlichen Dialog, sondern ganz im Gegenteil nur über die konsequente Verweigerung desselben erfolgen. Wer im Umgang mit der extremen Rechten, zumal in deren in Österreich festzustellender Stärke, nach „Toleranz" und „Meinungsfreiheit" ruft oder einen Imperativ „ausgewogener Berichterstattung" geltend macht, erliegt einem folgenschweren Missverständnis: Entgegen aller Bekenntnisse steht Rechtsextremen der Sinn keineswegs nach Konsenssuche im friedlichen Wettstreit der Argumente, sondern nach Manipulation und Emotionalisierung und bedeutet Meinungsfreiheit ihnen nicht mehr als die Verheißung unbehinderter Propagandatätigkeit.

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Die historische Erfahrung des Nationalsozialismus und der industriellen Vernichtung des europäischen Judentums bilden einen zentralen Ausgangspunkt unserer Gesellschaftskritik.

Wie die „Freiheit der Wissenschaft" führen sie jene der Meinung immer dort ins Treffen, wo ihrem Tagwerk der Verhetzung und/oder Geschichtsfälschung Grenzen auferlegt werden sollen. Es ist daran zu erinnern, dass die Worte der extremen Rechten nicht bloße Ideen unter anderen sind, sondern den Anreiz zu Ausschluss, Gewalt und Mord enthalten. Sie als gleich berechtigt anzuerkennen und als gleich gültig im öffentlichen Diskurs zu platzieren bedeutet, dem Ausschluss, der Gewalt und dem Verbrechen Legitimität zu verleihen. (vgl. FiPu 2013, Entwöhnung tut not)

Gerade die Burschenschaft Teutonia stellt noch einmal in aller Deutlichkeit unter Beweis, wofür das völkische Verbindungswesen in Österreich steht: für NS-Verherrlichung und Rechtsrevisionismus, für Revanchismus und Täter-Opfer Umkehrung, für völkischen Nationalismus und Rassismus, Antisemitismus und Sexismus

Die aB! Teutonia

Die Burschenschaft Teutonia wurde 1868 in Wien gegründet und gehörte von Anfang an zum völkisch-antisemitischen Flügel der deutschnationalen Bewegung. Die Teutonia sieht sich in der Tradition Schönerers, des Führers der Deutschnationalen und wüsten Antisemiten, der zudem erheblichen Einfluss auf Hitler und die nationalsozialistische Ideologie hatte. So verwundert es auch nicht, dass aus der Teutonia nach der freudigen Selbstauflösung im Zuge des „Anschlusses" an NS-Deutschland, die „Kameradschaft Georg Ritter von Schönerer" wurde. Nach der „Niederlage […], Ausbombung und Besatzung" (Ackermeier in den Burschenschaftlichen Blättern)—gemeint ist wohl die militärische Niederschlagung des Nationalsozialismus—nahm die Teutonia im Jahr 1952 den „Aktivenbetrieb" wieder auf.

Ihre Hochphase in der neonazistischen Szene erlebte die Teutonia um 1990, als ihre Aktivitas zum Großteil aus VAPO-Aktivisten bestand, womit sie zum universitären Arm des militanten Neonazismus in Österreich avancierte. Im Dezember 1993 kam es im Zuge der Briefbombenermittlungen zu einer Hausdurchsuchung bei der Burschenschaft. Besondere „Verdienste" erwarben sich in dieser Zeit Alois Desch, der einen Brandanschlag auf das besetzte Haus in der Ägidigasse verübte, Johannes Pammer, der Heinz-Christian Strache in den Kärntner Wäldern auf den nationalen Ernstfall vorbereitete und Franz Radl, der zeitgleich als Sprecher des Wiener Korporationsrings (WKR), der AG Wiener Burschenschaften und Landsmannschaften (WBL) und als Führer der neonazistischen Volkstreuen Jugendoffensive fungierte. Über diese Tätigkeiten empfahl er sich zum „wissenschaftlichen" Mitarbeiter des Holocaustleugners Gerd Honsik, wie auch für seine spätere Tätigkeit als Ghostwriter Gottfried Küssels auf alpendonau.info.

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Im Linkverzeichnis der Verbindung finden sich die Netzpräsenzen von Gruppen wie die neonazistische Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) oder die Kolonialnostalgiker vom Hilfskomitee Südliches Afrika. Erstere organisierten alljährlich den größten Neonaziaufmarsch Europas in Dresden, wohin auch die österreichischen alpendonau-Nazis (und heutige „Identitäre") Abordnungen zu entsenden pflegten. Die Hinwendung der Teutonia zur JLO dürfte nicht zuletzt auf die simultanen Aktivitäten von Jan Ackermeier für beide zurückzuführen sein. Dieser fand neben seiner Vielschreiberei (unter anderem für Andreas Mölzers Zur Zeit ) und seinem Job als parlamentarischer Mitarbeiter von Harald Stefan auch noch Zeit, 2010 ein länderübergreifendes Treffen faschistischer Kader auf der Pack zu organisieren. Ebenfalls im Oktober 2010 brachten Teutonen vor dem Juridicum ein Flugblatt zur Verteilung, auf dem unverblümt Grenzrevisionen in der Größenordnung von 1938ff gefordert wurden. Starker Tobak selbst für österreichische Verhältnisse. 2012 machte der Teutone Herbert Orlich von sich Reden, als er als Verteidiger des Neonazis Gottfried Küssel, der wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung vor Gericht saß, den Hitlergruß im Verhandlungsaal demonstrierte. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Orlich den Holocaust-Leugner Gerd Honsik verteidigt.

Ebenfalls 2012 verteilte die Teutonia eine antisemitische Schmähschrift gegen den damaligen Präsidenten der israelitischen Kultusgemeine Ariel Muzicant, in welcher sie fast kein antisemitisches Stereotyp ausließen. Hintergrund war die von Muzicant erhobene Forderung, dass der WKR-Ball, der 2012 auf den Befreiungstag des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau fiel, nicht in der Wiener Hofburg stattfinden soll. 2013 übernahm die Teutonia den Vorsitz der Deutschen Burschenschaft (DB). Schon zuvor, am Sonder-Burschentag in Stuttgart 2012 traten „liberalere" Bünde aus der DB aus, da sie sich nicht gegen die stramm rechten deutsch-völkischen Verbindungen durchsetzen konnten. Mit der Übernahme des Vorsitzes durch die Wiener Teutonen wurde der rechtsextrem-völkische Kurs der DB besiegelt. Dies veranlasste deutsche Medien über die rechtsextremen Umtriebe der Teutonen zuberichten.

Den letzten öffentlichen Auftritt lieferten die Schmissgermanen der Teutonia mit einem Flugblatt gegen die Einweihung des neuen Deserteursdenkmals am Wiener Ballhausplatz am 24.10.2014. Dort wird „die alte Pflicht" jener beschworen, die unter der Fahne der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie in den Krieg gezogen sind. Schuld daran, dass es überhaupt zu solch einer Denkmaleinweihung kommen konnte, was die Burschen der Teutonia übrigens als „willfährige Zersetzung von Volkstum und Nationalbewußtsein" (Flugblatt der Teutonia zum Deserteursdenkmal 2012) deuten, sind „dieselben Figuren", die uns an die „Bürokraten der EU, an korrupte Medien, an die internationale Hochfinanz" verkauft haben sollen. Womit wir wieder beim wahnhaften pathologischen Antisemitismus des völkisch-korporierten Milieus angekommen wären.

Turn left—smash right!

Die historische Erfahrung des Nationalsozialismus und der industriellen Vernichtung des europäischen Judentums bilden einen zentralen Ausgangspunkt unserer Gesellschaftskritik. Es gilt, das Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz sich nicht wiederhole, nichts Ähnliches geschehe. Deshalb nimmt Antifaschismus für uns eine zentrale Stellung unserer Praxis ein, auch mit der Gewissheit, dass dies ein Kampf gegen Windmühlen ist und wir die bürgerliche Gesellschaft stets gegen ihre eigenen Geschöpfe verteidigen. Als Antifaschist_innen rufen wir dazu auf, Nazis und reaktionären Ideologien auf allen Ebenen und mit allen Mitteln entgegenzutreten. Unser Ziel als Kommunist_innen ist, diesen Kampf überflüssig zu machen. Denn Nationalismus und andere reaktionäre Ideologien, bleiben doch nur „der schlechte Ersatz für den Traum, den die Welt der Menschheit so nachdringlich auszutreiben versucht" (Adorno).