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Die längste Wahl der Welt

Wie eine angebliche Info-Website versucht, die Wahl für Norbert Hofer zu beeinflussen

"Der Aufruf zur Ungültigmachung der Stimme scheint sich klar an die Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten zu richten."
Foto: imago | Eibner Europa

Wer aktuell bei Google nach "Bundespräsidentschaftswahl" sucht, stößt schnell auf diese Website. Auf den ersten Blick vermutet man eine neutrale Informationsseite zu den aktuellen Wahlen in Österreich. Auf den zweiten Blick machen die Inhalte aber stutzig.

Optisch wirkt die Seite seriös und vermittelt die wichtigsten Fakten zur Wahl. Liest man weiter, entstehen aber schnell Zweifel daran, wie vertrauenswürdig—und vor allem wie neutral und ausgewogen—die Informationen auf dieser Website wirklich sind.

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Einen ersten Hinweis dafür findet man, wenn man Infos zur Briefwahl sucht. Während sich die ersten Absätze damit beschäftigen, wer wählen darf und wann der gesetzliche Wahltermin ist, lautet der dritte Punkt: "Gilt die Briefwahl diesmal?" Anstatt über die diversen Möglichkeiten und Formen der Briefwahl aufzuklären, werden Thesen aufgestellt, weshalb die Briefwahl in diesem Wahlgang ungültig sein könnte. Im letzten Absatz wird sie sogar als "Brieflotterie" beschrieben—und ihre Gültigkeit grundsätzlich in Frage gestellt:

Die Briefwahl ist sozusagen zu einer Brieflotterie geworden. Mittels Briefwahlkarten ("Brieflotterie"?) kann man zwischen Anfang November und 4. Dezember 2016 wählen, […].

Ein paar Absätze weiter wird darauf hingewiesen, dass auch eine ungültige Stimme abgeben werden kann, indem man eine Alternative zu den beiden zur Wahl stehenden Kandidaten auf den Stimmzettel schreibt. Denn, so die Autoren, "Nur das drückt den tatsächlichen Wählerwillen aus, falls man weder Hofer noch Van der Bellen wählen will."

Das Ganze wird als Tipp verpackt und wie folgt begründet:

Tipp: Man kann und darf auch Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP) oder Irmgard Griss (NEOS-nahe) händisch auf den Stimmzettel schreiben. Wo ist egal, am besten unter den beiden offiziellen Kandidaten. Da ist genügend Platz am Stimmzettel. Eventuell noch einen Kreis mit einem (x) vor den Namen malen. […]

Wozu der Hinweis dient, bleibt ungeklärt. Genauso wie die Frage, wer davon profitiert, wenn die Wähler von Hundstorfer, Khol und Griss ungültig wählen.

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Nach der ersten Stichwahl wurde klar, dass die meisten Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten zu Van der Bellen übergewechselt sind. Der Aufruf zur Ungültigmachung der Stimme scheint sich klar an die Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten zu richten. Hier liegt ein taktisches Vorgehen nahe, um die Stimmen dieser Wählergruppe nicht an Van der Bellen weiterzugeben.

Der offensichtlichste Hinweis darauf, dass die Seite keineswegs neutral informiert, findet sich im direkten Kandidatenvergleich. Hier werden (vermeintliche) Fakten zu den Kandidaten in einer Tabelle gegenübergestellt. Bei zwei Themen fällt das besonders stark auf:

Einerseits beim Thema Ehe und Kinder, bei dem kaum auf Hofers Scheidung eingegangen wird, während Van der Bellens Affäre breitgetreten und dieser klar als "Ehebrecher" bezeichnet wird. Und andererseits beim Punkt Grundwehrdienst, wo besonders ausführlich darauf eingegangen wird, dass Van der Bellen diesen nicht geleistet hat—er wird deshalb auch ganz offen als "Drückeberger" beschrieben.

Quelle: http://www.bundespraesidentschaftswahl.at/vergleic… (abgerufen am 22.11.2016)

Für die Macher der Seite gilt die Briefwahl also als "Brieflotterie" (zur Erinnerung: besonders viele Briefwähler haben im ersten Wahldurchgang für Van der Bellen gestimmt), potentielle Wähler erhalten den Tipp, ungültig zu wählen und Van der Bellen wird im direkten Kandidaten-Vergleich untergriffig als Ehebrecher und Drückeberger bezeichnet. Eine neutrale, ausgewogene Informations-Website, wie sie Ministerien oder offiziellen Institutionen zur Verfügung stellen, sieht anders aus.

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Warum das problematisch ist, zeigt sich durch einen Blick darauf, wie gut die Website bei Google indiziert ist: Bei Suchanfragen zu "Bundespräsidentschaftswahl" oder "Wahlen Österreich" ist www.bundespraesidentschaftswahl.at das Top-Ergebnis. Dabei haben im letzten Monat über 60.500 Österreicher nach "Bundespräsidentschaftswahl" gesucht; immerhin noch 12.100 googleten nach "Wahlen Österreich".

Aktuellen Zahlen zufolge klicken im Schnitt 59,6 Prozent der User bei Suchanfragen auf das erste Ergebnis bei Google. Alleine mit den beiden als Beispiel genannten Suchanfragen würde die Seite somit auf ungefähr 43.000 Besucher pro Monat kommen.

Das ist besonders vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahre problematisch, in denen Desinformationen und Fake-News im Wahlkampf immer stärker zu einem bestimmenden Thema wurden.

Oft ist für Außenstehende auch nicht nachvollziehbar, welche Motive oder Agenda die Macher verfolgen.

Dass gleichzeitig mit dem schwindenden Vertrauen der Bevölkerung in traditionelle Medien (Stichwort "Lügenpresse") nicht nur alternative und neue Medienhäuser, sondern eben vor allem unseriöse Blogs und zwielichtige Quellen einen immer wichtigeren Stellenwert im politischen Diskurs einnehmen, hat sich auch im Zuge des jüngsten US- Wahlkampfs gezeigt.

Solche Informationen und die dahinterstehenden Websites sind aber mit Vorsicht zu genießen; meistens sind ihre Autoren keinerlei Kodex (wie zum Beispiel dem Ehrenkodex österreichischer JournalistInnen) verpflichtet. Oft ist für Außenstehende auch nicht nachvollziehbar, welche Motive oder Agenda die Macher verfolgen.

Und wie sieht es im konkreten Fall aus? Schaut man ins Impressum, wird als Domain- und Medieninhaber die Wien-konkret Medien GmbH genannt. Geschäftsführer und Herausgeber von Wien-konkret ist Robert Marschall, der gleichzeitig als Obmann der EU-Austrittspartei fungiert—und auch selbst bei der Bundespräsidentenwahl antreten wollte. Marschall scheiterte jedoch bereits an der Hürde von 6.000 Unterschriften, die für eine Kandidatur notwendig gewesen wären. (Auf unsere Anfrage nach der Absicht und Ausrichtung der Website www.bundespraesidentschaftswahl.at reagierte bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels niemand.)

Darüber hinaus ist Marschall in Sachen politisch motivierter Berichterstattung (und bei der Verschleierung davon) kein unbeschriebenes Blatt—sein Format Wien-konkret geriet bereits mehrfach in die Kritik: Im Juli 2010 kritisierte der Standard, dass Wien-konkret diverse Wiener Bäder nach ihrem "Ausländeranteil" bewertet hatte. Diese Bewertung wurde von Wien-konkret bis heute nicht korrigiert.

Bereits im September 2014 schrieb das Online-Magazin Mokant.atMokant.at über Wien-konkret und kritisierte in seinem Bericht, die Aufmachung der Seite würde den Eindruck einer offiziellen Website der Stadt Wien erwecken. Auch hier werden die Wiener Bädern thematisiert. Die Organisation für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (ZARA) stuft die Artikel von Wien-konkret als "eindeutig […] rassistisch, aber weder straf- noch zivilrechtlich als Verstoß" ein. Übrigens: Robert Marschall betreibt auch die Seiten www.wahltermin.at, www.wahlbeteiligung.at, www.oesterreich-parteien.at und www.euwahl2014.at.