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Wer steckt hinter Pegida Österreich?

Pegida hat in Österreich erstmals einen Sprecher benannt, es handelt sich um einen rechten Journalisten. Doch im Hintergrund lassen sich Verbindungen in die organisierte Nazi-Szene vermuten.

Die Reichskriegsfahne auf einem Banner von Unsterblich Wien, rechts daneben die Streitaxt von Ultrassur. Foto: linksunten.indymedia.org

Dieser Artikel ist Teil unserer Berichterstattung zu Pegida.

Die ersten Köpfe von Pegida Österreich sind bekannt. Die Person, die den geplanten Pegida-Aufmarsch am 2. Februar in Wien angemeldet haben soll, ist Arnold Siegmund, der aus dem Umfeld der rechtsextremen Hooligan-Szene stammen dürfte. Als offizieller Sprecher von Pegida Wien tritt der rechte Journalist Georg Immanuel Nagel auf. Doch möglicherweise stehen auch organisierte Nazi-Strukturen in Zusammenhang mit Pegida.

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Seit 21. Jänner 2015 ist der freie Journalist Georg Immanuel Nagel Sprecher von Pegida Wien. Nagel schreibt unter anderem für die rechtsextremen Publikationen Zur Zeit, Der Eckart und Blaue Narzisse. Besonders seine Mitarbeit in Zur Zeit ist dabei interessant: Die eindeutig rechtsextrem ausgerichtete Zeitschrift ist FPÖ-nahe und wurde vom FPÖ-Spitzenpolitiker und Burschenschafter Andreas Mölzer gegründet. Derzeit ist Mölzers Sohn Wendelin Chefredakteur des Blattes.

Screenshot von Georg Immanuel Nagels Facebook-Seite. Screenshot: VICE Media

Nagel gibt nun offenbar das salonfähige Aushängeschild von Pegida. Weit interessanter sind aber andere, die ebenfalls in Zusammenhang mit der neuen Gruppe stehen. Hier ist besonders der Obersteirer Arnold Siegmund zu nennen, der als Anmelder des Aufmarsches von Pegida genannt wird. (Wobei noch abzuwarten bleibt, ob die Anmeldung nicht von Nagel übernommen wird.)

Siegmund kann dem rechten Teil der Fan-Szene der Wiener Austria zugeordnet werden und hat sich in der Vergangenheit bereits als Unterstützer der Nazi-Truppe Unsterblich hervorgetan, unter anderem in Kommentaren auf der Seite von VICE.com.

Kommentare von „Violetter Steirer" unter einem VICE-Artikel. Screenshot: VICE Media

Siegmund trat in sozialen Netzwerken als „Violetter Steirer" und „fedayn666" auf, hat allerdings mittlerweile sein Facebook- und YouTube-Profil gelöscht. Von beiden Profilen haben wir allerdings Screenshots, die zeigen, dass Siegmund sich einerseits für die Wiener Austria, aber auch für Runen, Nazi-Klamotten, die Rechts-Rock Band frei.wild, die FPÖ und den Kampfsport Krav Maga interessiert (was durchaus ironisch ist, wurde Krav Maga doch in den 1930ern von Imrich Lichtenfeld entwickelt, einem ungarischen Juden, der sich damit schlagkräftig gegen antisemitische Übergriffe zur Wehr setzte).

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Das Facebook-Profil von Arnold Siegmund. Screenshot: VICE Media

Ebenfalls verknüpft ist Siegmund mit der Facebook-Seite von UltrasSur Wien. Hier handelt es sich um den Wiener Ableger der Neonazi-Fanszene von Real Madrid. Führender (und möglicherweise einziger) Aktivist der Gruppe ist mutmaßlich Mihaly „Salo" K., der derzeit zusammen mit rechten Kameraden von Austria und Rapid wegen des Angriffes auf das Ernst-Kirchweger-Haus vor Gericht steht. K., der auch dem Umfeld der Nazi-Fangruppe Unsterblich zugeordnet wird, ist schon früher aufgefallen: Er war als einer von wenigen Österreichern im Mailverteiler des norwegischen Massenmörders Anders Breivik, der 2011 insgesamt 77 Menschen ermordet hat.

Die Seite von UltrasSur fiel zuletzt am 24.12.2014 auf, als dort mit vielen Rechtschreibfehlern Freiheit für den spanischen Nazi-Mörder Josué Estébanez de la Hija sowie für die beiden inhaftierten österreichischen Neonazis „Gottfried" und „Felix" (also Gottfried Küssel und Felix Budin) gefordert wurde.

Unsterblich ist offensichtlich Teil der organisierten Nazi-Szene und somit nicht nur im Stadion relevant.

UltrasSur wirkt allerdings eher wie das neonazistische Hobby-Projekt von K. In der Fanszene weit entscheidender ist die Unsterblich-Truppe. Karl und Rosa von der antifaschistischen Austria-Faninitiative „Ostkurve statt Ustkurve" berichten, dass Unsterblich in einem eindeutigen Naheverhältnis zur rechtsextremen Terrorgruppe Blood and Honour steht. Sie erzählen auch, dass die Gruppe mittlerweile durch zahlreiche Betretungsverbot innerhalb des Stadions deutlich geschwächt wäre, wollen aber keine Entwarnung geben. Rosa sagt: „Unsterblich ist offensichtlich Teil der organisierten Nazi-Szene und somit nicht nur im Stadion relevant."

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Gleichzeitig wäre es auch verkürzt, das Nazi-Problem ausschließlich an einem Fanclub festzumachen." Karl ergänzt: „Es gibt Milieus und Umfelder in anderen Fanclubs. Erst kürzlich wurde ein neuer Fanclub wegen Rechtsextremismus nicht akkreditiert. Die Austria hat bereits einiges getan, müsste aber hier noch weit intensiver dagegen halten und sich entschlossener öffentlich positionieren."

Auch andere Überschneidungen zwischen Pegida Österreich und der rechten Hooligan-Szene sind offensichtlich. So hat einer der Moderatoren der Pegida-Seite ein Bild seiner eigenen Page geteilt und damit das eigene Profil sichtbar gemacht. Das Profil ist offensichtlich neu erstellt, sein Eigentümer „Donar Wien" zeigt sich interessiert an Rapid Wien und Ferencváros Budapest. Die Kurve von Ferencváros ist bekannt für ihre rechtsextreme Ausrichtung, Hitler-Grüße und rechtsextreme Symbole sind an der Tagesordnung. Insbesondere der Rapid-Fanclub Tornados unterhält freundschaftliche Beziehungen zu den rechten Budapestern, die vor kurzem auch in Wien Auseinandersetzungen provozieren wollten.

Eine mögliche Verbindung von Pegida und Fußball-Hooligans habe ich bereits Ende Dezember in meinem Artikel „Der Stammtisch formiert sich" beschrieben und gezeigt, dass Pegida in Österreich mutmaßlich aus einem ähnlichen Kreis heraus organisiert sein könnte wie die Mitglieder der österreichischen Facebook-Reisegruppe zum Hooligans-gegen-Salafisten-Aufmarsch (HoGeSa) in Köln im Oktober 2014. In dieser Gruppe waren Fans der beiden Wiener-Clubs Rapid und Austria (die sich über den gemeinsamen rechtsextremen Fan-Zusammenhang Eisern Wien organisieren) sowie auch viele Hooligans aus der Steiermark zu finden.

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Auffallend sind gleichzeitig die Überschneidungen der rechtsextremen Hooligan-Szene aus Wien und der Steiermark mit dem Umfeld der mittlerweile abgeschalteten Neonazi-Homepage Alpen Donau, die ihre Schwerpunkte ebenfalls in diesen beiden Bundesländern hatte. So war eines der steirischen Mitglieder der österreichischen Reisegruppe zu HoGeSa Köln mutmaßlich ebenfalls einer der Administratoren von Alpen Donau. Teil der Gruppe soll auch Richard P. gewesen sein, der wiederum 2012 gemeinsam mit Franz Radl vor Gericht stand.

Radl, dessen Rolle ich erst vor Kurzem beleuchtet habe, gilt als einer der wichtigsten österreichischen Nazi-Kader und enger Vertrauter des derzeit inhaftierten selbsternannten Nationalsozialisten Gottfried Küssel. Die Gruppe rund um Küssel hat auch Alpen Donau betrieben. Diese Webseite war der wichtigste Organisierungsversuch der österreichischen NS-Szene der letzten Jahre. Radl wurde ebenfalls mit Alpen Donau in Verbindung gebracht, doch bis dato konnte dazu kein Nachweis erbracht werden.

Parallel gibt es noch andere Überschneidungen zwischen der rechten Fan-Szene und den Küssel-Strukturen. Insbesondere ist hier Alexander Ch. zu nennen. Ch. wird dem Umfeld von Unsterblich (UST) zugerechnet und ist ehemaliger Generalsekretär des österreichischen Rechtsanwaltskammertages (das Dienstverhältnis wurde nach dem Bekanntwerden seiner rechten Verbindungen gelöst). Wenn im Stadion oder bei Auswärtsspielen UST-Symbole gezeigt wurden, war Ch. auf Bildern oft im Zentrum des Geschehens zu finden. Auch das Nachrichtenmagazin Profil rückt Ch. eindeutig in die Nähe von UST. Ch. ist gleichzeitig eng mit der österreichischen Neonazi-Szene verknüpft. Von ihm existieren etwa Fotos, auf denen zu sehen ist, wie er gemeinsam mit Küssel und Radl an Demonstrationen teilnimmt.

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Ch. Ist übrigens auch in der FPÖ gut verankert, war bereits FP-Kandidat zum Nationalrat und geht zum Akademikerball der Burschenschaften. Hier ist auch eine mögliche Querverbindung zu den burschenschaftlichen FPÖ-Kreisen rund um Zur Zeit, wo auch Pegida-Sprecher Nagel publiziert. Zwischen FPÖ und rechter Austria-Fanszene gibt es auch noch weitere Verbindungen, so hat die rechtsaußen angesiedelte Seite unzensuriert, die vom ehemaligen FPÖ-Nationalratspräsidenten und Olympia-Burschenschafter Martin Graf betrieben wird, immer wieder über die Fan-Szene der Austria berichtet. Mit dem ehemaligen FPÖ-Parlamentsmitarbeiter Dietmar R., derzeit Gemeinderat in Gerasdorf bei Wien, gibt es auch noch eine weitere personelle Querverbindung zwischen FPÖ und Fan-Szene.

Hier wird die rechtsextreme Szene bei der Wiener Austria stärker beschrieben als jene beim Lokalrivalen Rapid. Das liegt daran, dass hier zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon mehr Informationen vorliegen, da die Neonazi-Szene in den letzten Jahren vor allem bei der Austria offen auftrat. Es soll aber nicht bedeuten, dass innerhalb von Pegida vor allem rechtsextreme Austria-Anhänger aktiv sind. Es gibt starke Hinweise (unter anderem das oben genannte Profil Donar Wien), dass Rapid-Fans intensiv in das Projekt involviert sind und es sich eben tatsächlich um einen vereinsübergreifenden, rechtsextremen Zusammenschluss handelt. Bereits in den 1980er Jahren gab es bei Rapid den Neonazi-Fanclub „Terrorszene" und den Versuch der damaligen Küssel-Truppe VAPO, sich im Rapid-Anhang zu verankern. Und auch heute gibt es eindeutige Verbindungen in die rechtsextreme Szene, die aktuelle Pegida-Entwicklung ist der beste Beleg dafür.

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Wo Pegida-Sprecher Nagel in diesem Netzwerk einzuordnen ist, ist derzeit noch ungewiss. Klar ist aber selbstverständlich, dass es eine Verbindung zwischen ihm und den Netzwerken geben muss, die bisher in Zusammenhang mit Pegida Österreich auffällig wurden.

Insgesamt dürfte die FPÖ einen relevanten Teil derer aufsaugen, die in Deutschland für Pegida empfänglich sind.

All diese Verknüpfungen lassen jedenfalls den Schluss durchaus nahe liegend erscheinen, dass bei Pegida Österreich rechtsextreme Fußballfans—insbesondere aus den beiden Wiener Großklubs Austria und Rapid—eine wesentliche Rolle spielen. Diese wiederum haben belegbare Verbindungen ins organisierte NS-Milieu. Und gleichzeitig gibt es mit Nagel einen schein-seriösen Querverbinder in traditionelle rechtsextreme Kreise in der FPÖ.

Die FPÖ als Gesamtes tut sich allerdings schwer mit Pegida. Einerseits hat Parteiobmann Strache in Interviews und auf seiner Facebook-Seite bereits einige Male Sympathien für Pegida erkennen lassen. Andererseits hat er am 2. Februar laut eigenen Angaben einen dringenden Termin in Tirol und kann daher am Aufmarsch nicht teilnehmen.

Derzeit ist nicht davon auszugehen, dass der Aufmarsch von Pegida in Wien ein besonderer Erfolg wird. Die Facebook-Seite ist zwar frequentiert, doch neue Recherchen haben ergeben, dass ein relevanter Teil der Poster eigentlich in Deutschland lebt. Insgesamt dürfte die FPÖ einen relevanten Teil derer aufsaugen, die in Deutschland für Pegida empfänglich sind. Dementsprechend hat auch Strache bereits verlautbaren lassen, dass die FPÖ die „wahre Pegida" in Österreich sei.

Die Einschätzung der FPÖ ist zweifellos so auch zutreffend, ist doch Pegida nichts anderes als der übliche Rassismus im Gewand der angeblichen Sorge um das „Abendland". Und diese Positionen bedient in Österreich Strache bereits seit einigen Jahren, wenn er etwa mit einem Kreuz auf der Bühne herumwedelt. Gleichzeitig zeigen neue Untersuchungen aus Deutschland, dass Pegida vor allem Männer aus der Mittelschicht mit Abstiegsängsten anzieht. Und auch das trifft vieles sehr gut, was die FPÖ in ihren Wahlkämpfen propagiert.

Der Marsch von Pegida wird allerdings genauso wie der Akademikerball von Burschenschaften und FPÖ mit Protest zu rechnen haben. Die „Offensive gegen Rechts", ein Bündnis aus sozialdemokratischen Jugendstrukturen sowie marxistischen und trotzkistischen Organisationen, hat bereits eine Demonstration unter dem Motto „Kein Platz für Rassismus. In Wien geht ihr keinen Meter" angekündigt.

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