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Wie Ayahuasca mir dabei half, die Ermordung meiner Mutter zu verarbeiten

Nach dem Tod ihrer Mutter war Celia Peachey jahrelang auf der Suche nach mentaler und emotionaler Befreiung. Jetzt hat sie mit der Hilfe eines natürlichen Psychedelikums auf gewisse Art und Weise mit der Sache abschließen können.

Celia Peachey wird von ihrer Mutter gefüttert | Alle Fotos: bereitgestellt von Celia Peachey

Celia Peacheys Mutter Maria Stubbings wurde 2008 von einem Ex-Freund umgebracht, den man vorher schon einmal wegen Mordes angeklagt hatte. Mit dem Ziel, über diese Tragödie hinwegzukommen, sucht Celia seitdem nach einem mentalen und emotionalen Ventil für ihr Leid. Zwar waren Meditation und der Kampf für Veränderung schon hilfreich, aber eine tiefgreifende Erfahrung mit dem Psychedelikum Ayahuasca in einem „Ayahuasca Internacional"-Resort zeigte sich dabei besonders ergiebig.

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Ayahuasca ist eine vor DMT nur so strotzende Pflanzenmischung aus dem Amazonasgebiet, die vier bis acht Stunden andauernde Bewusstseinsveränderungen hervorruft. Schamanen aus dem Dschungel benutzen das Ganze aufgrund der körperlichen und emotionalen Heilkräfte schon seit Tausenden Jahren, aber die westliche Welt steht dem Halluzinogen immer noch skeptisch gegenüber. Es folgt nun eine Niederschrift von Celias Trip, der ihr ermöglichte, das Schicksal ihrer Mutter zu verarbeiten.

Es war, als würde irgendetwas für mich atmen. Meine Hände waren komplett entspannt und ich lag einfach nur da und ergab mich. Dabei stieß ich Gelächter und hysterische Schreie der Trauer aus. Für Außenstehende muss es so ausgesehen haben, als wäre ich besessen oder würde Höllenqualen durchleiden, aber dabei war es eher so, als würde mir eine Last von den Schultern genommen werden. Ich wurde nicht verrückt, ich kam eher wieder zu Sinnen.

Das alles geschah während der ersten Nacht, in der wir Ayahuasca tranken und dabei im geschmückten Wohnzimmer einer spanischen Villa zugedeckt im Kreis lagen. Lebhafte und atemberaubende Bilder zogen über den Bildschirm meines Bewusstseins. Kaskadierende Farben schienen meine Gefühle noch weiter zu verstärken.

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Als die letzten Reste dieser Erfahrung durch meinen Körper zogen, dachte ich, dass es jetzt vorbei wäre. Ich musste lachen, als ich mich im Zimmer umsah und dabei meine Mitmenschen beobachtete. Alle kotzten, hatten Durchfall und rollten sich auf dem Boden herum. „Was mache ich hier überhaupt? Ich befinde mich hier doch in einer Irrenanstalt", sagte ich zu mir.

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Aber plötzlich setzte die Wirkung des Ayahuascas wieder ein. In diesem Moment nahm mein Gefühlsausbruch Überhand und die intensive Befreiung begann. Mich übermannte das Gefühl, eine Scheißangst vor Liebe zu haben. Meine Mutter und ihre Geschichte gingen mir im Kopf herum.

Da meine Mutter als Kind misshandelt wurde, machte Liebe ihr Angst. Gesunde Beziehungen hielten nicht lange und ihr kaum vorhandenes Selbstwertgefühl machte sie für Menschen, die ihr wahrscheinlich Schmerzen zufügen würden, sowohl angreifbar als auch leichter zugänglich. Das Ayahuasca machte mir genau da klar, wie dieser Umstand wiederum zu einer meiner größten Ängste wurde—wenn ich mich verliebe, dann könnte ich das Ganze zerstören, verrückt werden oder die falsche Person anziehen.

Eine Nahaufnahme von frisch gebrautem Ayahuasca.

Während der zweiten Nacht der Ayahuasca-Zeremonie spürte ich eine tiefgreifende Verbindung zum Universum und feierte all die Leute, die ich liebe, vor meinem geistigen Auge—vor allem meinen Bruder. Ich bin wirklich froh darüber, dass er heute noch lebt, denn der Mann, der meine Mutter ermordet hat, ist auch ihm durchs Haus gefolgt, damit er die Leiche nicht findet. Meine Mutter lag tot im Badezimmer und wenn mein Bruder sie gesehen hätte, dann wäre auch er jetzt nicht mehr am Leben.

Eine Viertelstunde nach dem Ende eines zehntägigen Schweige-Vipassana-Meditationscamps erfuhr ich vom Mord an meiner Mutter. Ich stand in einem Feld und schrie mir einfach nur die Seele aus dem Leib. „Das macht mich jetzt entweder kaputt oder ich wachse daran", schoss mir durch den Kopf. Ich entschied mich schnell für die zweite Option. Ich spürte, wie etwas Kosmisches alles in Balance hielt. Ich wusste, dass ich es schaffen würde.

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Meine Mutter wurde auf die grausamste und herabwürdigendste Art und Weise ermordet. Sie wurde zuerst sexuell missbraucht, dann geschlagen und schließlich mit einer Hundeleine erwürgt. Danach ließ der Mörder sie einfach im Badezimmer liegen. Er leerte ihre Bankkonten, verkaufte unsere Weihnachtsgeschenke, all ihre Klamotten und das Spielzeug meines Bruders und lebte anschließend noch eine Woche in unserem Haus—im Beisein der Leiche.

Ich hatte den Mann, der meine Mutter auf dem Gewissen hat, vorher getroffen. Als ich ihn kennenlernte, machte er einen netten Eindruck, aber ich merkte auch schnell, dass irgendetwas nicht stimmte. Meine Mutter wurde nämlich immer nervöser und wirrer.

Celia (rechts) und ihre Mutter.

Ich weiß noch, wie ich meine Mutter das letzte Mal sah: Ich versprach ihr, mit ihr zusammen ihren Geburtstag zu feiern, wenn ich vom Meditationscamp wieder nach Hause komme. Sie stand im Wohnzimmer und ich hatte das Gefühl, dass sie mir etwas erzählen wollte, aber nicht konnte. Ich glaube, dass er sich vielleicht irgendwo im Haus versteckt hat. Als wir zum Bahnhof fuhren, sagte meine Mutter zu mir: „Ich mag es, wenn wir Zeit miteinander verbringen. Da fühle ich mich so viel stärker." Zum Abschied umarmte sie mich mit all ihrer Kraft. Danach sah ich sie nie wieder.

Bei einer vor neun Monaten beendeten Untersuchung ihres Todes kam heraus, dass die Polizei mehrmals versagt hatte—inklusive Fehlverhalten und Fahrlässigkeit. Zwar entschuldigte man sich auch bei uns in noch nie dagewesener Form, aber inzwischen setze ich mich zusammen mit der gemeinnützigen Organisation Refuge auch dafür ein, dass sich für die zukünftigen Opfer häuslicher Gewalt wirklich etwas ändert.

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Wir haben schon zwei Drittel der nötigen Unterschriften gesammelt, um das Parlament dazu zu bringen, eine öffentliche Untersuchung bezüglich eines Versagen des Staates einzuleiten. Wenn wir die 75.000er-Marke geknackt haben, dann wird das derzeitige System neu bewertet, damit die Opfer häuslicher Gewalt den Schutz bekommen, den sie auch verdienen. Diese Kampagne und die damit verbundene groß angelegte Anfechtung des Systems verschaffte mir etwas Genugtuung, aber ich verspürte immer noch den Drang, mich mit meinem eigenen inneren System zu beschäftigen.

Ich hatte mich schon vorher über Ayahuasca informiert und war am Anfang noch etwas zögerlich, da man bei der ganzen Prozedur auch zu einem gewissen Teil die Kontrolle verliert. Dann stieß ein Freund schließlich auf das Camp in Spanien, wo man Ayahuasca zu psychotherapeutischen Zwecken konsumiert. Wir entschieden uns dazu, uns anzumelden.

Während der Zeremonie spürte ich plötzlich ein mich packendes und zusammendrückendes Gefühl sowie eine völlige Unterwerfung, so als ob man alle meine Ängste und Selbstzweifel aus mir herauswringt. Als mir eine Vision davon kam, wie ich Leute, die ich normalerweise auf Distanz halte, näher zu mir holte, stieg in mir eine richtige Übelkeit hoch. Ich musste mich übergeben. Man weiß genau, von welchen Dingen man sich trennt, und ich war mir sicher, dass ich in diesem Moment meine Angst vor Intimität losließ.

Aufgrund meiner Lebenserfahrung habe ich quasi vor allen Dingen erstmal Angst—und zwar in einem solchen Ausmaß, dass ich mich manchmal gar nicht aus dem Haus traue oder nichts essen kann. Ayahuasca hat mir wirklich dabei geholfen, diese Angst zu überwinden.

Natürlich ist man dem Psychedelikum gegenüber erstmal skeptisch, aber das liegt wohl daran, dass es derzeit einfach noch so etwas Außergewöhnliches ist. Es wird nirgendwo beworben und deshalb sind die Voraussetzungen für Akzeptanz einfach noch nicht geschaffen—die stetig wachsende Informationsflut im Internet wird das allerdings auch noch ändern. Dazu kommt außerdem, dass viele von uns ein Leben mit verschiedenen Ängsten leben. Ayahuasca bringt dich dazu, dich diesen Ängsten zu stellen und dich mit dir selbst zu beschäftigen. Nicht viele von uns sind dazu bereit.

Ich bin jetzt seit gut zwei Wochen wieder zu Hause und ich fühle mich sicher. Und das war lange Zeit nicht der Fall. Ich habe mich meiner Traurigkeit entledigt und einen Großteil meiner Trauer verarbeitet. Es fühlt sich komisch an, nicht mehr mit meiner Traurigkeit verbunden zu sein—ich vermisse es sogar schon fast ein wenig. Gleichzeitig verspüre ich aber auch eine tiefe Dankbarkeit. Und ich fühle mich eigentümlich befreit.

Celias Geschichte wurde von Kate Johnson aufgezeichnet.