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Ich war dabei, als in Wien der nordkoreanische Nationalfeiertag gefeiert wurde

Der 70. Gründungstag der nordkoreanischen Arbeiterpartei wurde nicht nur in Pjöngjang gefeiert, sondern auch in Wien. Geladen hat dazu ein Verein, der einen mehr als unkritischen Umgang mit dem Regime pflegt.

„Info"-Material aus der nordkoreanischen Botschaft. Alle Fotos vom Autor

Wenn in Nordkorea gefeiert wird—oder auf bizarre Art zumindest so getan wird, als würde man feiern—dann bezieht sich der Anlass in der Regel auf eine weit entfernte Vergangenheit, in der das totalitäre Regime irgendwann zwischen Zweitem Weltkrieg und Ende der Sowjetunion stecken geblieben ist. Letzte Woche war wieder einmal so ein „Feiertag". In Pjöngjang wurde zum 70-jährigen Bestehen der Kommunistischen Arbeiterpartei eine monströse Militärparade veranstaltet. Aber nicht nur dort wurde das Jubiläum gefeiert, sondern auch hier in Wien.

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Botschafter Kim Dwang Sop und die Gesellschaft Österreich-KDVR hatten gemeinsam zu einer „Filmvorführung mit anschließendem Empfang" in die nordkoreanische Botschaft im vierzehnten Wiener Gemeindebezirk geladen.

Vielleicht hört ihr ja gerade zum ersten Mal davon, dass es in Österreich überhaupt eine nordkoreanische Botschaft gibt. Und vermutlich wundert es euch auch, dass hierzulande ein Verein existiert, der sich um einen „freundschaftlichen Austausch" zwischen Österreich und Nordkorea bemüht. Am absurdesten ist aber wohl die Tatsache, dass Bundespräsident Heinz Fischer früher selbst einmal

Vizepräsident dieses Vereins war.

Mit Medienauskünften hat man es beim Österreich-KDVR nicht so. Mehrmals hatte ich dort in der Vergangenheit schon aus Interesse angefragt. Meistens kam aber sofort eine Absage, nur einmal erkundigte man sich, wie viel Geld ich denn für ein paar Fragen hinlegen würde. Nicht verwunderlich, dass auch die Party zum 70. Gründungstag alles andere als öffentlich war. Und so war es mehr Zufall, dass mir über einen Bekannten eine Einladung in die Hände fiel.

Der nordkoreanische Staat hätte in Wien sicher in einer mieseren Adresse absteigen können. Seit den frühen 70ern befindet sich die Botschaft im Penzinger Biedermeier-Palais Zechy. Das Gelände mit Garten ist von hohen Mauern umgeben. Damals war es eine der wenigen Auslandsvertretungen des Regimes in Westeuropa und wurde im großen Stil für Devisengeschäfte und den Import von Luxuswaren genutzt.

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Ich bin an diesem Abend spät dran und überlege kurz, wo genau man anläuten sollte, als sich das grüne Metalltor schon von ganz allein öffnet. Im Hauseingang der Botschaft grüßen freundlich zwei Mitarbeiter. Eine Einladung muss ich nicht vorzeigen.

Etwa vierzig bis fünfzig Personen verteilen sich auf den Hauptgang des Erdgeschosses und drei Nebenräume. Zum Großteil ältere Männer in breit-geschnittenen 90er Jahre Nadelstreifsakkos und Seidentüchern in der Brusttasche. Viele von ihnen tragen rote Anstecker, mit dem grinsenden Konterfei von Kim Il Sung, dem „ewigen Führer", darauf. Vereinzelt sind es aber auch Menschen unter 60, in Lederjacke, oder mit Umhängetaschen in den Farben der „Demokratischen Volksrepublik". Alt-Sozis meets Revoluzzer-Chic, wenn man so will. Ein paar Koreanerinnen in kitschigen, bodenlangen Kleidern servieren dazwischen Bier, Wein und Pepsi.

Nach einem kurzen Rundblick bleibt die Frage, wie denn nun das genaue Programm aussieht und wo der angekündigte Film abfährt. „Der DVD-Player ist kaputt", erklärt mir einer der Herren mit Anstecker sichtlich enttäuscht. „Wenn ich das gewusst hätte, dann wäre ich noch zum Media Markt gefahren und hätte so ein Gerät mitgebracht. Man hätte mich nur anrufen müssen! Aber nicht einmal der Botschafter selbst ist ja hier." Pünktlich um 18 Uhr sei lediglich eine Grußbotschaft aus Nordkorea verlesen worden. Viel mehr hätte ich nicht verpasst.

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In der Folge konzentriert sich deshalb alles auf das Buffet, die einzig verbliebene Attraktion des Abends, die mit säuerlichem Kimchi-Geruch schon von Weitem in das hintere Eckzimmer lockt. Man häuft sich Hühnerkeulen, zwiebellastige Teigtaschen und russische Eier auf. Über Gratis-Essen soll man ja nicht urteilen, unweigerlich muss ich aber an die jüngste Meldung über „prämiertes", nordkoreanisches Flugzeugessen denken.

Die Räume sind ziemlich spärlich eingerichtet und die Besucher stellen sich mit ihren Tellern hauptsächlich zu den Fensterbänken und Heizkörpern. Das einzige, was in jedem einzelnen Raum steht, ist ein Klavier—aus nordkoreanischer Sicht wohl der Inbegriff eines kontinentaleuropäischen Raumaccessoires.

In kleinen Gruppen stehen die Gäste eng zusammen und schenken mir vor allem skeptische Blicke, während sie sich über die Erlebnisse des letzten Nordkorea-Urlaubs austauschen. Draußen vor der Tür unterhält man sich über Fußball. Offene Ansprachen über Politik wird es keine geben.

Irgendwann kommt ein Mitarbeiter der Botschaft auf mich zu, mit dem Hinweis, dass er „mich zum ersten Mal hier sehe." Als ich mich noch einmal nach dem Film erkundige, versichert er, dass der Programmausfall nichts mit technischen Problemen zu tun hätte. „Es sind zu viele Menschen", lautet seine seltsame Erklärung aus angeblichen Sicherheitsgründen.

Später versuche ich noch einmal, mit dem Generalsekretär der Gesellschaft, Adolf W., ins Gespräch zu kommen. Was denn der Sinn und Zweck der Kooperation mit Nordkorea sei, will ich wissen. Die Antwort fällt aber wie gewohnt kurz und knapp aus: „Ich werde Ihnen dazu nichts sagen. Und ich muss Ihnen das auch nicht begründen. Das war's."

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Ich beschließe, die Botschaft zu verlassen, als selbst die Koreanerinnen, die mir die ganze Zeit über freundlich Wein nachgeschenkt haben, zunehmend grimmiger dreinschauen. Alles in allem bleibt der Eindruck eines trostlosen Asia-Buffets mit einer Prise stalinistischer Paranoia.

Bleibt die Frage, warum es diesen Verein wirklich gibt. Die Gründung der Gesellschaft geht auf die Regierung Bruno Kreiskys der 70er Jahren zurück. Unter Außenminister Rudolf Kirchschläger begann man, diplomatische Beziehungen sowohl zu China, als auch Nordvietnam und Nordkorea aufzunehmen—im Sinne der damaligen aktiven, aber „neutralen" Rolle Österreichs im Kalten Krieg. Langjähriger Vorsitzender wurde der damalige DÖW-Präsident Herbert Steiner. Die Liste der ehemaligen, prominenten Mitglieder ist lang und reicht vom einstigen ÖVP-Justizminister Klecatsky, über den früheren Präsident des Obersten Gerichtshofes Franz Pallien bis hin zu etlichen, teils hochrangigen SPÖ-Politikern wie Heinz Fischer.

Auch der Politikwissenschafter Anton Pelinka war in den 80er-Jahren eine Zeit lang Mitglied der Gesellschaft. „Ich bereue das heute sehr", meint er im Gespräch. Im Zuge einer Studienreise nach Nordkorea sei er damals Mitglied geworden. „Ich war ja gleichzeitig auch Mitglied in vielen anderen Gesellschaften, wie der israelischen oder der amerikanischen." Per se seien solche Vereine, die dem kulturellen und wirtschaftlichen Austausch von Ländern, unabhängig von politischen Konflikten, dienen sollen, legitim.

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Bald merkte der Politologe aber, dass über den Verein vermehrt politische Aussendungen geschalten wurden und trat sofort aus. Heute ist er sicher: „Das ist eine reine Propagandaeinrichtung des nordkoreanischen Regimes."

Man muss eigentlich nur einen Blick auf die Homepage des Österreich-DVKR werfen, um diese Aussage auch bestätigt zu bekommen. Dort wird etwa die Militärparade zum 70. Gründungstag der Partei in voller Länge zu YouTube verlinkt—mit dem euphorischen Zusatz: „Der allwährende Fortschritt des koreanischen Volkes wird gesichert durch die tapferen Soldaten der koreanischen Volksarmee".

Der Verein mag vor zig Jahren einmal Versuch gewesen sein, auf diplomatischer Ebene eine Annäherung des Landes zu bewirken. Spätestens nach Ende des Kalten Krieges, als sich die neutrale Rolle Österreichs immer mehr auflöste und das nordkoreanische Regime seinen starren Totalitarismus immer weiter vertiefte, führte sich die österreichisch-nordkoreanische Freundschaftsgesellschaft aber endgültig ad absurdum. Übrig geblieben ist eine Truppe aus Hobby-Diplomaten und „Juche"-Ideologie-Fans, die anlässlich des nordkoreanischen Nationalfeiertags die Weingläser klirren lassen, während die elendige Menschenrechtssituation im Land unangesprochen bleibt.

Thomas auf Twitter: @T_Moonshine