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So fühlt sich Weihnachten als Ungläubige an

Für mich ist Weihnachten die Zeit im Jahr, wo alles geschlossen hat, der Alkohol süß schmeckt und ich nicht mitspielen darf.

Foto: VICE Media

In der geschäftigen Vorweihnachtszeit, in der alle Geschenke kaufen, Bäume schmücken, überzuckerten Punsch trinken und sich auf die Ankunft des Coca-Cola-Maskottchens freuen, vergessen viele auf diejenigen, die nicht Teil des Jesu-Fanclubs sind. Habt ihr euch schon mal gefragt, was Dreiviertel der restlichen Weltbevölkerung zu Weihnachten macht?

Für diejenigen, die—wie ich—ohne christliche Eltern, aber mit Kabelfernsehen aufgewachsen sind, besteht das weihnachtliche Ideal aus Besinnlichkeit und pannengeplagten Roadtrips, um rechtzeitig zu Heiligabend (oder -morgen) bei der Verwandtschaft anzukommen. Und am Ende findet man raus, dass sich alle eigentlich doch liebhaben, obwohl Papa gerade noch klamaukig die Flugtickets zum letzten Flug nach Chi-new-neapolis verloren hat.

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Obwohl ich sonst bei amerikanischem Kitsch eher zur Augenverdreher-Fraktion und nicht gerade zu den „U-S-A!"-Rufern gehöre, bin auch ich dem amerikanischen Christmas Cult verfallen. So wie alle anderen hier irgendwie auch. Obwohl die Straßenbeleuchtungen auf der Kärntner Straße jedes Jahr ihr Bestes geben, das Weihnachtsdrumherum als geschmacklos zu entlarven und ich ja eigentlich nichts mit diesem Fest zu tun habe.

Außer, dass ich zufällig in ein „Daham statt Islam"-Land geboren wurde. Obwohl ich es in Saudi-Arabien vielleicht nicht unbedingt besser hätte. Meine Eltern sind zwar Muslime, aber laut „Allah-u Akbar" schreien, bei Festen in die Luft schießen oder sonst etwas cooles Islamisches haben wir nie gemacht.

An den zwei (oder sind es drei?) islamischen Feiertagen sind wir, als ich noch kleiner war, einfach ins Kino gegangen. Dann haben wir zu Abend gegessen und anschließend gab's ein Geschenk für mich. Als ich älter wurde, fiel zuerst das Kino weg und irgendwann auch das Geschenk. Jetzt gibt's zum Eid Al-Iftar, dem Eid Al-Adha und Mohameds Geburtstag nur noch das Abendessen. Falls es sich bei jedem terminlich einrichten lässt.

Daher auch mein Weihnachtsneid. Während ich jahrein, jahraus mit einem Teller feinstes Mikrowellenessen zu Heiligabend Wiederholungen von Kevin allein zu Haus und dem einen Tim Allen-Santa Clause-Film geschaut habe, stellte ich mir vor, wie alle anderen gerade um eine prächtige Tanne herumstehen, in wunderschönen hässlichen Weihnachtspullover gekleidet, und gemeinsam mit Omama und Opapa himmlische Lieder trällern. Während ich in der Zwischenzeit nur Saucenflecken auf meiner Jogginghose sammle. Da vertröstet es einen auch nicht, wenn andere meinen, Weihnachten sei eh nur Stress. So ein Scheiß! Wenn andere von der Brücke springen, dann will ich auch.

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Aber mein Bedürfnis, bei religiösem Zeugs mitmachen wollen, obwohl's nicht einmal besonders appetitlich wirkt, hat bei mir schon viel früher angefangen. Im Kindergarten, als alle aufstehen durften, um Jesus für das Essen, das die Kindergartentante zubereitet hatte, zu danken, musste ich sitzenbleiben und habe Reiskörner in meinem Milchreis gezählt. Später durften alle in einen mysteriösen „Firmkurs", von dem ich bis heute nicht weiß, was das genau war, außer einem Vorwand, um eine Uhr geschenkt zu bekommen. Was alles noch verwirrender und mysteriöser für mich machte. Warum eine Uhr? Warum danach in den Prater gehen? Was treibt ihr Leute da und warum kann ich nicht mitmachen?

An einem Weihnachtsabend wurde meinen Eltern und mir der Glückseligkeitsdruck der anderen zu groß und wir krächzten „Nimmermehr". Wir wollten auch Weihnachten haben! Oder zumindest eine Light-Version davon. Sowas wie bei den jüdischen Amis, die zu Weihnachten, wenn alle Menora-Kerzen schon längst aus sind, ins China-Restaurant gehen und damit eine eigene Post-Christmas-Tradition erschaffen haben. So begab es sich zu dieser Zeit, dass wir in die (Innen-)Stadt gingen. Dort fanden wir die Tore aller Restaurants verschlossen. Entmutigt, ermüdet und mit gefrorenem Rotz in der Nase wollten wir schon aufgeben.

Doch dann sahen wir ein Licht. Ein goldenes, königliches Licht. Es war das Licht von Burger King. Dem in der einen Seitengasse der Kärntner Straße, wo es immer nach Kuhstall—oder sagen wir lieber Scheune—riecht. Wir öffneten die Tore zum gegrillten Königreich und traten voller Freude ein. Doch dann kam einer der Angestellten und erklärte uns, dass die Belegschaft hier gerade ein privates Weihnachtsfest veranstalten würde.

Seither kaufe ich mir am 24. Dezember immer 24 Cheeseburger und esse sie, während ich die ersten 20 Minuten von How the Grinch Stole Christmas schaue.

Mit einem Schlag war die Analogie auf die Herbergssuche zerstört. Nicht mal einen Whopper wollten sie uns auf den Weg mitgeben. Aber wenigstens war es schön zu sehen, dass der Zusammenhalt der Filipino-Belegschaft so groß ist, dass sie tatsächlich zu Weihnachten gemeinsam am Arbeitsplatz feiern!

Seither kaufe ich mir am 24. Dezember vormittags immer 24 Cheeseburger und esse sie resigniert in der heiligen Nacht, während ich in einer Dauerschleife die ersten 20 Minuten von How the Grinch Stole Christmas schaue. Immer nur genau bis zu dem Moment, wenn der Grinch erfolgreich Weihnachten stiehlt, aber nie weiter bis zu dem Teil, in dem er es wieder zurückgibt.

Dalia auf Twitter: @ahmed_dalia