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Wie du Freunde verlierst

Zeit sollte nicht das vordergründige Argument für Freundschaft sein.
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Ich bin fast 24 Jahre alt und habe einen relativ großen Freundeskreis. Sprich: Ich habe ein paar wirklich gute Freunde und viele lockere Bekanntschaften, die sehr freundschaftlich gelebt werden. Auf meinem Lebensweg habe ich bereits viele sehr gute und eher gute Freunde verloren. Manche Verluste passierten dramatisch von einem Tag auf den anderen. Andere Verluste passierten schleichend und langsam—und passieren immer noch. Ich bin mir sicher, dass ich bis zum Ende meiner Tage, noch einige Ex-Freunde sammeln werde. Früher hat mir der Gedanke Atemnot beschert, heute ist es OK für mich.

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Meine erste beste Freundin habe ich mit 15 verloren, die letzte in diesem April. Ich erwähne das, weil es einen Unterschied macht, ob man Freunde oder einfach Bekanntschaften verliert. Schön ist es nie. Was unterscheidet einen besten Freund von einem normalen Freund? Richtig, die Beziehungsstruktur. Man führt mit seinen besten Freunden eine Art Beziehung. Man baut sich zusammen einen Freundeskreis auf, man hat gemeinsame Hobbys und man sieht sich unnatürlich oft.

Freundschaften scheitern, weil Leute sie nicht definieren

Die BFF-Beziehung ist natürlich weniger sexuell als eine richtige Beziehung, aber nicht weniger emotional (und um Sex geht es ja ums Eck trotzdem auch immer irgendwie). Manchmal ist sie sogar emotionaler. Es sind Menschen, mit denen man sich nicht nur versteht und alles teilt, sondern auch Menschen, denen man vertraut. Zu denen man steht. Man stellt unausgesprochene Ansprüche an den jeweils anderen. Während in einer monogamen Liebesbeziehung mehr oder minder klar definiert ist, wie man in gewissen Situationen handeln soll, definiert Freundschaft jeder anders.

Direkt und klar wird selten darüber gesprochen—wenn ich in einer schwierigen Zeit jeden Tag dein Händchen halte, gehe ich davon aus, dass du es für mich auch eines Tages tust. Und zwar von dir aus—ohne, dass ich es extra ansprechen muss. Wenn ich es ansprechen muss, verdienst du meine Liebe nicht. So in etwa geht die Logik.

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Ihr müsst an eurer Kommunikation arbeiten (oder mit den Konsequenzen klarkommen)

Nichterfüllte Ansprüche können also eine der Bruchstellen einer Freundschaft sein. Zumindest ist es bei mir schon das eine oder andere Mal ein Problem gewesen. Zugegeben: Es war immer bei Frauen—an beste Freundinnen habe ich immer schon höhere Ansprüche gehabt, als an beste Freunde. Für diesen Artikel habe ich darüber nachgedacht und ich glaube, es liegt wirklich an meiner Kommunikation mit anderen Frauen. Während eine beste Freundin jeden Tag dramatisches Herzweh hat, sagt es ein Typ in einem Nebensatz beim Playstation-Spielen. Die Art der Kommunikation und der Nähe ist eine andere.

Aber ich habe auch schon BKFs (Best Kumpels Forever) verloren. Da waren die Gründe ähnlich wie bei normalen Freunden. Der Freundschaftsverfall war auch ähnlich undramatisch und schleichend. Herauskristallisiert haben sich zwei Bruchstellen: Interessenverschiebung und eine Beziehung. Beziehungen können richtige Freundschaftskiller sein. Wegen einer Beziehung habe ich beide Geschlechter traurig von dannen ziehen lassen. Schon alleine deshalb, weil meine Beziehungen bis jetzt nach dem „Bros before Hoes, Sisters before Misters"-Prinzip beendet wurden und ich es umso schwerer nachvollziehen konnte, wenn man nicht so kindisch und verbunden ist wie ich.

Ohne Internet seid ihr in eurer Höhle alleine

Interessenverschiebungen, ohne dass eine Beziehung stattfindet, tun natürlich auch weh. Darunter fallen auch Dinge wie Umzüge oder ein Ausbildungswechsel. Wie oft hat man sich gesagt, dass ein Umzug nichts ändert—tut er aber doch. An einem neuen Ort sind schnell andere und neue Dinge faszinierend.

Wenn nicht beide Parteien die neuartigen Kommunikationskanäle des Netzzeitalters nutzen, um sich up-to-date zu halten, dann verblasst die Freundschaft. Auf der anderen Seite, gibt es immer mehr Freundschaften, die nur im Internet stattfinden. Freundschaft braucht nicht zwingend Körperlichkeit. Aber sie braucht Bereitschaft und Lust, miteinander zu tun zu haben.

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Wenn ihr die Freundschaft lockern wollt, vergesst es

Dann gibt es noch den Faktor Zeit. Je älter man wird, desto länger hat man bereits Freunde. Freunde, die man oft schon seit der Volksschule kennt. Man hat aber auch immer weniger Zeit—dank dem Job oder einer Beziehung zum Beispiel. Oder auch einfach weil die neuen Freunde gerade aufregender und spannender sind. Es gibt Freunde die kommen damit klar—je mehr Zeit vergeht, desto kleiner wird der Anspruch auf gemeinsame Zeit. Es gibt aber auch Freunde, die damit nicht zurecht kommen.

Menschliche Beziehungen funktionieren selten nach dem Schritt-zurück-Prinzip. Eine richtige Beziehung kann selten zu einer Sexbeziehung rückgängig gemacht werden. Eine Sexbeziehung wird auch nur selten zu einer Freundschaft. Ergo wird eine intensive Freundschaft selten zu einer Ab-und-zu-Freundschaft.

Je intensiver die Freundschaft, desto geringer die Chancen, dass sie ein Leben lang hält.

Ich würde also sagen: Je intensiver die Freundschaft, desto geringer die Chancen, dass sie ein Leben lang hält. Weil die Zeit mit uns persönlich auch etwas macht—sie verändert. Unser Leben, unsere Einstellungen, unsere Gedankenwelten. Das lässt sich nicht steuern und das ist auch gut so. Wie furchtbar fad wäre das Leben, wenn alles vorhersehbar wäre? Und wenn die Zeit wieder Mal einem selbst schleichend generalüberholt hat, merkt man manchmal, dass Zeit-Freunde einem kein gutes Gefühl mehr hinterlassen. Dass sie Energie aussaugen. Oder dass man sich gar nicht freut, sie auch nach langer Zeit zu sehen. Diese Erkenntnis tut weh.

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Freundschaften sind immer egoistisch (und das ist OK)

Aber Zeit sollte kein vordergründiges Attribut sein, um Freundschaften zu halten. Wenn nichts mehr verbindet, außer die gute alte Zeit und man sich nur noch platt austauschen kann—dann sollte man die Freundschaft gehen lassen. Und die neu gewonnene Zeit in neue Freundschaften zu investieren, die sich gut anfühlen. Wie alles im Leben, haben auch Freundschaften im Kern einen egoistischen Zweck—ein gutes Gefühl oder anregenden Austausch. Nach meiner Erfahrung zumindest.

Sicher—Manchmal lohnt es sich dann doch Arbeit zu investieren, um die Freundschaft doch noch zu erretten. Aber der Grat ist schmal und oft lebt man noch lange Zeit nebeneinanderher, wie in einer schlechten Beziehung—einfach nur mit dem Argument der Zeit und der Angst, getrennte Wege zu gehen. In einer schnellen und vernetzten Zeit wie dieser, ist es nicht einfach herauszufinden, ab wann man zu schnell aufgegeben hat. Tendenzen dazu gibt es genauso, wie für das einfache nebeneinander Leben.

Man muss auch Trennung lernen

Für mich ist es OK, wenn Freundschaften zerbrechen. Oder besser gesagt: dass sie es tun. Es ist OK, weil Zeit für mich kein Argument mehr ist—entweder man versteht und kennt sich, oder nicht. Freundschaften sind eine andere Art von Liebe—das Gefühl sein Gegenüber ewig zu kennen, kann sich schon beim zweiten Bier einstellen. Damit hat die Zeit weniger am Hut, als ich früher dachte.

Es ist OK für mich, wenn Freunde einen anderen Weg gehen, oder wenn ich einen anderen Weg gehe. Es ist OK für mich, wenn meine Ansprüche nicht erfüllt werden, oder ich keine erfülle—Freunde sehe ich als treue Wegbegleiter. Ich versuche meine Freundschaften wie Bekanntschaften zu betrachten. Sie begleiten meinen Weg so lange, sie es wollen. Ich begleite ihren, solange ich es will. Nicht falsch verstehen: Ich versuche stets Personen, die ich inspirierend und toll finde, auch glücklich zu machen. Mit meiner treuen Freundschaft oder mit Trost an schlechten Tagen, zum Beispiel.

Wenn sich ernstzunehmender Frust, Wut, Ärger oder Eifersucht in den Weg stellt, halte ich kurz inne. Dann versuche ich herauszufinden, ob die Freundschaft es wert ist, sie zu reparieren. Meistens ist sie es—eine einzelne schwierige Phase definiert selten ein gesamtes Beziehungsgefühl. Manchmal ist sie es nicht. Dann vergrabe ich mich für ein paar Tage traurig mit meiner Playstation und Eis und trenne mich. Wie in einer Beziehung eben.

Fredi ist auch auf Twitter: @schla_wienerin