So werden im Mittelland Töffs gesegnet

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So werden im Mittelland Töffs gesegnet

Die jährliche Biker-Segnung durch Pfarrer Madathikunnath lockte über tausend Biker und Töff-Freaks.

Text von Daniel Kissling

Spätestens seit Dennis Hopper als Easy Rider über die Kino-Leinwand brauste, gilt das Motorrad, der Töff, als das Symbol von Freiheit, Individualität und Selbstbestimmung schlechthin. Oder vielleicht eher galt, denn die Tage von nebeneinander über die ganze Autobahnbreite bretternden Biker-Gangs und „Ride free!"-Romantik scheinen in Zeiten von „Via Secura", E-Bikes und Endlos-Staus langsam vorbei zu sein.

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Doch es gibt sie noch, die Anhänger von Motorenknattern, glänzendem Chromstahl und Gegenwind. Und jedes Jahr versammeln sie sich auf dem Born, einem Hügel im Solothurner Mittelland. Der Grund: Auch oder vielleicht gerade ein Ritter beziehungsweise eine Amazone der Landstrasse braucht für sich und das stählerne Schlachtross den Segen von ganz oben. Die einen wohl aus Überzeugung, die anderen nach dem gut Schweizer Motto: „Nützts nüt, so schadts nüt!"

Gegen 1000 Motorrad-Menschen folgen jedenfalls an diesem Sonntagmorgen der Einladung des Motorradclubs Born. Vor der Kapelle und unter dramatisch bewölktem Himmel lauschen sie zuerst einer eher leidlichen Ukulele-Version von „Born to be wild" und danach der dankbar knapp gehaltenen Predigt von Pfarrer Madathikunnath—über dessen Herkunft und Hautfarbe kamen mir überraschenderweise nur zwei, drei Jokes zu Gehör. Die folgende Prozession zu den Motorrädern, welche der Anfahrtsstrasse entlang aufgereiht stehen, gestaltet sich wohl eher aus Überlastung des engen Feldweges, denn aus Andacht-Stimmung behäbig.

Als dann aber ein Böller die Vormittagsluft durchknallt und über 800 Motoren gleichzeitig zu knattern beginnen, kann man darob schon ein wenig von Ehrfurcht ergriffen werden. Die Effizienz hingegen, mit welchem der Priester die Fahrzeuge eines nach dem anderen mit Weihwasser segnet, könnte schweizerischer nicht sein und in Windeseile sitzt man auf den Festbänken, isst Bratwurst mit Kartoffelsalat, trinkt Flaschenbier und Féchy-Weisswein und fachsimpelt über teure Felgen, schöne Pass-Routen und das Neubeziehen des Ledersattels. Nein, es sind keine Outlaws, Hells oder Rowdys, die hier beisammen sitzen. Es ist der aufrechte Mittelstand, der sich vielleicht nur deswegen fünf Tage die Woche ins Büro oder Geschäft raffen kann, weil er weiss: Das nächste Wochenende, die nächste Fahrt—sie kommt bestimmt.

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