FYI.

This story is over 5 years old.

News

Wie der Fall eines Kärntner Waldbesitzers das gesamte Jagdgesetz ändern könnte

In Österreich kann man die Jagd auf dem eigenen Grund bisher nicht verhindern. Ein gebürtiger Kärntner kämpft dagegen an—und hat gute Chancen.

Foto: abarndweller | flickr | CC BY-SA 2.0

Wenn er abends mit dem Auto das steile Waldgrundstück hinauffährt, würden gleich zehn Rehe vor seinem Fahrzeug herumspringen, sagt Christian A., Jurist, (Beinahe-) Veganer und Grundbesitzer aus Kärnten. Was in der Beschreibung ein bisschen nach Zeichentrickszenen aus Bambi klingt, stellt für A. leider ein echtes Problem dar.

Im Jahr 2007 erwarb er ein etwa sechs Hektar großes Grundstück im Bezirk Spittal, auf dem der frühere Besitzer vor dem Verkauf noch einen Kahlschlag vollzogen hatte. In der Folge bemühte sich A., die Fläche wieder aufzuforsten, pflanzte Jahr für Jahr hunderte Bäume. Doch der Hunger der vielen Wildtiere, die nichts lieber tun, als Jungbäume anzuknabbern, machte ihm dabei stets einen Strich durch die Rechnung: „Laubbäume kann ich eigentlich ganz vergessen, von den Fichten kommen etwa jährlich 10-20 Prozent auf", erklärt er.

Anzeige

Viele würden nun meinen, dass es ja genau deshalb die heimische Jägerschaft gibt, die den anarchistischen Zuständen in der Tierwelt Einhalt gebietet. Doch genau in ihr sieht A. das Problem: nicht ein geplantes Gämse-Massaker sei letztlich die Lösung, sondern ein Stopp der gängigen Jagdpraxis.

Bevor Jäger das Wild dezimieren, würden sie die Tiere nämlich künstlich hochfüttern und hätten so langfristig für einen unnatürlich hohen Wildbestand gesorgt, so seine Logik. Als erste Person in Österreich möchte A. deshalb das Jagen auf dem eigenen Grund gänzlich verbieten. Der Antrag dazu wird derzeit vom Verfassungsgerichtshof geprüft und hat gute Chancen, die gesamte österreichische Jagdordnung aufzuheben.

Foto: Benjamin Gauthier | flickr | CC BY-SA 2.0

Derzeit kann man als Einzelperson nämlich nicht verhindern, dass auf dem eigenen Grund und Boden gejagt wird. Das allgemein-öffentliche Interesse an der Regulierung der Natur stünde sozusagen darüber—daher herrscht Duldungspflicht über Eigentumsrecht.

Dazu wird der vorhandene Grund von den Gemeinden zu Genossenschaftsjagdgebieten zusammengefasst, die wiederum an Jagdgesellschaften verpachtet werden müssen. Ausnahme besteht nur, wenn man einen Grund von über 115 Hektar (nach Bundesländern verschieden) besitzt. In diesem Fall könne man sich auf ein Eigenjagdrecht beziehen.

Dem gebürtigen Kärntner, der in Wien als Rechtsanwalt tätig ist, schwebt eine andere Ordnung im Wald vor: „Alle natürlichen Jäger wie Bären oder Wölfe wurden von uns schon so gut wie ausgerottet", sagt er. „Ich bin aber ein großer Fan des Luchses." Dessen Beute bestünde zu 90 Prozent aus Wild; Nutztiere wie Schafe würden ihn nicht interessieren und auch aus menschlicher Sicht gäbe es mit der Raubkatze keinen Stress. Wiederansiedlungen würden von der heimischen Jagdgesellschaft blockiert werden—oder schlimmer, die Männchen verschwinden ganz einfach. Erst im letzten Juni wurde ein männlicher Luchs in der Tiefkühltruhe eines Niederösterreichers aufgefunden. „Wenn man den Wald als eigenen Stall sieht, in dem man Tiere züchten kann, wie man will, duldet man natürlich auch keine Konkurrenz."

Anzeige

„Wenn man den Wald als eigenen Stall sieht, in dem man Tiere züchten kann wie man will, duldet man natürlich auch keine Konkurrenz."

Gegenstimmen zu A.s Ziel gibt es jedenfalls zuhauf. Christian Ragger, FPÖ-Landesrat und Jagdreferent in Kärnten, hat gegenüber dem ORF von „katastrophalen" Folgen gesprochen, sollte dem Antrag tatsächlich stattgegeben werden. Andere Landesbeamte sprechen ebenfalls von „unabsehbaren Zuständen" im Falle der erstmaligen Jagdfreistellung. Kärnten müsste auf die Aufhebung des VfGh reagieren, die anderen Bundesländer würden in der Sache—Jagd wird von den Ländern geregelt—entsprechend nachziehen. Das Vorgehen des Einzelkämpfers A. hat jetzt schon Nachahmer gefunden. Neben einem zweiten Antragsteller in Kärnten werden auch schon zwei Fälle aus Niederösterreich geprüft.

„Alle wissen, dass es früher oder später so kommen wird", ist sich Christian A. sicher. „Warum sollte es in Österreich anders ausgehen als in Deutschland?" Dort, wie auch in Frankreich, hat es in den letzten Jahren schon Präzedenzfälle gegeben, in denen die betroffenen Grundbesitzer den Gang bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte taten—und Recht zugesprochen bekamen.

Der Jurist aus Kärnten würde es im Falle einer unzureichenden Entscheidung des VfGh jedenfalls gleichtun. „Ich will niemanden missionieren und niemandem meine Philosophie aufdrängen", meint der Beinahe-Veganer, der Massentierhaltung ablehnt, höchstens hofeigene Eier und Hendlfleisch konsumiert, ansonsten im Tierschutz aber nicht weiter aktivistisch tätig ist. Im Fall seines Grund und Bodens gehe es ihm aber „ums Prinzip".

Thomas auf Twitter: @T_Moonshine