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Sex

​Wie ich wegen meiner Hautfarbe auf Tinder belästigt werde

Ich bin schwarz, weiblich und werde von Männern beim Online-Dating wahlweise als „Mischlingsische" beleidigt oder zum Fetisch erhoben.

Die Autorin

Wie die meisten von euch Singles da draußen habe auch ich Tinder benutzt, um meinen zukünftigen Ehemann zu finden. Kleiner Scherz, natürlich nicht. Dass sich bei Online-Dating-Plattformen im Allgemeinen immer ziemlich viele Idioten rumtummeln und Tinder mit seinen unverbindlichen Sexabenteuern da noch mal eine ganz andere Liga darstellt, war mir natürlich klar. Allerdings habe ich nicht erwartet, aus so einem riesigen Scheißebuffet auswählen zu dürfen. Es ist so schon schwer genug, online irgendjemanden kennenzulernen, der nicht total verzweifelt oder irgendwie gruselig ist. Wenn man, wie ich, einen afroamerikanischen Hintergrund hat und dementsprechend „anders" aussieht, tun sich allerdings ganz neue Untiefen auf. Ihr findet es schlimm, wenn euch jemand Nachrichten über euren Arsch schreibt? Dann wartet erst mal ab, bis euch jemand „Mischlingsische" nennt.

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Da ich relativ hellhäutig bin, kommt die Frage nach meiner „Rasse" oft erst etwas verspätet, aber bei 30 Prozent der Typen, mit denen ich schreibe, kann ich mir sicher sein, dass sie kommt. Falls sie nicht kommt, werde ich auf meine Größe und/oder meine Kurven angesprochen, was nicht minder frustrierend ist. Ich kann in aller Regel also aussuchen, ob ich entweder von einem Größenfetischisten (ich bin 1,87 Meter groß und gebe das auch bei Tinder an), Kurvenfetischisten (erklärt sich von selbst) oder Hautfarbenfetischisten angegraben werden möchte. In den seltensten Fällen schreibt mich ein „normaler" Mann an.

Während andere bei Tinder sich mit der 0815-Einstiegsfrage nach ihrem aktuellen Befinden herumschlagen müssen, starten meine Chats meistens mit der Frage nach meiner Nationalität („Was bist du?"). Die anderen Gesprächseinstiege lassen sich in aller Regel in die Kategorie „Du bist eine exotische Schönheit, wollte schon immer mal sowas wie dich im Bett haben" oder—besonders stumpf—„Du bist bestimmt ne Bombe im Bett, wie die meisten schwarzen Frauen" einteilen.

Auf sein Äußeres reduziert zu werden, ist bei Tinder natürlich normal. Problematisch wird es allerdings, wenn man auf seine (vermeintliche) Herkunft reduziert wird. Jeder darf seine Präferenzen haben, aber ganz ehrlich: Würdet ihr wollen, dass jeder Chat mit einer Anspielung auf eure Hautfarbe beginnt? Ich finde es total OK, wenn Leute mich fragen, wo meine Wurzeln liegen. Wenn das aber zum Einzigen wird, was an mir interessant ist, dann ist das ein Problem und erinnert mich an Frauen, die Männer nur interessant finden, wenn sie einen Bart tragen oder tätowiert sind. Ich frage mich bei so etwas immer, ob es eigentlich egal ist, wie man aussieht oder wer man ist—solange man nur diesen Fetisch bedient.

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Alex (alle Namen von der Redaktion geändert), 29, etwa schrieb mir nach einigen netten Nachrichten: „Mal im Ernst, hatte noch nie was mit 'ner Schwarzen, bin ganz schön aufgeregt." Das war nicht nur aufgrund seines Hautfarbenkommentars absolut respektlos, wir hatten zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal davon gesprochen, uns zu treffen. Geschweige denn, miteinander zu schlafen. Wie genau kommen die Leute eigentlich darauf, dass man nur aufgrund seiner Herkunft irgendwie promiskuitiver ist? Jonas, 34, hingegen sah sich als Retter von „ Mischlingskindern" wie mir und schrieb: „Normalerweise stehe ich ja nicht so auf Schwarze, aber du bist echt hübsch." Wow, danke. Nein, danke. „Erbarmen" musst du dich nun wirklich nicht. „Danke, Jonas. Endlich findet mich jemand hübsch. Jetzt schulde ich dir bestimmt ein Date" konnte ich mir nicht verkneifen, bevor ich ihn unmatchte.

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Im Allgemeinen scheinen Dating-Apps wie Tinder allen Vollidioten der Welt endlich die Möglichkeit zu geben, ihren rassistischen Vorurteilen mal so richtig freien Lauf zu lassen. Tobias, 27, beispielsweise war verwundert, dass wir ein Match waren. Er dachte, schwarze Frauen stehen nur auf schwarze Männer und umgekehrt. Ich vermeide es größtenteils, mit solchen Leuten zu diskutieren, weil es Zeitverschwendung ist und ich dazu tendiere, mich unnötig aufzuregen. Deshalb ignoriere ich solche Nachrichten in aller Regel. Mein persönlicher Favorit war allerdings Stefan, 33, der Probleme hatte, mein „exotisches" Äußeres richtig einzuordnen: „Hola Chica, endlich mal eine waschechte Latina! Darauf stehe ich total. Woher kommst du?"

Foto: Lorenzo | Flickr | CC BY 2.0

Sowas ist sicher nicht böse gemeint und viele verstehen auch gar nicht, warum ich so empfindlich darauf reagiere, aber wir „Mischlingskinder" sind nun mal geprägt davon, dass wir dauernd nach dem Woher und Warum und Wieso und dem, was wir sind, gefragt werden. Wir sind es leid, das auch im Datingleben tun zu müssen. Manchmal komme ich mir vor wie eine von vielen. Mein Gesicht, mein Köper, mein Charakter—alles egal. Hauptsache meine Hautfarbe stimmt. Wie oft ich schon mit Leuten verglichen wurde, mit denen ich nur den Hautton gemeinsam hatte, kann ich gar nicht beziffern.

Ich möchte mit jemandem ausgehen, weil er mich mag oder, wenn wir von Tinder sprechen, weil er mich attraktiv und interessant findet. Nicht, weil er einmal seine Sexfantasie mit einer „Schwarzen" beziehungsweise einem „Mischling" ausleben will. Schon in meiner Teenagerzeit musste ich feststellen, dass sich die Leute auch sexuell mehr für meine dunklere Haut als für mich als Person interessieren. Bei Tinder scheinen sich genau diese Männer allerdings zu bündeln. Und es geht nicht nur mir so! Meine schwarzen Freundinnen haben alle ähnliche Erfahrungen mit Online-Dating gemacht und sind ebenfalls endlos genervt. Wir sind keine exotischen Früchte, von denen man mal naschen will, keine Stuten, die eingeritten werden müssen—oder wofür uns diese Typen sonst so halten.

Vielleicht habe ich Tinder auch falsch verstanden und man muss grundsätzlich damit rechnen, als reines Objekt angesehen zu werden. Für mich ist das jedenfalls nichts. Als ich die vielen widerlichen Nachrichten, Penisbilder, Beleidigungen und Anspielungen nicht mehr ertragen konnte, habe ich die App schließlich wieder gelöscht. Im echten Leben kann ich zumindest einfach weggehen, wenn mich jemand als Ventil sieht, um seinen Fetisch auszuleben, und bekomme die unmöglichen Nachrichten nicht direkt aufs Telefon. Ich habe nicht nur schlechte Erfahrungen mit Tinder gemacht—mit drei Männern habe ich mich sogar getroffen—, aber nach ähnlich erschütternden Vorfällen bei OkCupid habe ich mich dazu entschlossen, meine Online-Dating-Aktivität erst einmal auf Eis zu legen. Es gibt sicher noch Leute da draußen, die sich ohne Apps verabreden, oder? Wenn nicht, auch nicht schlimm. Ich habe ja bereits eine Katze.